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MEAD & GREED 2019 – Ein Hoch auf das Heidentum!

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Angekommen! Nach über einer Stunde Stau auf der Autobahn und einer (wahrscheinlich gut gemeinten) Wegbeschreibung, mit der uns ein Fremder 30 Meter neben dem Festivalgelände erst einmal einen Kilometer in die falsche Richtung geschickt hat, sind wir tatsächlich endlich beim MEAD & GREED 2019 angekommen. Wer konnte auch ahnen, dass der komische Grashügel mit Kamin die gesuchte Location ist? Und der Kamin in Wirklichkeit eine Rutschbahn, mit der man direkt vor dem Eingang des Festivals landet? 

Willkommen beim MEAD & GREED 2019!

Schlachtrufe und Feensang

Nemoreus @Sebastian Freiheit

Diese unnötige Kombination verspätungsfördernder Geschehnisse hat leider zur Folge, dass meinen Augen und Ohren die Show von NEMOREUS fast vollständig verwehrt bleibt. Lediglich den letzten und den allerletzten Song bekomme ich noch mit – und gerade diese seien nicht sonderlich repräsentativ für den Stil der Band, so Sänger Fabian. Schade! Denn das wenige, das ich von dem österreichischen Folk Metal noch aufschnappen kann, gefällt mir sehr gut. Dass Metal mit Geige und Flöten gut funktionieren kann, brauche ich wohl keinem hier zu erklären; daneben benutzen NEMOREUS allerdings auch eine – Sekunde, ich muss das kurz googlen – irische Bouzouki! Ein schönes Saiteninstrument, welches in einem energetischen Akustik-Zwischenspiel des letzten Songs noch einmal voll zur Geltung kommt.

Auch der Sound des Abends (handgemacht vom BLACKMESSIAH-Mischer) weiß von erster Sekunde an zu überzeugen. Klar und nicht zu laut, jedoch drückend genug, um die Energie der vorgeführten Metallmusik vollends tragen zu können. Genau, wie es in einer solchen mittelkleinen Innenlocation sein sollte.

Was ist das nur? @Sebastian Freiheit

Als zweites treten BRISINGA auf die Bühne! Quasi als Kontrastprogramm zur ersten Band des Abends präsentieren die drei Mädels seichte Folk-Töne und bezaubernde Gesänge. Im Zentrum steht das zweitmagischste aller Instrumente (nach Death-Metal-Blast-Beat-Schlagzeug natürlich): Eine Harfe! Ihr wohlklingender Melodienfluss wird vom angenehm tiefen Sound eines Cellos getragen und steht im Wechselspiel mit diversen Flöten, Drehleier (Hurdi Gurdi!) und einem Instrument, welches ich mir natürlich nicht notiert habe, obwohl ich Sandra extra gefragt hatte wie es heißt. Gesungen wird in verschiedenen Sprachen; und die Abwechslung zwischen betörender Feenmusik und fröhlichen Tanzliedern sorgt für ein äußerst klatschbegeistertes Publikum. Sehr schön!

Baumhirten und Eichenfässer

Baumbart @Sebastian Freiheit

Weiter geht es mit BAUMBART! Einer Band, die ich mir allein des Namen wegen schon längere Zeit gerne mal live ansehen wollte. Auf der Bühne befinden sich sechs Leute und ein Haufen Instrumente: Zwei akustische Gitarren, Geige, Tin Whistle, Cajon und mehr Percussion – dazu fünf besetzte Mikrofone. Kein Wunder, dass man den Bassisten auf eine kleine Nebenbühne verbannen musste. Hatte ich auch bei dem Bandnamen mit sehr tolkienesquen Themen und Musik gerechnet, so bringen BAUMBART in vielen ihrer Lieder eher ein Seefahrt- und Tavernen-Feeling an den Mann (was sich natürlich nicht gegenseitig ausschließt!). Neben dem perkussivem Gitarrenspaß glänzt die Truppe vor allem in Momenten mehrstimmiger Gesangsparts. Auch die neue Geigenspielerin scheint sich wohl zu fühlen wirkt keine Sekunde lang fehl am Platz.

Beim Kauf einer Möhre gibt’s das Album gratis dazu! @Sebastian Freiheit

Neue Stunde, neue Band! Mit frischem Album im Gepäck betreten, in farblich angepasster Montur, die Prost-Rocker HAGGEFUGG die Stage. Als Vollblut-Spielleute wissen diese natürlich, wie man die Masse animiert, und genau dessen wird sich dann auch angenommen – mit Erfolg! Sowohl die Motivation als auch der generelle Pegel des Publikums haben einen neuen Höhepunkt erreicht. Die catchy Melodien, der Doppel-Dudelsack-Angriff und die an SALTATIO MORTIS und Konsorten erinnernden Feier-Vibes bringen die Zuschauer in Bewegung. HAGGEFUGG wissen geschickt die Energie eines modernen Rock-Ensembles mit der Melodik und Vitalität neo-mittelalterlicher Spielmannskunst zu verbinden, schmeißen hier und da ein paar Metalriffs mit in den musikalischen Topf, und in Kombination mit ausgedehntem Publikumskontakt ergibt sich somit das perfekte Rezept, um einen Konzertsaal wie diesen von vorne bis hinten mit tanzenden Menschen aufzufüllen.

