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KHMER – Quickie im Therapiezimmer

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KHMER – Larga sombra
Veröffentlichungsdatum: 11.08.2017
Länge: 25:07 Min.
Label: WOOAAARGH
Stil: Blackened Crust

Black Metal in kurzlebige Teppiche aus Crust-Punk einweben – ist das jetzt noch trendig oder schon ausgelutscht? Der Stoff für Blackened Crust-Bands scheint nicht auszugehen, auch KHMER wollen dazu einen Teil beitragen. Sie gehören wie SUNLIGHTS BANE und etliche andere zu den Kandidaten, die sich seit ca. 2010 mit allem herumschlagen, was die Genre-Väter so verzapfen. Nach vielen Splits und EPs ist die Zeit des Frohlockens für diese Zeitgenossen irgendwann vorbei. Wenn der Ernst des Lebens beginnt, heißt es, eine LP auf die Beine zu stellen. KHMER umgehen das geschickt: das Album ist nur knappe 24 Minuten lang. Jedoch rechtfertigt sich die kurze Dauer selbst, sobald die ersten Noten erklingen. Für ihren ersten Anlauf präsentieren die Spanier schnelle, feindselige Songs, die es in sich haben.

Symbiotisch synkopisch

Dabei stellen die Texte keine Ausnahme dar. Hier wurden die Zeilen nicht immer leichtfertig zusammengewürfelt. Vielmehr wurden liebevoll dunkle, persönliche Themen miteinander verwoben. In der Muttersprache der Gruppe sind diese umso klischeebefreiter, was an der von englischer Sprache geprägten internationalen Szene liegen dürfte. Dank der guten Übersetzung begreift das trotzdem jeder Hörer außerhalb Spaniens. Auch wenn sich diese Ausflüge in Selbstzweifel, Suizid und Gesellschaftskritik manchmal stark verlaufen, so sind Absicht und Grundgedanke immer erkennbar. Oberlehrerhaft kommen die Zeilen, aus zum Beispiel „El Ardor De La Crueldad“ und „Perdiste El Filo“, trotzdem oft herüber. An der allgemeinen Schatten-Thematik habe ich jedoch nichts auszusetzen.

I took root in the ashes but not even the ruins are mine / I’m only the tenant of a strange winter that stretches out every day. –„A Este Lado De La Luna“

Mit der textlichen Ebene Hand in Hand geht jede Note eine Symbiose ein. Das erste lohnenswerte Hörbeispiel bei dem das gelingt, ist gleich die Eröffnungswumme „Larga Sombra“. Aggressiver synkopischer Hardcore bestimmt diesen zweiteiligen Titel-Track. Neben aggressivem Hybrid-Gesang aus Screams und Shouts, behaupten die eintönigen Gitarren ihre Vorherrschaft. Im Mittelteil wird in einem besonders rhythmisch angehauchten Abschnitt das Schlagzeug stärker inszeniert. Genau an dieser Stelle hat der Drummer leider einen traditionalistischen Anfall und spielt bei Weitem nicht so versiert wie auf dem zweiten Track „Perdiste El Filo“. Meinen Erwartungen entgegen, setzt die Gruppe auch im weiteren Verlauf gar nicht auf einzelne, besonders bestechende Elemente. Stattdessen wirken die Songs über die kurze Spielzeit immer gleich auf mich. Ob ich einen Track aus der Mitte oder dem Ende des Albums höre, macht so kaum einen Unterschied. Einigen mag diese Einheitssoße auf den Keks gehen – mir gefällts in diesem Fall. Explizit die instrumentalen Ausuferungen sollten Abwechslung genug sein.

Das instrumentale Zwischenspiel „Corriendo Tras El Fuego“ ergänzt die Atmosphäre nahtlos. Damit wurden die Übergänge in Riffgewitter wie „El Ardor De La Crueldad“ perfektioniert. Dieses Herzstück des Albums hat es mir besonders angetan. Vom aggressiven Aufbau durch den Sänger bis hin zum groovigen Abschluss passt einfach alles. Daraufhin schließt das langsame, schwerfällig vorankommende „A Este Lado De La Luna“ den ersten Teil des Albums ab.

Die Überleitung hätte nicht besser umgesetzt werden können. So wird mit dem folgenden „Lo Que Deja Cicatriz“ innerhalb von anderthalb Minuten ein effektives Crust-Feuerwerk entfacht. „Soledad“ hingegen windet sich einem epischen Black Metal-Finale entgegen – Katharsis pur. Danach schließt sich der Kreislauf dank dem gemütlich angestimmten „…Para Ver El Mundo Arder“. Komplett ohne Gesang und dafür mit einer Extra-Portion melodisch vertonter Melancholie bietet KHMER eine Reinigung von all den angesprochenen Missständen an. Ich bin am Ende zwar noch nicht vollständig austherapiert, aber die Sitzung wurde in rigorosester Art und Weise abgearbeitet. Ohne eine Chance auf Rast bombardieren KHMER den Hörer mit ihren Fragen.

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Bandcamp

Bild mit freundlicher Genehmigung von

Autorenbewertung

8
KHMERs erster Streich ist genauso kurz wie druckvoll. Was von außen wie eine schnell geschriebene EP wirkt, offenbart ein gut durchdachtes Thema.
ø 3.5 / 5 bei 1 Benutzerbewertungen
8 / 10 Punkten

Vorteile

+ leicht verdauliches Songwriting
+ druckvoll
+ eingängig
+ zeigt die Vorzüge beider Genres

Nachteile

- zu kurz geraten
- gemischte Qualität der Texte

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