Startseite»Lifestyle»Kolumnen»Handys, ist der Metal zu alt für diesen Scheiß?

Handys, ist der Metal zu alt für diesen Scheiß?

0
Geteilt
Folge uns auf Pinterest Google+

Wir merken erst, dass wir alt geworden sind oder es werden, sobald wir anfangen uns über die Jugend zu beklagen und wie alles früher besser war. Damit will ich nicht sagen, dass sich nichts verschlechtert hat, aber wenn man es am eigenen Leib erfährt und erkennt, hilft es definitiv dabei seine eigenen Eltern, Großeltern und Verwandten zu verstehen, die früher schon eifrig kritisierten und ebenfalls als Jugendliche kritisiert wurden. Unentwegt wird die Generation Smartphone und Social Media verdammt, was jedoch nicht auf das Alter beschränkt ist, besonders wenn man vor dem erwachsenen Geblüt die Eigenwahrnehmung und Selbstkritik darlegen kann.

Nicht alle Aufschreie, über die eigenen Altersgenossen entspringen jedoch dieser Profilierungsarbeit, denn man muss ja schließlich nicht alles mitmachen: tausende „Hashtags“, „vines“, angeblich lustige „Memes“ auf eher unlustigen Plattformen, das alles ist selbst für jemanden wie mich zu viel, dabei stamme ich aus der von Grabanwärtern oft als „medienabhängige Generation“ betitelten Altersgruppe.

2e2e

Internet hin oder her, man sollte den Internet ABC-Schützen so einiges an Güte aussprechen, schließlich sind sie die Ersten die in unserer vernetzten Welt groß werden müssen und es meiner Meinung nach schon sehr gut meistern. Das altbekannte Stirnrunzeln, das sich auf die Gesichter vieler Menschen legt wenn sie eine Gruppe Teenager dabei bestaunen dürfen, wie diese sich nur mit ihrem Handy beschäftigen und der soziale Kontakt untereinander gelegentlich nur für sogenannte „Selfies“ gesucht wird, durfte ich auch bereits bei mir in der Bushaltestellenscheibe erkennen.

DOCH DANN RUFE ICH MIR IMMER WIEDER IN DIE ERINNERUNG ZURÜCK, DASS SIE VIELLEICHT FREI HANDELN, ABER SICH AUCH NICHT DEN MEDIEN UND DEM INTERNET ENTZIEHEN KÖNNEN, DA DIESE SIE STÄNDIG BEEINFLUSSEN.

Und nach dieser wirren Einleitung möchte ich auch endlich das eigentliche Thema ansprechen, welches bestimmt viele dazu veranlasst die Moralkeule nach jedem besuchten Konzert mal wieder aus dem Sack zu holen:
Smartphones auf Konzerten. Klischeehafte Vorstellungen von Smombies auf Musikveranstaltungen werden immer wieder bestätigt und rauben vielen geübten Beobachtern den Atem: Ob es nun @charliecookiex3 – das ist keine namentliche Nennung, sondern nur ein frei erfundener Name, also wenn du auf irgendeiner Plattform charliecookiex3 heißt, bitte fühle dich nicht angesprochen – ist, die sich so eben in der zehnten Pose vor dem Merchandise-Stand zurechtmacht um ihre Social-Media-Galerie bei den üblichen Verdächtigen aufzuwerten, oder Tom, der sich so eben den halben Auftritt seiner Lieblingsband „Die Krebsfledermäuse“ für die eingestaubte SD-Karte sichert. Eines haben sie alle gemeinsam, nämlich die verfluchte Internet-Sucht und Sozialphobie, die viele von ihren Eltern und Mitmenschen diagnostiziert bekommen. Es steht natürlich außer Frage, dass beide wachsende Probleme in unserer Gesellschaft sind, aber wenn wir ehrlich sind fällt uns auf:

DIE HABEN SPASS, DURCH DEN ICH KEINEN SPASS HABE…

Es stört uns viel mehr die Präsenz dieses Handy-Displays, durch das wir sowohl den Frontmann als auch den noch nicht von der Nebelmaschine verschluckten Rest der Band in einer sahnigen 360 Pixel Auflösung betrachten dürfen, und nicht die gesellschaftskritischen Aspekte, die wir gerne ab und an von uns lassen, bevor wir genüsslich in unseren eher nicht so saftigen Burger für 1,95 € beißen.

2e2e2e

Die meisten Argumentationen der Gegner von Handys auf Konzerten enden darin, dass der eigene Komfort – für den man ja mit dem Eintritt bezahlt – damit beeinträchtigt wird. Da legt sich bei mir wieder das Stirnrunzeln über meine Pickelhaube, die ich liebevoll Kopf nenne, und ich frage mich, ob wir zwischen all der Übertreibung unserer Probleme in der Freizeit überhaupt noch Platz für echte Probleme haben.

FIRST WORLD PROBLEMS“ HABEN WIR ALLE, ABER WIE SEHR SIE DICH INTERESSIEREN IST JEDEM SELBST ÜBERLASSEN. BIN ICH EIN HIPPIE UND SIND MIR DIE UNANGENEHMLICHKEITEN ZU EGAL?

Kann es wirklich unsere größte Sorge sein, wenn wir den Bühnenauftritt unseres Lieblings-Nightwish-Klons nicht vollständig genießen können, weil Erwin vor uns ein Video für seine Katze macht, damit diese, verstört vom Anblick, keine Pfote mehr in das gemeinsame Schlafzimmer von Erwin und seiner Gemahlin setzt? Und verhalte ich mich wie ein absoluter Hippie und selbsternannter Friedensstifter, weil es mir am Gesäß vorbeigeht? Diese beiden Fragen würde ich jeden für sich selbst beantworten lassen, aber mit meiner Antwort gerne die Smartphone-Videos in den Schutz nehmen.

