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Heidnische Klänge statt Schulmedizin – ein Abend mit HEILUNG in Halle!

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Kapuzenträger mit rauchenden Kräutern, Oberkörperfreie keltische Krieger mit Speeren auf der Bühne und Sänger mit Hirschgeweihen… okkulte Rituale in Deutschlands Wohnblöcken oder heidnische Rückbesinnung in klerikalen Kreisen? Nein, einfach nur HEILUNG in Halle!

Die etwas andere Location….

Es ist also der 01.11.2019. Zu dritt machen wir uns in den dunklen Abendstunden auf ins nahegelegene Halle an der Saale. Das Navi führt uns zuverlässig durch die unmöglichen Wirrungen der dortigen Verkehrsführung. Am Ende landen wir dann sicher an der Location. Heute ist es mal keine zwielichtige Spelunke, kein alternatives Zentrum und kein metaliger ehemaliger Lok-Schuppen, sondern die Georg-Friedrich-Händel-Halle. Und in dieses Konzerthaus fallen heute reichlich dunkel gekleidete Gestalten ein.

Das Publikum ist gemischt aus naturverbundenen Mittelalterfans, Gothics und einer großer Portion kantiger Hünen, die recht schnell dem Black Metal zuzuordnen sind. Ein wenig erinnert mich diese Mixtur an das Dark Troll Festival das ich im Mai besuchen durfte, und ich fühle mich sehr wohl. Den beiden mitgereisten Damen geht es genauso und so genießen wir in der Menge noch das ein oder andere Getränk und gehen dann langsam in die erste Etage, um unsere Sitzplätze aufzusuchen.

….das etwas andere Konzert

Wir gehen in den Konzertsaal und sind etwas irrtiert, das hier bereits gedimmtes Licht von der Bühne fällt und Musik ertönt. Obwohl erst 20 Uhr Start sein sollte, ist hier bereits die Vorband SANGRE DE MUERDAGO fleißig am Werk. Wir schleichen also auf unsere Plätze und lauschen gespannt. Leider lauschen wir auch an-gespannt, denn der Sound ist seeeeehr leise, gerade auch bei den Ansagen des Sängers. Insgesamt ist die Musik eine Mischung aus Folk, mittelalterlichen Elementen und den Gesangsparts des Sängers. Auf mich wirkt es sehr naturverbunden, bodenständig und ländlich. Im Nachhinein betrachtet, war die Vorband vielleicht etwas zu ruhig, zu sanft und zu verträumt, im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte.
Aber eine schöne und entspannende Musik war es auf jeden Fall! Schade, das es in dieser Zeit im Saal noch recht unruhig war. Das ist nicht unbedingt das Feedback, was die Gruppe auf der Bühne verdient hat.

Das Ritual beginnt

Nach einer kleinen Pause, in der wir uns noch die Füße vertreten, huschen wir wieder auf unsere Plätze. Jetzt ist der Saal komplett gefüllt, alle Sitze belegt und der Saal wartet gespannt.
Es wird dunkel, und eine kleine mit Kapuze verhüllte Gestalt schleicht im Halbdunkel über die Bühne und fächert dabei den Qualm verbrennender Kräuter über die Bühne. Mit kurzem Getuschel sind wir uns einig, dass dies eine Weihung oder Reinigung des Platzes ist. Danach kommen die Bandmitglieder auf die Bühne, vereinigen sich zu einem Kreis und schwören sich miteinander ein, wobei ein Stimme Textzeilen vorgibt und der Rest diese wiederholt. Wie bei einem Gebet oder einem feierlichen Schwur.

Und dann beginnt die Show – wobei ich mich eigentlich scheue es so zu nennen, denn ich empfinde es nicht als Show! Dafür empfinde ich es als zu authentisch und echt.

Die Musik dröhnt und strotzt vor Energie und Kraft. Sie ist rudimentär, und in ihren Elementen „vorzivilisatorisch“ – das Wort habe ich im Publikum im Vorfeld aufgeschnappt und finde es überraschend treffend. Eine ganz schwierig zu beschreibende Mischung aus sehr kehligem und tiefen Gesang des männlichen Sängers Kai Uwe Faust, unterstützt von Percussionist und Sänger Christopher Juul und dem entrückten, teilweise klagenden Gesang der Sängerin Maria Franz. Dazu kommen teilweise noch Choräle der anderen Beteiligten auf der Bühne und Schreie, Rufe und Ausrufe die an instrumentalen Stellen folgen. Als Instrumente sind eigentlich nur verschiedene Schlagwerkzeuge im Einsatz, von einer sehr großen hängenden Trommel über diverse kleinere, bis hin zu Schwertern, Eisenstangen und Knochen auf die geklopft, geschlagen oder darüber geschabt wird. Die Texte der Lieder sind in verschiedenen Sprachen, vorwiegend alten Sprachen wie Gotisch, Latein alten nordischen Dialekten gehalten.

Reize für alle Sinne

Neben der raumeinnehmenden Musik sind auch alle Personen auf der Bühne passend gekleidet. Egal ob mit Fellen behangen, mit Ganzkörperbemalung verziert oder mit tierischen Elementen wie Hirschgeweihen geschmückt. Es passt einfach alles und verleiht der Musik optisch einen gelungenen Rahmen. Auch für die Nase gibt es etwas, denn die anfangs gefächerten Kräuter sind tatsächlich auch bei uns in der vorletzten Reihe noch gut wahrnehmbar. Und es sind an dieser Stelle auch die Feinheiten die mich begeistern. Im Normalfall bin ich immer derjenige der darauf pocht, das eine Bühne und ein guter Sound völlig ausreichen. Das drumherum ist für mich meistens nebensächlich.

