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Wir sind geil, ja wir sind schön – ein Abend mit LOIKAEMIE und BERLINER WEISSE

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Vorspiel oder auch „Wie alles begann“:

Wir schreiben das Jahr 2007, der werte Autor ist noch jung und die Konzertbegleitung ebenfalls. Ich begebe mich damals in’s Conne Island um die Record Release Party von LOIKAEMIE zu sehen. Am Eingang Karten gekauft, einmal links abgebogen, einmal rechts abgebogen – und da stand ich dann auf meinem ersten Oi-Konzert. Haufenweise breite Schultern, kurze Haare und raues Gelächter – ein Anblick der in mir alle Alarmglocken läuten ließ, zu präsent war für mich noch die Gefahr die von diesem Äußeren ausging.

Aber der Moment war nur kurz – natürlich hatte ich mich belesen, sogar intensiv, nachdem ich das erste Mal über Oi gestolpert war. Hielt ich mich einige Monate vorher noch für einen total tollen Kenner im Deutschpunk, so zeigte sich mir schnell auf, das ich da einen recht beschränkten Horizont hatte. Den versuchte ich nun schnell zu erweitern und stolperte irgendwann zwangsläufig über Bands wie LOIKAEMIE, VOLXSTURM, BROILERS ( ja, die haben mal Oi gemacht! ), 4 PROMILLE und andere, die plötzlich ganz andere Texte hatten und mich zu intensiven Recherchen trieben, was genau es mit dieser Szene auf sich hat. Die Begeisterung war groß, die Klamotten wurden angepasst – es war genau das, was ich gesucht hatte: stabile Typen, große Klappe, guter Stil, harte Musik und eine klare Kante gegen Rechts. Und dann war eben dieses Konzert, dieser Moment als ich das erste Mal auf einem Szenekonzert war. Grandios!

Zurück in die Zukunft

15 Jahre später, es ist kalt, dunkel und meine Konzertbegleitung und ich machen uns auf den Weg – nicht mit ’nem Rucksack voll Bier und der Straßenbahn, dafür aber mit einem Wegbier und dem Auto, man wird ja nicht jünger. Unser Weg führt uns nach Jena, das F-Haus ist mir schon seit Jahren ein Begriff, aber hatte noch keinen Besuch von mir. Das sollte sich heute ändern, denn LOIKAEMIE spielten auf und dazu niemand anderes als BERLINER WEISSE, die mich musikalisch und mit Konzerten auch schon seit 14 Jahren begleiten. Eine hervorragende Kombination also, und die Karten bekam ich auch noch von meiner Frau geschenkt, die am Folgetag das gleiche Konzert in Magdeburg sehen würde.

Es fehlt nur noch der Campingstuhl….

Wir kamen rechtzeitig in Jena an, parkten irgendwo in der näheren Umgebung und liefen dann schnurstracks durch die sibirische Kälte zu Location.

 Umgeben von Punks, Skins, Hardcore-kiddies und einigen anderen illustren Gestalten tranken wir unser Bierchen – endlich normale Leute! Am Einlass fiel mir direkt eine Triggerwarnung ins Auge, das es unter Umständen zu freien Oberkörpern im Publikum kommen kann. Hatte ich so noch nicht gesehen, fand ich aber irgendwie ganz cool gemacht.

Dann gingen wir hinein, was uns kurz stutzen ließ, denn man kommt genau rechts von der Bühne in den Raum – das kannte ich auch noch nicht, da war man direkt mit dem Eintreten sofort erste Reihe! Wir verteilten uns aber erst mal schnell an Merchandise und Getränke und stellten dann voller Begeisterung fest, das es einen Oberrang gibt, der frei mit allen Tickets zugänglich war. Das war natürlich genau mein Fall und somit ergatterten wir uns einen Platz mit bestem Blick und Bierabstellmöglichkeit vorne am Geländer.

Jetzt fing dann auch die Vorband an, die mit dem klangvollen Namen MARKTLÜCKE TERRORZELLE aufwarten konnte. Auf der Bühne war dann auch mächtig was los, denn es waren ca. 8 Bandmitglieder die sich dort verteilten und mit viel Engagement aufspielten. Vom textlichen Inhalt der Songs kam leider nicht allzu viel rüber, was wir zu dem Zeitpunkt noch auf die Vorband schoben, wir sollten uns aber irren….

Eine Technik-Schelle für die Berliner, statt der „Schelle aus Berlin“

Nach einer kurzen Zugabe war das Spektakel auch vorbei und wir ergingen uns in Schätzungen wie viele der Besucher wohl aus Jena, und wie viele von

 überallher sein mögen.Die Umbaupause ging recht fix und dann stand der Mann mit der wundervollsten Stimme auch schon am Mikro!

Die Party war auch direkt beim ersten Lied recht schnell in Gange, wir schauten allerdings leicht irritiert auf das muntere Treiben unter uns, denn das Mikrofon setzte leider des Öfteren aus. Auch der gesamte Sound war leider sehr dürftig, um das mal vorsichtig zu formulieren. Es kam ein recht durchmischter Brei bei uns an, bei dem eigentlich keine Gitarren dafür ein omnipräsenter Bass und die aussetzende Stimme die Highlights bildeten. Gottseidank ist das Publikum auf solchen Konzerten meist recht dankbar, denn die Lieder wurden textsicher auch von der Meute getragen und alles in allem war es trotz allem eine sehr fröhliche Party.