Industrial-Dudelsäcke?

Der Mann der Stunde @Sebastian Freiheit

Als Abschluss des Abends gibt’s dann das ganze nochmal in „Erwachsen“. RAGNARÖEK bringen mehr harte Riffs und weniger Fröhlichkeit zum Einsatz, weniger Spaß und mehr Schweiß, mehr Kohle im Gesicht und weniger Einhörner im Bauch. Die Tanzparty ist vorbei, jetzt dudeln die wahren Männer. Und auch diese Formel zieht. Sogar ein halbnackter, beplauzter Henker (oder Schmied?) mit Stahlketten um den Hals ist mit von der Partie. Seine Aufgaben beinhalten auf der Bühne Waffen schmieden, Feuer spucken und grimmig ins Publikum gucken.

In Aussehen und Feeling der Band spürt man neben einigen Gothic-Vibes erster Stunde auch einen gewissen Industrial-Einfluss, der vor allem aus den stampfenden Beats herauszulesen ist. Trotz allem spricht auch hier nichts gegen Schnaps, Met und Bier – songthematisch sowie im echten Leben. Nach geschätzten zweieinhalb Stunden Set sind am Ende dann trotzdem nur noch die Menschen da, die entweder so richtig Bock auf die Mucke haben oder so richtig besoffen sind. Das macht zusammen so um die 30 Leute – irgendwann wird man halt auch müde.

Neuer Tag, neues Glück!

Und so geht’s diesmal ohne Stau und irreführende Wegbeschreibung direkt zum Festival.

Helgrindur @Sebastian Freiheit

Den Opener-Slot haben heute HELGRINDUR! Gradliniger Pagan Metal mit viel Wucht und wenig Gnade. Das heißt: treibende Gitarrenleads, viel Double Bass und Blast Beats am Schlagzeug und geschriene Schlachtengesänge am Hauptmikrofon – genau mein Fall! Obwohl die Härte-Latte im Vergleich zu den gestrigen Bands deutlich höher liegt, gibt es auch hier wieder genug Möglichkeiten für anwesende Zuschauer, Teil des Geschehens zu sein. Neben mitgrölbaren (vor dem Lied mit dem Publikum eingeprobten) Refrains und Hau-Ruck-Chören kommt sogar ein eingebautes Trinkspiel zu so früher Stunde (mit großem Erfolg) zum Einsatz. Dem Gewinner wird feierlich ein Bandshirt überreicht. Fazit: Mitreißende Musik, viel Publikumseinbindung – perfekt, um erstmal so richtig wach zu werden.

So sieht das aus! @Sebastian Freiheit

Unter dem Namen und dem Logo von REMEMBER TWILIGHT kann ich mir nicht so wirklich etwas vorstellen. Die Verwirrung bestätigt sich, als die Band bis auf der Bühne steht und ihr erstes Lied anstimmt. Selbst bezeichnen die Stuttgarter ihrem Stil als „Kammermusik-Core“. Dieses Konzept setzt sich zusammen aus 8 Musikern, darunter zwei E-Geigen und ein E-Cello. Das Ganze im Rahmen einer Mischung aus Rock und Metal. Gibt es auch im Pagan- und Folk-Metal-Bereich so einige Bands, die sich der Saitenästhetik von Streichinstrumenten bedienen, so findet man dennoch keine andere Gruppe, die musikalisch so wirklich mit REMEMBER TWILIGHT vergleichen ließe. Was sich bei experimentellerer Kunst aber leider oftmals nicht vermeiden lässt, ist, dass damit nicht jedermanns Geschmacksnerv getroffen wird. So ist die Halle nun ein bisschen weniger voll als zuvor, was den präsenten Zuhörern sowie der Band selbst aber nicht den Spaß an der Sache nimmt.

Eichhörnchenmusik und Bettlerdresscode

Definitiv tanzbar! @Sebastian Freiheit

Dann folgt, worauf viele gewartet haben: Das Album-Release-Konzert der Folk-Metaller von TALES OF RATATÖSK! Der Raum ist jetzt bis hinten aufgefüllt. Einstimmige „Eichhörnchen!“-Rufe aus dem Publikum leiten die Show ein (Kontext gefällig?), und alsbald geht’s dann auch schon los. Was ich gestern bei NEMORIUS verpasste, kommt heute hier umso mehr zur Geltung: Fröhliche Tonfolgen auf Folk-Instrumenten kombinieren sich mit kraftvollem Pagan Metal – aber nicht, ohne gelegentlich in finsterere Gefilde abzugleiten. Die Vocals wechseln zwischen clean gesungenen Melodien (aus männlicher und weiblicher Kehle) und äußerst infernalischem Geschreie (klingt so ein wütendes Eichhörnchen?). Viel musikalische Abwechslung, Tempowechsel und eine ordentliche Portion Tanzbarkeit sorgen für eine Party von beachtlichem Ausmaß. Am besten funktionieren dabei solche Parts, in denen Dudelsack und Geige sich ein intensives, harmonisches Zusammenspiel geben. Polonesen, Moshpits und mindestens zwei gebrochene Drumsticks zeugen von einem gelungenen Konzert.

Fröhliche Lieder @Sebastian Freiheit

Nach dieser schweißtreibenden Fete wird’s dann wieder etwas gemütlicher. Die HABENICHTSE machen lustige Mittelalter-Straßenrand-Musik mit viel Akustikgitarre, Ziehharmonika und Getrommel. Passend dazu ist das Bettler-Image der Band: die Mitglieder sind gekleidet in zerfetzte Lumpen und zerrissene Kopfbedeckungen und haben viel Schmutz im Gesicht. Man sieht lachende Gesichter so weit das Auge (oder die Konzerthalle) reicht, während zusammen ein humorvolles Lied nach dem anderen angestimmt wird. Wein und Met fließen in Strömen, und die Menschen hinter dem Beerenweine-Stand ist hocherfreut! Nur die ganz harten Metaler fühlen sich von der Musik scheinbar weniger angesprochen und trinken lieber draußen in der Sonne. Wer nicht will, der hat schon!

Zwei Arten von Pagan Metal

Action! @Sebastian Freiheit

Letztere stehen aber gleich wieder vor der Bühne, als die Zeit für den Auftritt von VANAHEIM gekommen ist. Die Jungs aus den Niederlanden spielen nach alter ENSIFERUM- und EQUILIBRIUM-Manier energetischen Pagan-/Folk-Metal mit einer Prise Power-Metal-Drive. Was soviel bedeutet, wie: Die Jungs treiben das Konzept von epischem, schnellem und nicht zuletzt äußerst melodienträchtigem Pagan Metal auf die Spitze. Neben den Screams des Lead-Sängers finden sich an den richtigen Stellen auch wunderbar ausgeführte, dreikehlige Pagan-Chor-Gesangsparts in den Liedern wieder – großartig! Dabei wirken die Lieder des kommenden Albums noch ein Stück epischer als die älteren Werke. Wenn ihr also auf solche Musik steht, solltet ihr auf jeden Fall die Ohren steif halten.

Gernotshagen @Sebastian Freiheit

Und so sind wir auch schon beim Headliner des zweiten und letzten Abends angelangt: GERNOTSHAGEN! Eine Band, die ich bisher nur aus Legenden kannte (und von dem einen Album, das ich mir vor Sage und Schreibe 12 Jahren mal gekauft habe). Gegründet im Jahr 1999 haben wir es hier mit einer Gruppe zu tun, die schon fast zu den Altehrwürdigen der Pagan-Metal-Branche gezählt werden kann. Atmosphärisch, würdevoll und erfahren – und ganz ohne lustige Sauf- und Tanzmusik – so legen GERNOTSHAGEN eine weitaus traditionellere Herangehensweise an diese Kunstsparte an den Tag. Und den Zuschauern gefällt das! Es wird geheadbangt und mitgemacht, bis der Abend dann irgendwann doch sein Ende findet, alle ihren letzten Met austrinken und schlafen gehen.

Hui! Was für ein Festival!

So spontan es sich auch ergeben hat, dass ich dieses Jahr dort gelandet bin, so sicher bin ich mir auch, nächstes Jahr bei Möglichkeit wiederzukehren! Nicht nur gab es perfekten Sound, ein begeistertes Publikum und eine super sympathische Location – auch herrschte zwischen den verschiedenen Konzerten viel Abwechslung, so dass nie ein Funken Repetition aufkam und für jeden etwas dabei war. Und das alles, ohne den thematischen Rahmen der Veranstaltung zu sprengen! Jede der Bands ist auf ihre eigene Art ein Teil der musikalischen Folk-, Pagan- oder Mittelalterschiene, und somit ergab sich trotz der Unterschiede ein stimmiges Gesamtfestival.

Was mich am meisten freut, ist, dass dieses Festival gerade für junge und bisher weniger bekannte Bands dieser Genres ein Medium bietet, mit gleichgesinnten Acts aufzutreten und vor einem genrebegeistertem Publikum zu spielen. Das macht dieses kleine, nette Festival noch etwas sympathischer. An alle Freunde von Dudelei und Fiedelmusik, von Heidengesängen, Schlachtenliedern und Methallenparties – ich kann euch das MEAD & GREED nur empfehlen!

Kurzgesagt:

Das MEAD & GREED 2019 war eine tolle Erfahrung, und ich wünsche diesem Festival noch viel Glück für die Zukunft und einen langen Bestand! Weiter so! 

Zu guter Letzt wünsche ich noch viel Spaß noch mit dem offiziellen Aftermovie:

Das war das Mead & Greed Festival 2019!Welche Bands haben euch am Besten gefallen? Schreibt es uns in die Kommentare und gewinnt bis zum 18. April ein Festivalshirt ;)Das Gewinnspiel hat nichts mit Facebook zu tun, unter den Kommentaren wird am Stichtag zufällig jemand ausgelost.

Gepostet von Mead & Greed Festival am Donnerstag, 11. April 2019

 


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