Jede Kleinigkeit macht etwas aus!

Hier heute Abend dagegen sind es die viele Details die das Gesamtbild abrunden. Die sich schwarz verfärbende Trommel des Sängers, als er wie im Trance mit einer Fackel darauf spielt. Die Körper der Krieger auf der Bühne, die sich bei den Chorälen enthusiastisch in die gerufenen Worte hinein lehnen, um diesen Kraft zu geben. Die einzelnen Mitwirkenden auf der Bühne die sich an verschiedenen Stellen in Trance-artige Tänze hingeben und diese auch völlig individuell gestalten. Die oberkörperfreien Kriegerinnen, bei denen das unmögliche geschafft wird, nämlich einen nackten weiblichen Körper nicht sexualisiert einzusetzen, sondern natürlich wirken zu lassen. Der in sich zusammensinkende Sänger, während er sich in schrille Schreie steigert.

Diese Liste könnte noch lange fortsetzen, denn das was auf der Bühne gezeigt wird, fasziniert mich dadurch, dass es eben nicht wie eine Show wirkt, sondern wie ein wirkliches Ritual, ein Einblick in schamanische Elemente aus grauer Vorzeit. Und es wirkt auf mich eben auch so, dass die Beteiligten das auch selbst genauso wahrnehmen und keinen Auftritt präsentieren, sondern ihr Ritual durchführen und wir, das Publikum, das Glück haben diesem beiwohnen zu können. Dementsprechend abgerundet ist auch das Ende gestaltet, denn nachdem die letzten Töne – vor einem komplett stehenden Publikum – verklungen sind, kommt erneut die kapuzenverhüllte Gestalt auf die Bühne und verfächert den Qualm der brennenden Kräuter, bevor der frenetische Applaus einsetzt! Und zum ersten Mal denke ich mir, dass es sich falsch anfühlen würde, wenn es jetzt eine Zugabe geben würde.

Klänge für die Ewigkeit

Es ist gar nicht mal so einfach, etwas über ein Konzert zu schreiben, ohne dabei zu viel zu verraten. Denn das möchte ich hier ausdrücklich nicht tun! Ich finde es viel zu toll diese Eindrücke alle selbst zu sammeln und das Auge schweifen zu lassen. Und das wichtigste Element ist natürlich die Musik.

Ich war sehr gespannt wie es gelingt die beiden athmospärisch unglaublich tiefen Alben auf einer Bühne umzusetzen, noch dazu in einer so seriösen Umgebung wie einem solchen Konzerthaus. Aber ich kann verraten: Es gelingt bravourös! Die tiefe, kehlige Stimme des Sängers füllt, zusammen mit den Trommeln, den Raum bis in die letzten Winkel. Die Choräle peitschen kraftvoll durch die Reihen und auch kleinere Schlagwerkzeuge sind sehr gut vernehmbar und setzen Akzente. Interessant fand ich die Stimme der Sängerin, die auf den beiden Alben oft eher entrückt und zauberhaft-mystisch klingt. Live fand ich diese dagegen energischer, etwas kräftiger und manchmal ein wenig als Kontrast und nicht als zauberhaften Hintergrundgesang. Und das gefiel mir ebenfalls sehr gut.

Insgesamt schafft es diese Musik etwas in einem drin zu berühren, etwas animalisches, rohes und – heute in der modernen Gesellschaft – nicht mehr angesprochenes. Aber etwas das in jedem steckt. Mir persönlich geht es so, dass ich mich zu den Kriegern auf der Bühne einreihen möchte! Ich möchte Teil des treibenden Rhythmus werden, möchte selbst die große Trommel schlagen und mich in Ekstase tanzen. Und ich kann mir vorstellen welche Wirkung solche Rituale und Elemente auf die damaligen Naturvölker gehabt haben. Und natürlich auch wie bedrohlich das alles auf vermeintlich zivilisierte Völker und Invasoren gewirkt haben muss.

Fazit:

Ich, nein wir sind begeistert. Selbst meine hochschwangere Freundin verbringt das letzte Lied im Stehen, denn auf den Sitzen hält es hier keinen mehr. Wir sind uns einig, dass das gerade gesehene etwas ganz besonderes und spezielles ist. HEILUNG schaffen es die Zuschauer mitzureissen und in eine völlig andere Epoche zu ziehen, und dabei völlig authentisch zu wirken. Und musikalisch wird hier ein Nische besetzt, die irgendwo zwischen Pagan, Folk, Mittelaltermusik und Naturklängen einzuordnen ist. Und dabei ist diese gleichzeitig so zugänglich, dass sich die Zielgruppe weit weit über Metalfans hinaus erstrecken kann, und andererseits so extrem und speziell ist, dass sich niemand damit vergleichen kann.

Ich bin nun gespannt, was hier folgen wird, wie zukünftige Alben sich gestalten werden und auch ob sich auch zukünftige Auftritte auf solche Locations beschränken, oder ob diese Tournee eine Ausnahme bleibt.

Wir hatten Heilung zuvor schon – kurz – auf dem Hellfest 2018 gesehen, und wollten uns dann den Auftritt auf dem Wacken 2018 anschauen. Der war leider von enormen technischen Problemen geplagt und wurde der Band gar nicht gerecht. Das was dagegen heute Abend geboten wurde, war schlicht und ergreifend: GROßARTIG!!

Ps.: Fotos von dem Abend haben wir dieses Mal keine. Das finde ich im Nachhinein aber auch gut, denn man sollte die Show einfach selber gesehen haben! Wer sich aber dennoch einen Eindruck verschaffen möchte, dem lege ich diesen Auftritt ans Herz, der vom Youtube-Kanal der Band hochgestellt wurde:


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