Aber natürlich gingen die technischen Probleme auch nicht an der Band vorbei, und beim letzten Lied streikte dann so ziemlich alles an Technik und eine Zugabe entfiel leider.

Das war natürlich ein unglücklicher Verlauf, wenn einer der beiden Main-Acts unverschuldet Opfer der Technik wird und

 trübte auch ein wenig den Eindruck von der Location die ich ansonsten eigentlich absolut großartig fand! Aber die Band hat absolut das beste daraus gemacht und auch eine sehr gefällige Songauswahl präsentiert. Von alten Klassikern wie „S.S.L.L.H.H“ und „Haltet die Welt“ an über Coverversionen von RIGHT SAID FRED, RIO REISER und „Gassenhauer“ von den TROOPERS bis zu neuen Perlen wie „SHABG“, „Spüre dein Herz“ und „Scheisse“.

Und der Refrain vom letzten Lied, war dann eben auch das Motto für die Tontechnik: „Scheisse, ach du scheisse, da geht bestimmt was bei in Arsch“

Mehr Bier auf mir, als in mir

Hatten wir uns beim vorhergehenden WC-Besuch schonmal kurz abwechselnd in die Meute gestürzt, verließen wir nun unsere edlen Plätze und rafften unsere alten Kadaver auf, um uns in den Mob zu werfen. Der Umbaupause sei Dank waren wir mit Getränken versorgt und relativ weit vorne mit guter Sicht. Mit Getränken überversorgt war ich dann einige Augenblicke später, als die ersten Töne von LOIKAEMIE ertönten und der Saal schier explodierte.

Zweimal blinzeln später hatte ich mehr Bier in meinen Klamotten als ich den Abend über getrunken hatte und war olfaktorisch absolut festivaltauglich. Mein eigenes Getränk wacker unter Kontrolle haltend wurde ich nun zurück in die Vergangenheit geschickt, während meine Konzerbegleitung die Einladung zum Tanz dankend annahm und strahlend im Pogo verschwand. Der Sänger der Band arbeitete damals im einzigen coolen Laden in der Leipziger Innenstadt ( den es natürlich schon seit Jahren nicht mehr gibt ) und nachdem ich das damals realisierte befand ich den immer als mächtig coole Sau. Heute wirkt er lustigerweise auf der Bühne mit Brille und schlichtem Pulli ein wenig wie der Bürofachangestellte ( ich darf das sagen, ich bin selbst Edeltippse ) von nebenan, was aber gottseidank der Musik keinen Abbruch tut.

Wo LOIKAEMIE drauf steht, ist auch immer noch LOIKAEMIE drin!

Und hier blieben wahrlich keine Wünsche offen und auch keine Atempause, denn ein Knaller folgte auf den nächsten und die Menge war immer noch geil auf mehr! Man sollte hier vielleicht noch

dazu erwähnen das die Band – sicherlich eine der wichtigsten der Szene – sich 2016 aufgelöst hatte und erst seit 2019 zuerst sporadisch, dann aber immer mehr Konzerte spielte und auch offiziell vor der Veröffentlichung eines neuen Albums steht. Dementsprechend auf „Entzug“ war auch das Publikum und folgerichtig rund ging es auf der Tanzfläche. Ich stand in der Zwischenzeit wie in einer Art Bällebad, nur das sich zu meinen Füßen statt Bällen die Becher tummelten die Ihren Flug irgendwo in meiner Gegend beendet hatten. Dazu gab es auch die Erwachsenenversion von „der Boden ist Lava“, denn der Boden hatte sich innerhalb der ersten 3 Lieder in etwas verwandelt was ich auf keinen Fall berühren wollte.

Mehr Sound für alle – außer für die Band

Netterweise war nun auch der Sound deutlich besser – also zumindest für das Publikum, denn die Monitorboxen für die Band schienen weiterhin zu streiken. Und auch sonst hatte ich eher das Gefühl das einfach alle Regler aufgedreht waren, damit alles rauskommt was ins Mikro geht – sobald auf der Bühne kurz ruhe war brummte und fietschte es permanent recht unangenehm. War aber auch hier dem Mob recht egal, die Lieder wurden gefeiert als wenn es kein Morgen gibt, und auch die beiden Neuveröffentlichungen aus 2022 „Lumpenmann“ und „Tief in mir“ kamen sehr gut an und wurden textsicher von der Menge getragen.

Ich könnte mich noch stundenlang über den emotionalen Background des Konzertes für mich ergehen, aber fasse das einfach mit „es war saugeil“ zusammen! Passenderweise endete das Konzert auch mit dem Ende meiner Kräfte – als Vati von 2 Kleinkindern ist man halt nicht mehr gewohnt bis 0 Uhr wach zu sein. „Good Night White Pride“ in der Zugabe und „Uns’re Freunde“ als letzter Song machten den Auftritt perfekt und wir verließen dampfend, schlecht riechend und glücklich die Location. Während wir zum Auto liefen ließ sich hinter uns ein 1,90m großer Hüne noch einmal lautstark und schwallartig die Getränkeauswahl durch den Kopf gehen – und ich war einfach glücklich!

