Liegestuhl im Schnee, Absinth und Krebs – Cancer

CANCER – Terminal
Veröffentlichungsdatum: 28.10.2016
Dauer: 18:35 Min.
Label: Self-Released

Volle Kanne, ohne großes Vorspiel? Ein Schelm, wer Böses denkt. CANCER legen mit „Distant Dreams“ als erstes Lied ihrer Platte „Terminal“ sofort los. Und das geht gut ab. Konstant high-tempi, atmosphärische Schreie (ja, das geht), und ein musikalisch zerrissen-wuchtiges Gewand. Nicht schlecht. Das Albumcover kann man durchaus irgendwie als eine Visualisierung dessen sehen.

Angeblich als Depressive Black Metal proklamiert, kommt bei dem Einstiegssong schon eine Stimmung von Verlassenheit auf, welche das Gefühl vermittelt, den Kontakt zur Umwelt verloren zu haben. Jedoch eher panisch statt bedrückt. Aber vielleicht täusche ich mich da …

„Hypoglycaemia“ macht vom Tempo her eigentlich da weiter, wo der Vorgänger aufgehört hat. Textverständlichkeit ist nicht die Stärke der Band, aber wir sind hier schließlich auch nicht bei AC/DC. Ich kann mir vorstellen, dass die Musik manchem schnell zu anstrengend werden kann. Mit einem schönen Becher Absinth kann ich mir aber gut vorstellen, damit den Abend zu verbringen. Draußen bei -10 Grad im Schnee. Und nein, ich will hier niemanden zum Trinken verleiten. Erschreckend eigentlich, dass ich dasselbe wohl auch zu Schlager sagen würde, dann aber ganz anders gemeint. Lassen wir das …

Was ich aber beim weiteren Hören merke, ist, dass vom subjektiven Höreindruck die Unterteilung in einzelne Songs hier völlig fehl am Platz ist. Ja, dahinter steht bestimmt ein berechtigtes Konzept. Die Unterschiede sind trotzdem minimal. Das ist nicht schlimm, geht es hier ja eher um die Atmosphäre der Songs. Nur sind die Songs so mit teilweise unter vier Minuten noch relativ kurz, um sich ein wenig hineinzuhören und voll in ihre Wirkung einzusteigen. Schade.

Erst „To taste your Contempt“ fängt mal anders als bisher gekannt ein. Ein ziemlich knurriger Gesang (mehr noch als sonst) und anschließend mehr Dynamik im Verlauf geben dem Song noch mehr Tiefe als den vorherigen. So muss Gollum klingen, wenn er wirklich mal ausrastet. Ihr seht schon: Kopfkino pur. Dafür ist Musik doch da.

„Anamnesis“ steht am Ende eines Albums, welches beinahe als kurzlebig bezeichnet werden kann. Kurz und schmerzvoll. Aber schön wars. Ausstieg in Fahrtrichtung links!

Nein, mal ehrlich. Klar, kleine Kinder schreien manchmal auch so, wenn ihr Hamster vor ihnen wegrennt. Aber sie schaffen es nicht, so ein Gesamtkunstwerk daraus zu machen. Zwar darf die Gruppe gerne noch daran arbeiten, mehr Individualität zwecks besserer Unterscheidung in die Songs zu investieren, aber der Hörer bekommt hier schon einen gewissen Eindruck dessen, wie es sicherlich in vielen innerlich aussieht. Mich persönlich hat das Album auf jeden Fall erreicht. Ich werde mich damit auch noch länger auseinandersetzen können, keine Frage. Jemandem, der auf der Suche nach Musik ist, zu der man auf der Inneneinrichtung tanzen kann, würde ich das Album wahrscheinlich nicht empfehlen, aber als musikalische Untermalung, um ein bisschen träumen und reflektieren zu können taugt es auf jeden Fall.

Autorenbewertung

6
CANCER beweisen, dass aus Australien doch nicht nur Bands kommen müssen, die für die Hüttengaudi was taugen. Atmosphärisch sehr stark, aber durch das Album hindurch doch eher wenig abwechslungsreich bekommt man einen, hm, Hilfeschrei? Zumindest steckt viel Ausdruck in der Musik, was man so in der Form wirklich nicht mehr so oft findet, Daher, Luft nach oben ist noch, aber auch Potenzial. Kann man mal weiter beobachten.
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6 / 10 Punkten

Vorteile

+ sehr atmosphärisch
+ Stimmung stark im Vordergrund
+ gute Balance zwischen Gesang und Instrumentarium

Nachteile

- Gollum ist momentan in Australien
- Songs musikalisch oft sehr nah aneinander
- Titel hätten allesamt länger sein dürfen

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