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Heilung & The Hu – gleiche Vibes aber komplett unterschiedlich!
Pferde satteln
PATRICK BURKHARDT (seit einiger Zeit mein Stammfotograf) und ich sind gemeinsam vom Rande Hamburgs mit dem Auto nach Kiel gefahren. Unser Ziel: einen nahegelegenen Parkplatz finden. Da die Wunderino Arena, die für 13.000 Konzertbesucher ausgelegt ist, der Länge nach abgetrennt ist, ist der direkt nebenan liegende Parkplatz dementsprechend „leer“. Also, knapp 6.000 Besucher werden wohl erwartet. Dort angekommen, treffen wir uns erstmal mit dem Fotografen JOBST MESE, von dem wir auch den Tipp mit dem Parkplatz haben. Schön zu sehen, dass es auch unter den Fotografen nicht nur Konkurrenz, sondern Freundschaften gibt! Gemeinsam machen wir uns auf, die Halle zu erstürmen. Kleiner Service-Tipp am Rande: Die Kassen sind rechts unterhalb der Treppe zum Haupteingang! Also wieder raus, Tickets abholen und erneut anstellen. Ja, wir waren schon drin, als man uns das mitgeteilt hat.
Nach diesem kleinen Missverständnis, sind wir dann auch in der Halle angekommen und JOBST entdeckt jemanden, mit dem er reden will. Später erfuhren wir, dass es der Frontmann von HEILUNG ist. Verdammt – Fotomöglichkeit verpasst.
In der Halle zeichnet sich ab, was wir in der Schlange vor der Halle bereits sahen. Das Publikum ist wild durchwachsen – sowohl im Alter als auch im Stil. Jung und Alt, die meisten so im mittleren Alter. Alternative, Metal, Gothic und natürlich deutlich vermehrt Pagan Anhänger mit Tierfellen und sonstiger Szene bedingter Kleidung sind optisch hauptsächlich vertreten. Das schließt auch vereinzelte Oberkörper freie Männer ein. Mehr dazu später.
Wilder Ritt durch die Prärie
Während die Fotografen PATRICK und JOBST es sich im Fotograben gemütlich machen, suche ich mir eine gute Stelle, um sowohl das Publikum als auch die Bühne im Auge zu behalten. Dann startet das Konzert: Um 19:44 Uhr wird es kurz dunkel und blaue Scheinwerfer tauchen den Einmarsch von THE HU in kühles Licht. In der Bühnenmitte thront eine drei Meter hohe aufblasbare Figur – Oberkörper, Arme und Kopf eines mongolischen Kriegers – flankiert von zwei Schlagzeugern.
Nur die Uhrzeit irritiert mich, denn laut meinen Informationen soll es um 20:00 beginnen. Aber dieses Problem mit den verschiedenen Einlass- und Beginnzeiten wird es wohl immer geben.
Insgesamt gibt es neun Songs zu hören. Das Set legt mit „Black Thunder“ eher ruhig los, lädt aber schon zum Headnicken ein, was das Publikum auch direkt tut. Erst in der zweiten Hälfte legt der Track richtig los und die ersten Haare fliegen. Auch die von THE HU, die auf der Bühne Ventilatoren haben, um ihre Haare fast dauerhaft wehen zu lassen. Natürlich lasse auch ich meine Haare fliegen, denn nur beobachten liegt mir nicht. Das „Hu hu hu“ wird ohne Anweisung direkt vom Publikum mitgetragen. Das hat schon was Archaisches. Danach gibts direkt ein „Danke schön!“ Es sind zwar nur zwei Worte, aber ich finde die Geste schön, wenn eine ausländische Band sich in der Landessprache bedankt. Das zeigt eine Art Wertschätzung und die haben THE HU den ganzen Abend über.
Ansonsten machen die Jungs nicht viele Ansagen. Außer den Namen ihrer Songs. Anweisungen zum Klatschen oder dergleichen muss die Band auch keine geben, denn das macht das Publikum von alleine. Wenn auch ein wenig zu selten, meiner Meinung nach, da die Rhythmen doch fast durchgängig zum Klatschen einladen.
