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JINJER im Interview – Weg von „female-fronted“!

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Es ist Dienstag, und in Wiesbaden steigt heute ein Konzertabend mit gleich vier Bands im Schlachthof. Die Halle ist voll, die ersten beiden Gruppen sind mit ihrem Set bereits durch. Gerade geht die Umbaupause für WINTERSUN los. Perfekt, mal kurz in den Backstagebereich zu huschen, um mit JINJER ein Interview zu führen. Bereits fertig mit ihrem heutigen Gig, sind die jungen Musiker gut drauf und nehmen sich Zeit für Fragen. Basser Eugene lädt mich dazu in den Tourbus ein. Mal sehen, ob wir vor der nächsten Band fertig werden.

S: Hallo! Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst! Ziemlich viel los hier im Backstagebereich.

Eugene: Kein Problem. Lass uns loslegen.

S: Ihr seid ja ziemlich mitten drin in der Tour in dieser Konstellation. Wie läuft es damit so?

Eugene: Eigentlich sind wir schon ziemlich am Ende, weil wir nicht mit nach UK gehen werden. Wir mit JINJER sind morgen bereits fertig. Saarbrücken ist der letzte Gig in diesem Package. Danach kehren wir für einen Monat zurück nach Hause und gehen später wieder auf Tour. Aber die Tour in dieser Konstellation war wirklich großartig. Sehr unterschiedliche Bands und Genres, und sehr nette Leute mit dabei. Ich habe es sehr genossen.

S: Das Konzert heute ist ja auch fast ausverkauft, obwohl es unter der Woche stattfindet. Hattet ihr das öfters?

Eugene: Ja, das war eigentlich sogar meistens so. Mehr als jede zweite war komplett ausverkauft. Wir sind immer als erste Band gegen sechs Uhr auf die Bühne gegangen, und da war es meistens immer schon ziemlich voll. Besonders in Deutschland. Die Deutschen mögen JINJER scheinbar.

S: Mit WINTERSUN und ARCH ENEMY sind ja wirklich namenhafte Bands mit dabei. Habt ihr erwartet, dass das für euch so einen Schub gibt, und deren Fans so empfänglich für eure Musik sind?

Eugene: Wir haben uns über dieses Feedback sehr gefreut. Wir sind momentan ja wirklich mit Bands unterwegs, die bereits Legenden sind. ARCH ENEMY haben eine lange Geschichte und eine sehr große Fanbase. Mit ihnen zusammen zu spielen hilft uns natürlich, glücklicherweise, neue Fans zu gewinnen. Auf der anderen Seite denke ich aber, dass das ein Stück weit auf Gegenseitigkeit beruht. Dadurch, dass wir eine mehr moderne Metalband sind, kommen auch eher deswegen Fans zu den Konzerten, die sie dann aber auch für sich gewinnen können. Es ist wirklich so, dass es Leute gibt, die unsere Musik hören und vorher nichts mit ARCH ENEMY zu tun hatten. Die hören sich die dann aber an und finden deren Musik eventuell auch cool. Live sind sie ja wirklich sehr gut. Das bringt ihnen auch was. Natürlich können wir mit JINJER auf dieser Tour in dieser Hinsicht mehr profitieren als ARCH ENEMY, aber es gibt trotzdem diese Wechselseitigkeit.

S: Könnt ihr euch mit JINJER irgendwo zwischen WINTERSUN und ARCH ENEMY einordnen? Oder stellt sich diese Frage für euch nicht?

Eugene: Oh, das ist schwer zu beantworten. Ich denke eigentlich, wir sind von beiden gleich weit entfernt. Vielleicht etwas weiter weg von WINTERSUN als von ARCH ENEMY. Aber JINJER mit diesen beiden Bands vergleichen… puh, eigentlich sind wir da dann näher an MESHUGGAH. So ist es einfach. Es geht da im stilistische Unterschiede.

S: Ihr kommt ja aus der Ukraine. Würdet ihr sagen, ihr stellt eine typische Metalband für dieses Land dar? Oder kann man das nicht sagen? Viele Leute hier kennen ja gar nicht so viele Bands aus diesem Land.

Eugene: Das stimmt, es gibt wirklich nicht sehr viele Bands aus der Ukraine, die in Europa wirklich bekannt sind. Aber wir haben durchaus gute Bands aus eigentlich allen Metal Genres. Wenn ihr wollt, könnt ihr ja mal ein paar checken. SPACE OF VARIATIONS sind gut, VALLEY CARNOW, oder MEGAMOS, die sind sehr cool. Das Problem in der Ukraine sind also nicht die Bands, sondern die Hörer. Es gibt kaum Metalfans, und daher kaum eine nennenswerte Szene. Das ist eher das Problem.

S: Wie steht ihr eigentlich zu diesem ganzen Thema „female fronted“? Das wird ja immer noch wie ein eigenes Genre behandelt, obwohl es auf der einen Seite Bands wie EPICA oder NIGHTWISH  gibt, und daneben welche wie JINJER oder ARCH ENEMY.

Eugene: „Female fronted“ ist kein Genre. Ich will jetzt auch niemandem ans Bein pinkeln, aber wir hassen diese Bezeichnung. Es ist einfach kein eigenes Genre. Es gibt nicht extra „female fronted Metal“. Das ist Bullshit. Wenn jemand im 21. Jahrhundert Bands nach dem Geschlecht des Sängers unterscheidet, ich meine, komm schon. Das ist doch Bullshit. Ich verstehe auch die Leute nicht, die ausschließlich „female fronted Bands“ hören. Kommt schon! Seid ihr wirklich Zuhörer oder schaut ihr nur hin? Wenn ihr nur Frauen anschauen wollt, dann geht zu einer Modenschau! Viele Frauen tragen schöne Klamotten. Ok.

