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Im Sog der Schwere – Doom Over Leipzig: Tag 3

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Und schon ist es Samstag und der letzte Tag des Doom Over Leipzig angerückt.

Endete der gestrige Freitag (zumindest hier im UT) mit einer Drei-Mann-Band, so ist es heute ebenfalls ein Trio, das den Abend eröffnet. Es handelt sich um die Schweden von MONACHUS, die mir im Vorfeld absolut kein Begriff gewesen sind. Aber heidewitzka! Was die Jungs hier abliefern, raubt mir bereits nach wenigen Takten die Fähigkeit still zu stehen! Extrem druckvoll, atmosphärisch und sowohl mit starken Songs, als auch tollem Sound ausgestattet, bauen die Jungs aus Göteborg eine Klangwand auf, die mich völlig überfährt und flutenartig mitreißt. Ich erinnere mich an den Auftritt von AMENRA, auf dem Doom Over Leipzig vor zwei Jahren, der bei mir ein vergleichbares Gefühl hinterlassen hat. Seitdem habe ich kaum ein Konzert gesehen, das genau in die gleiche Kerbe geschlagen hätte. Dabei sind MONACHUS mit ihrer Kombination aus Sludge, Post Metal und Doom alles andere als ein Abklatsch der Belgier und lassen auch niemanden an Fleischerhaken von der Decke hängen. Dennoch ist der Auftritt sehr eindrücklich, wofür vor allem die schwer groovenden Songteile verantwortlich sind, die sich immer wieder mit ruhigeren, aber spannungsgeladenen Parts abwechseln und so durchaus ein Faible für Bands der Marke CULT OF NEURISIS offenbaren – jedoch ohne stumpf abzukupfern. Unbedingt auf dem Schirm behalten!

Im Anschluss spielen COME TO GRIEF und haben direkt gar nichts mehr mit Atmosphäre zu tun. Der „Suicidal, Depressive Sludge Metal“ des Quartetts aus Boston erinnert mich hier und da an EYEHATEGOD, jedoch mit deutlich mehr Doom-Schlagseite, tieferen Gitarren – und nicht so guten Songs. Denn nachdem mich MONACHUS gerade eben noch gut abholen konnten, wirkt das Set von COME TO GRIEF ziemlich arm an Höhepunkten, weshalb sich die 40 Minuten Spielzeit ziemlich dehnen. Auch wenn Sänger Jonathan Hébert seine Verzweiflung hemmungslos in die Welt, oder besser: in den Saal kreischt, lösen COME TO GRIEF keinerlei emotionale Regung bei mir aus, zumal Gitarrist und Gründer Terry Savastano (Ex- GRIEF) mit seiner spürbaren Bewegungsfreude die Grundstimmung etwas konterkariert und seine Mitstreiter hinter sich verschwinden lässt. Ein Auftritt, der mir nicht viel gibt, die Leute aber auch nicht aus dem Saal jagt.

Die Finnen von SINK wildern danach in vollständig anderen Gefilden. Davon, dass die Band unter Drone/Black Metal bei metal-archives.com geführt wird, ist heute nur bedingt etwas zu spüren. Als würde man DEPECHE MODE, Elemente der SWANS und MENACE RUINE miteinander in einen Mixer werfen, konstruieren SINK einen Sound, der sich nicht nur von den anderen Bands des Doom Over Leipzig abheben dürfte. Bereits beim Anblick von Saxophon und Klarinette auf der Bühne, machen Hirn und Herz Freudensprünge, darauf gefasst, gleich einen Ohrgasmus nach dem anderen zu bekommen. Weckte das letzte Album „Ark Of Contempt And Anger“ vor den heimischen Boxen im Vorfeld Interesse und Lust auf mehr, so weiß der Gesamtsound von SINK live leider nicht ganz so sehr zu fesseln. Obwohl ich den Songs absolut das Potenzial beimesse, hypnotische Stimmung zu erzeugen, kommt es heute, zumindest bei mir nicht dazu, und lässt den Auftritt etwas an den Erwartungen scheitern, die ich an ihn hatte.

Und das Tempo wird wieder angezogen. Die vermutlich einzige Band des Festivals, die deutliche Death-Metal-Einflüsse aufweist kündigt sich an: INTER ARMA.
Zwischen schweren Doomparts, stampfenden, mitunter repetitiven Riffs und eruptiven Blastattacken, schwankt das Quintett aus Virginia unfassbar präzise und schaltet von einer Sekunde auf die nächste von Hochgeschwindigkeit auf Zeitlupentempo um. Besonders Schlagzeuger T.J. Childers haut mich mit seiner Leistung völlig aus den Socken, und hinterlässt nicht nur bei mir einen bleibenden Eindruck! Auch wenn ich emotional nicht so richtig weiß, was ich genau fühlen soll, reißen mich INTER ARMA mit den vor allem vom letzten Album „Paradise Gallows“ stammenden Songs mit. Was die Jungs aus Richmond hier abliefern grenzt an Hochleistungssport! Sicherheitshalber würde ich nach diesem Auftritt mal nen Gutachter ins UT schicken, um zu checken, ob die Statik nicht nen Knacks wegbekommen hat!

