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Krautsurfing – irgendwo zwischen Rock, Punk und Metal

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CIRCLE – Meronia
Veröffentlichungsdatum: 29.07.2016 (Re-Release)
Dauer: 76:53 min
Label: EKTRO RECORDS

ICH WÜRDE MICH NUR ZU GERN DEN ANDEREN REZENSENTEN ANSCHLIEßEN.
DAMIT MEINE ICH, DAS EIN ODER ANDERE WORT ÜBER SCHLECHTE ALBEN VON UNBEKANNTEN BANDS VERLIEREN.

Aber da ich anscheinend das Glück fürs Leben gebucht habe, durfte ich mir die Neuauflage von CIRCLEs Debüt-Album „Meronia“ auf die Ohren geben. Von CIRCLE selbst kannte ich vor dem Album nicht viel, außer ihr Stil-brechendes Album „Miljard“ von 2006. Dieses ist um Längen ruhiger und setzt eher auf den Ambient-Sound. Zuvor hatte es den Finnen eine Musikrichtung besonders angetan: Krautrock.

Die älteren Leser dürften diesen Begriff schon das ein oder andere Mal gehört haben. Sie verknüpfen vielleicht auch Bands wie WALLENSTEIN, TON STEINE SCHERBEN, FAST und NEU! damit. Letztere sind eindeutig CIRCLEs größte Inspiration in ihren Anfangsjahren gewesen. Der Krautrock wurde in den 60ern und 70ern den westdeutschen Rock-Bands zugeordnet. Dabei inkorporierten sie hauptsächlich psychedelische, improvisierte und experimentelle Elemente in ihre Musik.

Die  Verschmelzung der Genres Heavy Metal und eben dieses Krautrocks ist wahrscheinlich der Hauptgrund für den Bekanntheitsgrad von CIRCLE. Sie selbst definierten sich auf den folgenden Alben gern als NWOFHM (New Wave Of Finnish Heavy Metal) in Anlehnung an die britische Variante des NWOBHM.

Dennoch ist auf diesem Album ein anderer Stil noch viel prominenter: Punk.
Die Wurzeln in diesem Genre und der Einfluss auf ihr erstes Werk sind unbestreitbar. Jedoch wurde die Welle, die dieses Album im Heimatland der Experimental-Rocker von CIRCLE ausgelöst hat, viel zu oft übergangen.
Denn an diesem Album war damals nicht wirklich viel genre-typisch, außer der immerwährende Vergleich mit NEU!.
Die Band hatte sich im Vergleich zu ihrer ersten 7″-Platte weiter von diesem Sound entfernt, denn ihr Label merkte damals schon die offensichtliche Nachahmung des großen Vorbilds. Aber zum Glück war man geduldig genug und konnte 1994 den Finnen ihren ersten Longplayer bescheren, welcher nur einer von ganzen 51 Alben ist.

 

DIESE PLATTE IST DAS PURE GLÜCK FÜR ALLE, DIE AUF NICHT SO LEICHT DURCHDRINGBARE MUSIK STEHEN. DAMIT IST ABER NICHT KOMPLEXITÄT GEMEINT.
UND ERST GAR NICHT TECHNISCHE FINESSE!

Wie gesagt konnten CIRCLE mit diesem Album jedoch ihren eigenen Sound mehr und mehr entwickeln, auch wenn der Einfluss anderer Krautrock-Bands sofort ins Ohr fällt. Der punkige und verzerrte Ton vereinzelter Passagen lässt den Hörer eben diese Progression erleben. Dabei werden, wie zum Beispiel auf „Hypto“ und dem Title-Track, harmonische und dissonante Töne nicht voneinander getrennt, sondern fröhlich vermischt. Dadurch entsteht eine Wand aus Sound, der jeder Freund von dissonanter und rauer Musik etwas abgewinnen kann.

DENN MIT 16 TRACKS WIRD HIER EIN GROßES ARSENAL VON GEWOLLTEM „NICHTSKÖNNEN“ UND KÖNNEN ABGEFEUERT.