Es gibt keine wirkliche Antwort auf diese Frage. Es gibt auch Drag-Bands mit Sängerinnen, die eigentlich Typen sind. Aber es ist doch wichtiger, was sie spielen, wie sie singen. Aber nicht das Geschlecht.

S: Es ist eben auffällig, dass immer noch eine Diskussion darum existiert, dass es Metalbands mit Sängerinnen gibt.

Eugene: Klar. Aber ist das ein Grund, eine Band zu hören oder nicht? Eigentlich nicht. Bei der Frage sollte es doch nur darum gehen, wie gut sie sind. Ich kenne die Diskussion auch, und klar, die Leute kommen zum Konzert und sehen, dass da auch eine Frau auf der Bühne steht. Aber ich habe Probleme mit sowas.

S: Ja, mich hat bei der Thematik einfach immer schon die Sicht von einer betroffenen Band interessiert.

Eugene: Das freut mich. Bei uns war es nicht mal so, dass wir so eine Konstellation bewusst wollten. Wir haben ursprünglich ja mit einem Sänger angefangen. Tatiana hat ihn später ersetzt. Es gab nie einen Plan über die genaue Art der Besetzung am Gesang. Diese Beachtung davon kam erst, als wir an Popularität gewonnen hatten und die ersten Videos mit ihr auf Youtube geklickt wurden. Das hat uns echt angepisst. Wenn uns nur jemand hört, weil wir Tatiana an den Vocals haben und weil sie eine Frau ist, geh einfach weg. Hör dir doch bitte ihre Stimme an, wie sie singt, was sie für musikalische Ideen hat! Setz dich mit unserer Musik und unseren Lyrics auseinander! Dann verstehst du, worum es der Band geht.

S: Ist es für euch ein Problemn, mit Bands unterwegs zu sein, die andere Metalgenres bedienen? Oder wie fühlt ihr euch dabei?

Eugene: Das ist uns eigentlich egal. Wir sind ja auch schon mit anderen Bands aus verschiedenen Genres, wie etwa mit CRADLE OF FILTH getourt. Das ist ziemlich cool. CRADLE OF FILTH zum Beispiel höre ich persönlich gar nicht. Als ich fünfzehn war, schon. Ich respektiere, was sie machen. Mit ARCH ENEMY ist es genau dasselbe. Ich höre ihre Musik zur Zeit nicht. Aber als ich sechzehn war, habe ich ihr erstes Album gehört und ihre Musik wirklich geliebt. Es war guter, moderner Metal. Ich bin nur etwas daraus herausgewachsen. Aber es ist cool und ich finde es super, mit ihnen auf der selben Bühne zu stehen. Es ehrt mich wirklich. Das gilt auch für CRADLE OF FILTH. Ich denke nicht groß darüber nach, so verschiedene Bands in den Packages zu haben. Das ist ok. Das heißt nicht, dass ich nicht mit Bands wie PERIPHERY touren wollen würde. Oder generell Bands aus unserem Genre mit modernem progressivem Metal. Das wäre natürlich auch ok.

S: Habt ihr dann überhaupt eine Präferenz, eher eine Clubshow oder auf einem Festival zu spielen?

Eugene: Nein, ehrlich gesagt nicht. Jede Show ist anders, aber sie haben alle etwas Gutes. Open Airs genauso wir Clubshows, ob groß oder klein. Es hat schon etwas, wenn die Fans nur einen Meter vor einem stehen. Die Atmosphäre ist ja auch jedes mal anders. Sie muss schon auch cool sein, das zählt. Wenn man in einer Halle mit einer Kapazität von 200-300 Leuten spielt und sie ist wirklich voll, jeder schwitzt, und der Moshpit ist direkt vor dir, das ist super. Genauso aber, auf einem Festival zu spielen und nicht zu sehen, bis wohin die Leute stehen. Es hat beides was.

S: Ich sehe, ihr seid gut drauf und schaut positiv in die Zukunft.

Eugene: Absolut. Alle in der Band sind sehr offen für neues. Eigentlich jeder von uns hört auch unterschiedliche Sachen. Von CANNIBAL CORPSE bis CYPRESS HILL. Dann plötzlich KORN und KATATONIA. Und dann PINK. Das macht uns aus.

 

Nach dem Interview war ich echt geflasht. Eugene ist ein grundsympathischer Typ, der eine sehr klare Meinung hat zu seiner Band und mit guten Argumenten darüber reden kann. Er kennt sich sehr gut in der Szene aus und weiss JINJER darin sehr gut einzuorten. Und ihm ist bewusst, weshalb die Band so funktioniert, wie sie es tut, und er hat eine genaue Vorstellung davon, wie sie wahrgenommen werden wollen. Das Thema mit der Frau am Gesang schien ihm wirklich wichtig zu sein, bzw. ein Dorn im Auge, dass eine solche Besetzung immer noch so eine eigene Diskussion hat. Im Metal ist Gleichberechtigung in der Hinsicht scheinbar daher wirklich noch nicht komplett angekommen, und Leute wie er wünschen sich, dass es noch mehr als normal angesehen werden sollte, wenn in Metalbands eine Frau mitmischt. JINJER sind dafür auf jeden Fall ein interessanter Kandidat, den man im Auge behalten sollte.

 


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