Wir kommen zum Höhepunkt des Festivals und wenn ich mir den dicht gedrängten Saal so anschaue, bin ich mit diesem Eindruck nicht alleine. Kaum ein freier Zentimeter lässt sich im UT noch finden, zumal es den Anschein erweckt, als hätten viele Leute das Doom Over Leipzig nur heute und zu einem Anlass besucht: WOLVES IN THE THRONE ROOM.

Lange und ausgiebig wird die Bühne umgeräumt, das Schlagzeug umgebaut und mehrere drei Meter hohe Banner aufgestellt. Bereits im Vorfeld ließen sich überall im Raum Schilder finden, auf denen strengstens davon abgeraten wurde Fotos mit Blitzlicht zu machen. Man darf also darauf schließen, dass die Show in nicht allzu grellem Schein erstrahlen wird.

Und tatsächlich wird die Bühne nahezu nicht beleuchtet, einzig die Banner werden angestrahlt und kleine Lampen an den Gitarren spenden etwas Licht. Doch bevor der erste Ton erklingt, werden Baumzweige und Blätter verbrannt, um das UT in den passenden Geruch zu hüllen. Es bahnt sich kein Konzert an, sondern ein Ritual.

Nachdem die live zum Quintett angewachsene Band mit „Dea Artio“, dem Opener des zweiten Albums „Two Hunters“ in ihr Set startet, gibt es spätestens mit dem folgenden „Vastness and Sorrow“ kein Halten mehr. Köpfe rotieren, Haare fliegen, minutenlange Blastbeats fegen durch die steinerne Halle.

Bis zum letzten Song verbleibt die Bühne in Dunkelheit, während zwischen den Songs immer wieder aufs neue Zweige verbrannt werden und die Publikumsinteraktion einzig im recken der Weinflasche besteht. Doch scheiß drauf, wer braucht hier Licht, wer braucht hier Gelaber? Es geht einzig und allein um die Songs, und die packen bis zum abschließenden „Queen Of Borrowed Light“ so ziemlich jeden Besitzer zweier Ohren im Raum.

Noch Minuten nachdem der letzte Ton verklungen ist, tobt der Beifall im Raum und lässt die Hoffnung auf eine Zugabe steigen, zumal das Saallicht nicht angeht und auch keine Instrumente von der Bühne geräumt werden. Doch was jetzt kommt ist keine Zugabe der Band aus Washington, sondern COMMON EIDER, KING EIDER.

Dass die Band schon spielt, bemerke ich allerdings nicht sofort. Denn zum einen ist die Bühne weiterhin in völlige Dunkelheit gehüllt, zum anderen ist die Musik weder laut genug, um sie als Auftritt wahrzunehmen, noch hebt sie sich sonderlich von der sonstigen Pausenmusik ab. Deshalb dauert es eine Weile, bis ich mir dessen Gewahr werde, dass hier bereits eine Band auf der Bühne steht. Oder besser sitzt. Denn COMMON EIDER, KING EIDER bestehen nur aus zwei Mitgliedern, die hockend Trommeln, Gongs, Pedale und eine Violine bespielen, dabei jedoch erst langsam von den noch im Raum verbliebenen Zuschauern zur Kenntnis genommen werden.
Es herrscht das gleiche Phänomen, wie tags zuvor bei GROUPER: die Musik selbst ist nicht laut und vereinnahmend genug, als dass sie die Geräusche und Gespräche übertönen könnte und verkommt, so zumindest mein Eindruck, für viele zu einer Randnotiz, für die das Festival mit WITTR bereits geendet hat. Dennoch sammelt sich nach und nach ein beschauliches Grüppchen vor der Bühne, was dem Duo nach dem Auftritt auch angemessen applaudiert.
Dennoch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Großteil der Besucher bereits verschwunden ist und das Festival somit eher seicht und plätschernd ausklingt, als mit einem Hammerschlag zu enden.

Wieder einmal ist ein Doom Over Leipzig vorbei. Wieder konnte ich leider nicht alle, der zahlreichen Angebote und Möglichkeiten nutzen. Wieder einmal gab es Bands, die mich vom Hocker gerissen haben, Neuentdeckungen und Enttäuschungen. Was bleibt, ist der erneut bestätigte Eindruck, dass das Doom Over Leipzig im Süden der sächsischen Metropole ein Garant für eine Sammlung hochkarätiger Namen experimenteller, avantgardistischer und eindrucksvoller Nischenmusik ist und bleibt, weswegen ich der Swansea Constellation auch in diesem Jahr dafür danken möchte, ein Festival auf die Beine gestellt zu haben, das in puncto Location, Bandauswahl und Gesamtangebot nur schwerlich an irgendetwas anderem zu messen ist, das mir bekannt wäre.

Auch wenn die Preisentwicklung in den letzten Jahren klar erkennbar nach oben ging, (was vielleicht auch mit der diesjährigen Bandauswahl zusammenhängt) bietet das Doom Over Leipzig immer noch ein Preis-Leistungs-Verhältnis, das mehr als akzeptabel ist. So haben sich auch in diesem Jahr die Fahrten rüber nach Leipzig für mich gelohnt und bereits jetzt blicke ich dem nächsten Jahr entgegen, gespannt der Dinge, die dann auf mich und zahlreiche weitere Besucher warten werden.

Danke UT, danke Swansea, dangä Leipdsch!

 

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