Und wie schon erwähnt, waren unsere holden Damen am Folgeabend auf dem Konzert in Magdeburg und haben auch noch ein paar Eindrücke von dort zum Besten gegeben:

Endlich, nach 2 Schwangerschaften war dann eines der ersten Konzerte angesagt, und was für eins! Die Freude war groß, denn es sollte endlich LOIKAEMIE werden.
 
Nach dem nun mehr vierten Anlauf sollte es für mich und der Band ein Aufeinandertreffen geben. Die letzten 3 Versuche waren das verpasste Abschiedskonzert im Conne Island, beim Back to Future 2019 fiel der Versuch grandios ins Wasser, und später kam dann beim Conne Oi!land zuerst Corona dazwischen und dann stahl die Geburt unseres zweiten Kindes der Band völlig die Show.

Back to the Roots – auf zur Factory Magdeburg

Jetzt war Mami aber endlich am Zug, und das war wohl Schicksal, denn das Konzert fand auch noch in der Factory in Magdeburg statt, die ich früher oft und gerne besucht habe – also ein absolutes Highlight im Terminkalender.
 
Am Konzertabend selbst war aber erst einmal der innere Schweinehund zu überwinden, denn die Kinder (ver)brauchen viel Kraft, und auf der Schulter hockt der Couch-Potato-Teufel, der einem die heimische Couch schmackhaft macht und ausführlich aufführt wie fertig man eigentlich ist – wer ebenfalls Kinder hat, dem wird das sicherlich bekannt vorkommen!

Teufel auf Schulter? Toifel auf der Bühne!

Aber gut, Toifel gab es ja schließlich auch beim Konzert – und so raffte ich mich auf, schwang mich ins Auto und fuhr mit meiner Konzertbegleitung nach Magdeburg. Die erste große Spannung war dann ob die Location immer noch so ist wie früher, oder ob sich viel verändert hat. Und hier konnten wir den Laden mit einem guten Gefühl entern, denn selbst die Security war gefühlt noch die gleiche und es stellte sich ein glückliches Gefühl von „nach Hause kommen“ ein.
 

Die erste Band, die BREATH BRIGHT BRÜDER, spielte schon kräftig auf und heizte dem Publikum ordentlich ein – und uns auch! Die Jungs machten sehr gut Stimmung, und ich genoß einfach das Gefühl mich mal wieder unter sehr angenehmen Szene-Publikum zu bewegen und nicht nur die gehetzten normalen Alltagsmenschen um mich herum zu haben.
Gute Musik und schöne Menschen machen? Richtig, Durst! Also freute ich mich darüber das heute mal nicht ich die „Milchbar“ bin, sondern ich die Möglichkeit hatte mich an einer Bar bedienen zu lassen. Und weil man auf einem Bein so schief steht, gab es direkt noch einen Kurzen dazu!
 
Life-Hack an dieser Stelle: Wer seinen Geldbeutel schonen möchte, sollte einfach mal ein Jahr stillen oder schwanger sein – danach reicht dann schon ein Bier am Abend um den Pegel hoch zu halten!

Viva BW!

Nach einer kurzen Umbaupause kam dann BERLINER WEISSE auf die Bühne. Und nach dem letzten Album war die Vorfreude auch besonders groß, zumal das letzte besuchte Konzert der

Herren auch schon eine Weile zurücklag.

 
Und so hatte ich dann auch ein breites Grinsen im Gesicht, denn die Band hat es immer noch drauf und hat kein bisschen an Schwung verloren. Wir feierten die „Schelle aus Berlin“ dann auch ordentlich. Und es gab sich dann auch der Frontmann von LOIKAEMIE schon einmal die Ehre und es wurde zusammen ein Song gespielt. ( Anm. d. Oimels: vermutlich war es „Good Night White Pride“ ) Und BERLINER WEISSE hatten scheinbar selbst auch richtig Bock. Ohne die Technikprobleme vom Vorabend wurde sich hier deutlich länger der Frust von der Seele gespielt und dem Publikum musikalisch um die Ohren gehauen.

Was lange währt wird endlich gut!

Die Krönung des Abends war dann natürlich der lang ersehnte Auftritt von LOIKAEMIE, bei dem kein Auge – und auch kein Kleidungsstück aufgrund der Bierduschen – trocken blieb. Die Songauswahl war dabei so ziemlich die gleiche wie uns vom Vorabend berichtet wurde. Allerdings war der Sound eben deutlich besser und die gesamte Meute feierte die Band bis zum umfallen.
 
Und hier war ich dann auch tatsächlich dankbar das nicht noch eine weitere Zugabe folgte. Die Nacht würde noch kurz genug werden, und die Beine waren schwer. Somit ging es nach einem absolut gelungenen Konzert dann auf den Heimweg.

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