Dann folgt ‚Lost‘, auch ‚Tuurugdul‘ genannt –ein Song, der bisher leider nur live gespielt wird, aber ebenfalls komplett ins Set passt. Eine kraftvolle Nummer!
Zwischen „Grey Hun“ – ebenfalls ein reiner Live-Track – und dem IRON MAIDEN Cover „The Trooper“ wird gemeinsam mit dem Publikum „Happy Birthday“ gesungen. Das Witzige ist, wie das Publikum an der Stelle „Happy Birthday dear …..“ in ein kollektives Murmeln verfällt, weil niemand den Namen des Geburtstagskindes auf dem Schirm hat. Aber alle müssen lachen.
Natürlich werden auch die beiden Lieder gespielt, die die Band überhaupt erst berühmt gemacht haben! „Yuve Yuve Yu“ und „Wolf Totem“. Das lässt die sowieso schon kochende Stimmung um einige Grad steigern. Auch meine, da sie meine Lieblingslieder der Band sind.
Den Abschluss bildet dann „This Mongol“.
Das große Ritual kann beginnen
Nun ja, hier stehe ich vor einem Problem. Wie beschreibe ich nun das Erlebnis HEILUNG? Das ist gar nicht so einfach. Denn hierbei handelt es sich nicht um ein reines standardisiertes Konzert. Sondern wirklich ein Erlebnis. Aber ich versuch es einfach mal.
Als THE HU die Bühne verlassen, wird der Vorhang vorgezogen mit einem weißen Symbol drauf. Und zusätzlich werden von Band das Rauschen eines Meeres an der Küste und Vogelzwitschern abgespielt. Eventuell um das Publikum schon einmal einzustimmen. Leider ist dieses zu laut und so gehen die Geräusche eher unter.
Gegen 21:00 Uhr geht es los. Licht aus, Vorhang weg und man sieht das Bühnenbild. Der mongolische drei Meter Krieger ist einer Waldlichtung gewichen, die in Nebel getaucht ist. Dann betritt Frontmann/Schamane Kai Uwe Faust die Bühne und wird von einem der Trommler begleitet. Gemeinsam verteilen sie Rauch auf der Bühne und in das Publikum. Eventuell ein Reinigungsritual, bei dem er immer wieder rhythmisch mit dem Fuss aufstampft. Mittlerweile ist auch die Anzahl an nackten männlichen Oberkörpern gestiegen. Eine neben mir stehende Gruppe aus fünf solcher Herren versucht, die Männer um sie herum dazu zu bewegen, sich oben rum frei zu machen. Und während des Rituals ließen sich dann auch einige überzeugen.
Schon beim dritten Stampfen klatschen einige aus dem Publikum im Takt mit, während der Schamane einiges vom Rauch aus seiner Räucherschale auch ins Publikum verteilt.
Dann spricht er einige Worte in einer mir unbekannten Sprache. Es könnte eine nordische sein oder eine erfundene.
Dann kommt der Rest der Band inklusive Sängerin Maria Franz unter rhythmischem Klatschen auf die Bühne. Alle bilden einen Kreis und der Schamane spricht auf englisch die Worte:
„Remember that we all are brothers
All People, beasts, trees
and stone and wind
We all descent from the one great being
That was always there
before people lived and named it
Before the first seed sprouted“
Und für mich als jemand, der das erste Mal auf einem HEILUNG Konzert ist, wirkt es zuerst befremdlich. Der Schamane spricht eine Zeile und das Publikum spricht nach. Wie beim Gebet. Spätestens nach der dritten Zeile sprechen immer mehr die Zeilen nach. Hier ist es ein wenig blöd für mich. Ich hätte das auch gerne gemacht um das Gesamterlebnis ebenso zu erleben, aber ich bin ja auch als Beobachter vor Ort und wollte soviel der Stimmung und des Rituals einfangen.