Für mich ist es nämlich egal was ihr auf einem Konzert macht, schließlich könnte es mich auch stören wenn ihr euch bis zur Atemnot in schlechtem Bier ertränkt oder mit eurer Freundin mit Schmetterlingstattoo auf ihrem rechten Arm versucht den demographischen Wandel aufzuhalten. Solange sich das in Grenzen hält, ist das alles zu verkraften, schließlich hat jeder, ja auch Erwin vor euch mit seinem zerkratzten Smartphone mit dem Apfel drauf, den Eintritt bezahlt und möchte dem Alltag entfliehen. Auf allen Seiten gibt es Leute die über die Stränge schlagen, aber ich habe lieber den unschuldigen Knaben mit eigenem Video-Kanal vor mir, der die Hälfte des Sets aufnimmt bis sein Akku mal wieder den Geist aufgibt, als den alkoholisierten Mittvierziger der immer wieder sein kürzlich erworbenes Bier entweder aus dem Becher oder seinem Mund auf meine Schuhe schüttet.

Nervige Situationen sind überall zu finden, aber sind sie alle eine Kolumne wert – ja dieser Kommentar war Meta- geschweige denn die vielen Gedanken darüber? Es wird eine Zeit dauern, bis man das Handy im Konzertalltag akzeptiert, auch wenn es den ein oder anderen schon hart trifft, das Desinteresse gegenüber der eigenen Lieblingsband nun noch offenkundiger gezeigt wird, da Online-Chats nicht wie Gespräche übertönt werden. Dennoch sollte man deswegen nicht dem Patententwurf von Apple blind applaudieren, denn der kann ganz andere Folgen haben, sobald Videoaufzeichnungen von polizeilicher Gewalt oder anderen Straftaten verhindert werden können und somit viel mehr in die Privatsphäre und Entscheidungsfreiheit jedes Einzelnen eingegriffen wird.


Wenn Musiker wie Glenn Danzig jedoch anfangen sich zu prügeln oder Gewalt gegenüber Fans verlangen (zu sehen im oberen Video) wegen des selbst ausgesprochenen Foto-Verbots und David Draiman von DISTURBED eine Frau vor dem gesamten Publikum verbal attackiert (zu sehen im unteren Video), obwohl diese an ihrem Handy nur wissen wollte ob es ihrer Tochter gut geht, die durch ein schreckliches Gewitter nach Hause gefahren war, dann stellt sich mir nur die Frage, wie spießig die Metal-Fangemeinde und -Musiker im Laufe der Jahre wohl geworden sind und wie akzeptierend wir wirklich sind.

Denn sind wir mal ehrlich: Wer bei einem Konzert lieber den wunderschönen Frontmann und die „shreddernden“ Gitarristen bestaunt (unter uns: den Schlagzeuger sieht eh niemand ), anstatt sich die Seele aus dem Kopf zu headbangen oder sich im Moshpit von tonnenschweren Güterwaggons mit Namen wie Tobias oder Alex überrollen zu lassen, der täte MIR auch schon ohne Handy leid.

2e22fc


Aber ich echauffier mich nicht darüber, weil ich mir die Zeit dafür nicht nehmen will, schließlich habe ich noch die ein oder andere Partie eines Mobile-Games zu verlieren und rege mich viel lieber in Kolumnen wie dieser über die Leute auf, die sich zu viel aufregen. Und ich hoffe ihr lasst weiterhin die Leute mit ihren Handys auf Konzerten spielen und diese lassen euch dafür in Ruhe wenn der Blutdruck ins Unermessliche steigt, was ab einem bestimmten Alter definitiv vermieden werden sollte.

ZUM ABSCHLUSS EIN PAAR NETTE WORTE, WEIL NIEMAND GERN KOMPLETT ZYNISCHE ARTIKEL MIT KOMPLETT ZYNISCHEM ENDE LIEST.

In diesem Sinne wünsche ich jedem Leser viel Freude auf dem nächsten Konzert und das unabhängig davon was er/sie/es gerne tut, sei es nun rumstehen, ein alkoholisches Getränk vertilgen, „stagediven“, „moshen“, „headbangen“ oder sich ab und zu über die „Kids“ aufregen, wenn man schon alt genug dafür ist.


Dies ist ein Gastautorenbeitrag von: Jonas


Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über silence-magazin@patreon Patreon
letzter Artikel

Eine Prise Misanthropie schadet nie | EoM XVI

nächster Artikel

Raus aus meinem Haus!

2 Kommentare

  1. Ein Depp
    20. Juli 2016 bei 20:32 — Antworten

    Niemand hat was dagegen, wenn jemand ein Foto macht. Nur wenn jemand am Dauerfilmen ist und herum weint, weil ich ihn/sie beim Zur-Musik-Abgehen anremple, gibt’s von mir garantiert kein „Entschuldige“. Wer frech wird, der bekommt eine Schelle. Wer zur Musik nicht abgehen will warumauchimmer, was vollkommen legitim ist, sollte eben einfach den vorderen Bereich der Bühne meiden. So einfach ist das.
    Man könnte ja auch mal die Typen, die da immer so auf der Bühne stehen, fragen, was sie lieber sehen: Leute, die die Show erfürchtig/gechillt hintend stehend genießen, während vorne die Freaks ausrasten ODER eine Armee von Smartphonesklaven, die ihren Gott permanent in die Luft recken müssen. Ich hab‘ da so eine Ahnung, was die Meisten wohl lieber sehen. Ist aber nur ein Verdacht …

    Die ganzen unterirdischen Videos auf YouTube braucht trotzdem keine Sau.

  2. minuslik
    4. Juli 2016 bei 21:47 — Antworten

    Hal? Bist du’s?

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert