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Mein Album des Jahres – WHILE SHE SLEEPS

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WHILE SHE SLEEPS – You Are We
Veröffentlichungsdatum: 21.04.2017
Länge: 51:03 Min.
Label: Search And Destroy
Stil: Alternative, Metalcore, Riffs

„This album is dedicated to Tom Searle 1987 – 2016“

244 Tage nach dem Tod eines für viele Fans und Musiker inspirierenden Gitarristen, lese ich diese Worte im Inneren der Gatefold Verpackung. Und sofort fällt mir wieder ein, warum diese Band bereits den Weg unter meine Haut gefunden hat. Eine unglaublich gute Band zollt einer befreundeten, ebenfalls großartigen Band den Respekt, den sie verdient. Tom war ein großartiger Musiker und Mensch. Jeder, der das Glück hatte ihn live zu sehen, weiß das. Über seinen Tod hinwegzukommen wird nie gelingen, aber die mitfühlenden Botschaften – zuletzt in NORTHLANE„Paragon“ – häufen sich. Dass gerade WHILE SHE SLEEPS ihr gesamtes Album dem ARCHITECTS-Gitarristen widmen, trifft mich noch härter. Selten schafft es Musik, die so gefühlsbetont ist, gleichzeitig so ehrlich und nicht übertrieben zu klingen. Auf dem Debüt „The North Stands For Nothing“ war das so, auf „This Is The Six“ und „Brainwashed“ ebenfalls. Was wird mich also auf der nächsten Reise in die gequälte Gedankenwelt der jungen Briten erwarten?

Die Erwartungen an die LP waren unglaublich hoch, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass die Vorgänger zu meinen meist gehörten Alben zählen. Vor der Veröffentlichung war jedoch sofort klar, warum diese Scheibe anders wird. Mit dem Sleeps Warehouse hat sich die Gruppe einen eigenen Platz geschaffen. Dort wird Merch designed, bedruckt und Musikvideos aufgenommen. Viel wichtiger ist jedoch, dass hier Musik geschrieben und aufgenommen werden kann. Keine wechselnden Studios, kein Reisestress zu den Aufnahmen, keine ungewollte Beeinflussung durch die Umwelt – das bedeutet Unabhängigkeit. Möglich gemacht wurde das durch die Unterstützung ihrer Fans, weshalb der passende Titel „You Are We“ gewählt wurde. Bei jeder anderen Band käme das kitschig und erzwungen rüber. WHILE SHE SLEEPS hingegen sind genauso wie sie sich geben. Keine Fake-Attitüde, kein Geplapper, keine Inkonsequenz – das bedeutet Musik aus dem Hause Sleeps.

Eine andere Sache, die vor der Veröffentlichung jedem bewusst sein konnte, war die Qualität. Ganze fünf Singles wurden der gierigen Masse zur Verfügung gestellt – und Junge, Junge, hab ich mich satt gehört. 
„Civil Isolation“ war in einer anderen Form am Ende von „Brainwashed“ aufgetaucht: Damals ein akustischer Lagerfeuer-Deluxe-Track, heute ein großartiger, harter Metalcore-Song. Dann kamen „Hurricane“, „You Are We“, „Silence Speaks“ und „Feel“. Jeder Track hatte den gleichen Grundton, aber an sich waren sie unvergleichlich. Wie sieht das im Kontext des gesamten Albums aus?

Sofort begrüßt der Titeltrack die Hörer auf eine Art und Weise, auf die sich meine Lieblings-Sheffielder verstehen. Endgeiles Riffing wird von Lawrence Taylors unverwechselbaren Screams unterlegt – Passagen zum Mitsingen gibt es keine. Der ganze, verdammte Song ist zum Mitgrölen gedacht. Unverwechselbare Breakdowns, wie den am Ende des Openers, haben sie perfektioniert. „Revolt“ hat einen ähnlichen Kracher in der Mitte versteckt, „Hurricane“ auch und ich muss jetzt glaube ich aufhören aufzuzählen. Hört selber rein! Unterstützt werden diese vom akkuraten und exzellenten Drumming, was in dem Mix manchmal untergeht und dann wieder scheinen darf. Sie legen es sich zum Glück so aus wie sie es brauchen.

Eine riesige Evolution gab es jedoch, die sich nicht abstreiten lässt. Wer zwischen „This Is The Six“ und „Brainwashed“ aufgepasst hat, bemerkt eine Auffälligkeit. Die Lieder wurden immer riff-betonter, melodischer und es gab generell mehr Gang-Vocals und derben, normalen Gesang vom Gitarristen Mat Welsh. Da wurde jeder Track zu einem neuen „Seven Hills“ , was bis dahin als Fan-Favorit galt. Hier hat sich dieser Trend fortgesetzt. Jeder Song enthält den derben Clean-Gesang, mitgesungen wird dank der schnellen Verse und auch Refrains immer. Hinterlegt mit den unglaublich geilen Riffs von z.B „In Another Now“, „Silence Speaks“ und „Steal The Sun“ zwingen sie einen quasi zum Mitsummen und -schwingen. Dazu kommen dann auch noch Gitarren-Soli. Wollen die mich eigentlich komplett zum Ausrasten bringen?

Ist das jetzt nur astreine Musik um sich gut zu fühlen? Definitiv nicht bei diesen, im Metalcore üblichen, gesellschaftskritischen Texten. Etwas offener für mehrere Interpretation sind diese geworden, lenken aber immer in eine bestimmte Richtung. Ein nettes kleines Detail ist dabei der Bezug zu den älteren Songs. Viele Tracks verweisen ab und an auf vorherige Texte oder zitieren diese ganz einfach. Jedoch ist das verständlich bei einer Band, die sich so natürlich weiterentwickelt. Wehe hier schreit jemand „Sellout“, WHILE SHE SLEEPS bleiben ihren Wurzeln so treu wie kaum eine andere Band.

„Our leaders won’t save us / Your Queen is dead“ – „Revolt“

Apropos Sellout, den BRING ME THE HORIZON-Frontmann Oliver Sykes konnten sie für „Silence Speaks“ als Unterstützung gewinnen. Und das war noch nicht genug. Der werte Herr Sykes fing für seine Kumpels wieder an zu schreien! Sofort waren alle neuen und alten BRING ME THE HORIZON-Fans auf WHILE SHE SLEEPS aufmerksam gemacht. Trotz den bösen Hintergedanken zu einer klugen Marketingstrategie, gönne ich diesen Erfolg meinen Verbündeten im Geiste. Auch dieser rockigere, alternative Stil steht ihnen sehr gut. Sie bleiben dabei nämlich immer noch sie selbst. Nicht umsonst wurde schon früher in Interviews betont, dass sie lieber als Alternative bezeichnet werden würden. Sie scherten sich nicht um irgendwelche Labels.
Lustigerweise ist es in der Szene immer eine Diskussion gewesen, ob sie nun dem Metalcore oder doch dem Melodic Hardcore zuzuordnen sind. Denn bei ihnen verschwimmen die Genre-Grenzen. Das stimmt für dieses Album umso mehr. Ist „Empire Of Silence“ jetzt ein Southern-Metal-Song, „Civil Isolation“ ein Metalcore-Track, „Hurricane“ eine Stadionhymne und „In Another Now“ ein modernes Hardcore-Lied mit Melodic Death Metal? Wen interessiert das? Vielleicht stimmt ein bisschen davon, aber die Lieder kommen ganz gut ohne das alles aus. Diesem Album kann jeder etwas abgewinnen!

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Offizielle Webseite

Bilder mit freundlicher Genehmigung von , While She Sleeps und While She Sleeps

Autorenbewertung

9
So und nicht anders funktioniert Metalcore zum Mitsingen! WHILE SHE SLEEPS demonstrieren ihre ganze Expertise und vernichten auf ihrem Weg zum heiligen Gral der Musikindustrie jedes Vorurteil, was man einer Band aus ihrer Szene entgegenbringen kann. Auch für dem Genre abgeneigte Ohren ist diese Scheibe ein absoluter Tipp. Worauf wartet ihr also noch, ich mache jetzt die Dauerschleife an und versuche meine WHILE SHE SLEEPS-Sucht für die nächsten Monate zu beruhigen. Beste Tracks: "In Another Now", "Revolt", "You Are We", "Empire Of Silence" und der Rest.
ø 4.5 / 5 bei 11 Benutzerbewertungen
9 / 10 Punkten

Vorteile

+ jeder Song hat etliche Alleinstellungsmerkmale
+ interessantes Songwriting trotz der immer wiederkehrenden Strukturen
+ die Riffs schlagen jedem Musik-Pleb den Kopf ab
+ bretternde Soli
+ Loz und Matt klingen genauso wütend wie immer
+ das Schlagzeug darf ab und an in den Vordergrund
+ heiliger Scheiß, diese Riffs!

Nachteile

- ich muss Luft nach oben lassen (das nächste Album kann ja keine 11 werden)

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6 Kommentare

  1. Nico
    4. Juli 2017 bei 23:21 — Antworten

    Ich weiss nicht, höre das Album jetzt gerade mal wieder, aber es will mir nicht so recht gefallen… Ich finde die Review tatsächlich ein bisschen ZU positiv für das, was die Jungs da gedropt haben… Es ist nicht schlecht, es hat echt ultra geile Momente, aber dadurch, dass jeder Song, wie du schriebst, „alleinstellungsmerkmal“ hat, geht die Abwechslung verloren. Die Lieder overusen diese Singalongs TOTAL. Die Gitarren sind geil und haben mir persönlich die langeweile genommen, aber die Songstruktur ist nach den ersten 5 Liedern fast immer vorhersehbar und macht das Album als Album alleinstehend einfach… nicht gut. Für mich ist das Album ne 3+ wenn ich Noten geben müsste. Es klingt einfach irgendwie nicht mehr so ehrlich wie seine Vorgänger, dadurch, dass wirklich JEDER Song versucht dieses „wir singen das zusammen am Lagerfeuer“ Feeling aufzugreifen. Es wird inflationär verwendet. Brainwashed war definitiv besser. Ich mag das Album, aber irgendwie hat es mich enttäuscht, obwohl die Lieder für sich ja nicht schlecht sind.
    Naja, vielleicht packt es mich ja doch noch nach ein paar mal Hören, aber den Suchtfaktor der anderen Alben hatte es bis jetzt immernoch nicht enfaltet

  2. kalkwiese
    23. April 2017 bei 11:21 — Antworten

    „Das gerade WHILE SHE SLEEPS ihr gesamtes Album dem ARCHITECTS-Gitarristen widmen, trifft mich noch härter.“

    Dann muss ich mir dieses Album ja geben. Geht nicht anders. 😀 Mal schauen, die Review lese ich dann, wenn ich damit durch bin.

    P.S. Sorry, ich weiß, dass sowas nervt, aber in dem zitierten Satz schreibt man „Das“ mit zwei „s“.

    • 23. April 2017 bei 11:55 — Antworten

      Solche Fehler rutschen irgendwann immer durch
      Wobei…welches „das“? Ich sehe da kein „das“ 😀

      • kalkwiese
        23. April 2017 bei 21:30

        Ups, mein Fehler 😀

  3. Die Sonne
    23. April 2017 bei 10:36 — Antworten

    Ich gebe trotzdem 10/10. Dann muss ich dem nächsten Album vielleicht 11/10 geben.

    • 23. April 2017 bei 11:57 — Antworten

      Du hast ja auch den Vorteil dich nicht an Punkte-Limits halten zu müssen! Du privilegierte Himmelsscheibe!

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