Nach dem Gespräch löst sich der Kreis auf und die Band sucht sich ihre Plätze auf der Bühne und das eigentliche Konzert geht los.
Alleine diese Opening-Zeremonie geht knappe 10 Minuten.
Das eigentliche Ritual/Konzert
Dann geht es los. Sehr minimalistische Melodien, die von Rhythmen dominiert werden. Es wird sehr viel mit Licht und Dunkelheit gearbeitet. Das ganze wird durch den Rauch natürlich noch verstärkt, weil man so auch mit Lichtkegeln und dergleichen wirklich gut spielen kann. Im Hintergrund steht eine Trommel mit Lederfell, das Richtung Publikum zeigt. Und zu einem späteren Zeitpunkt lassen HEILUNG auf dieser Trommel Runen aufleuchten. Vermutlich auch nur für die Atmosphäre. Man merkt, dass hier eine Geschichte erzählt wird. Leider geht einem einiges davon verloren, wenn man die Sprache nicht beherrscht, was bei mir der Fall ist.
Das tut aber der Wirkung des archaischen Klanges keinen Abbruch, wenn man es schafft, sich darauf einzulassen und den Körper auf die Rhythmen reagieren zu lassen. Immer wieder sehe ich Menschen, um mich herum, die sich diesen Klängen und Rhythmen hingeben und deren Körper wild und fast schon in Ektase hin und her schaukeln. Dies also als Ritual zu bezeichnen ist mehr als passend.
Zum Schluss stehen alle wieder im Kreis und werden mit Rauch und Feder durch den Sänger und Trommler gereinigt oder gesegnet.
Fazit Sven
Was meine ich in der Überschrift mit „Gleiche Vibes, aber komplett unterschiedlich“?
Nun ja, beide Bands rufen etwas Archaisches in einem hervor. Eine Art Urinstinkt oder Urgefühl. Dies tun sie aber eben auf komplett unterschiedliche Weise. Während dies bei THE HU mit den Lauten „HU HU HU“ Rufen hervorgebracht wird, so tun HEILUNG dies durch ihre Inszenierung und vor allem die Trommeln. Aber beides löst eine Art Rückbesinnung auf sehr einfache Gefühle und Verhaltensweisen aus. THE HU durch den Einsatz von rotem und gelben Licht, so wie Strobolicht, welches im Rhythmus aufflackert. Und HEILUNG eben durch sehr minimalistische Melodien und viele Rhythmen.
Vergleich mit dem Auftritt auf dem M’ERA LUNA
Ich bin froh, dass ich unmittelbar, ja paar Wochen waren es, den Vergleich zu einem Open Air hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass HEILUNG auch auf einem Open Air Festival funktioniert. Und ja, es gibt Punkte, die mich gestört haben. Aber insgesamt, war ich überrascht, wie gut sie es auch Open Air rüber gebracht haben. Ihr Vorteil? Sie hatten den Slot als zweiter Headliner, also schon mal Dämmerlicht, das ins Dunkle überging. Was hat nicht geklappt? Der Rauch fürs Publikum kam natürlich beim Open Air nicht an. Dafür haben die Gäste leider mit ihren Joints für den Nebel gesorgt. Genervt haben auf’m M’ERA LUNA die Bierverkäufer, die sich durchs Publikum gedrückt haben. Und die verstrahlten Menschen, die unbedingt von Links nach Rechts oder umgekehrt, während des Rituals wollten. Und natürlich war das Set von zwei Stunden auf eine Stunde 15 gekürzt.
Aber dafür habe ich hier deutlich besser sehen können, wie die Musik und ihre Wirkung wie ein Virus um sich griff und immer mehr Menschen anfingen, sich dem Takt der Musik richtig hinzugeben.
Mehr zu HEILUNG findet ihr hier.
THE HU hier.
Infos zu FKP Scorpio gibt es hier.
Und zur Wunderino Arena in Kiel müsst ihr hier entlang.
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