Beim Gesang ist, wenn er denn auftaucht, eine engelsgleiche Stimme am Werk, was man mit der aggressiven Natur des Albums kaum im Kopf vereinbaren kann. Trotzdem funktioniert es und die hauptsächlich instrumentalen Passagen harmonieren mit Gesang und Geschrei an allen Stellen, wo dieser eingesetzt wird. Aber auf Liedern wie „Wherever Particular People Congregate“ und „Merid“ wird der Punk freigelassen: da wird in unglaublich ekliger Manier ins Mikro gebrüllt.

Ein unglaubliches Geheimnis rankt sich anscheinend um die Texte des gesamten Albums, da diese wohl alle in einer fiktiven Sprache namens „Meronia“ eingesungen worden sein sollen. Diese Theorie wurde weder bestätigt noch als ein Hirngespinst verworfen. Der Hörer darf also gespannt sein und selbst interpretieren, welchen Inhalt der Gesang ausdrücken soll. Mathige Töne und zum Teil auch komplett mathige Lieder sind auch nicht zu vermissen, aber was würde man anderes auch von einem experimentellen Album dieser Größenordnung erwarten. Denn mit 16 Tracks wird hier ein großes Arsenal von gewolltem „Nichtskönnen“ und Können abgefeuert. Sogar Black-Metal Fans dürfen dem Album eine Chance geben und den ein oder anderen Track finden, der sie begeistert, falls man auf die atmosphärischen Züge der großen neuen Post-Black-Szene steht.

 

 

Die Band präsentiert eine Vielfalt an Soundswährend sie einen roten Faden beibehalten und ihrem Stil treu bleiben. Es werden so einige Gesichter gezeigt und vor nicht viel zurückgeschreckt. Auch produktionstechnisch ist an einem Album in diesem vorangeschrittenen Alter nichts auszusetzen, wobei ich mich an dieser Stelle gern von geübteren Ohren korrigieren lasse.

Alles in allem schließt sich bei dieser LP vom Anfang bis zum Ende wieder der Kreis, nachdem die Band benannt ist.
Ein Kreis, bei dem man aber nicht sofort da wieder anfangen möchte, wo man aufgehört hat. Denn beim Hören vergeht schon gerne mal eine halbe Ewigkeit. Dennoch wird hier alles von Keyboard bis Gitarre zelebriert. Auch wenn vielleicht die Länge dieses Gesamtwerks an dem ein oder anderen zehren mag, legt man sie gern wieder auf (wenn auch nicht in Dauerschleife). Ohne diese Scheibe würde eine gesamte Musikbewegung in Finnland nie existiert haben. Und es gibt bestimmt die ein oder andere psychedelic-Punk-Band, die noch heute auf dem Sound von „Meronia“ aufbaut.

ZUM UNGLÜCK ALLER ANDEREN SUCHE ICH MIR NUR DIE GUTEN ALBEN FÜR REZENSIONEN AUS.
DAFÜR SOLLTE ICH MICH BEI DEN ANDEREN AUTOREN MIT EINEM KUCHEN ENTSCHULDIGEN.

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Circle, Circle und Circle

Autorenbewertung

9
ø 3 / 5 bei 2 Benutzerbewertungen
9 / 10 Punkten

Vorteile

+ unglaublich experimentell und mutig
+ seiner Zeit weit voraus
+ kann sowohl ruhig als auch hart
Aktualität des Sounds
Einflüsse aus vielen Genres vernehmbar, dennoch schwer vergleichbare Bands zu finden
unglaublich viele Alleinstellungsmerkmale
Einfluss auf andere, spätere Bands eindeutig zu hören

Nachteile

- sehr langatmig, auch, da die letzten Lieder zu stark an den Anfang des Albums erinnern(was auch positiv gewertet werden kann, als ein sich schließender "CIRCLE")
- ohne die Überlänge wäre es wahrscheinlich mehr als nur ein Meilenstein des Genres

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