XANDRIA im Interview – Mit Zuversicht und Dankbarkeit in die Zukunft

Es ist Samstag Abend, ich bin in Köln Ehrenfeld und will mir den Auftritt von XANDRIA ansehen. Sie haben gerade eine längere Konzertpause hinter sich, bedingt durch das Ausscheiden ihrer Sängerin Dianne van Giersbergen. Heute ist ihr zweites Konzert auf der Tour, die unter dem Banner des neuen Albums „Theater of Dimensions“ steht.  Dafür konnten sie die Sängerin von AEVERIUM, Aeva Maurelle gewinnen. Mich interessiert, wie es der Band momentan geht, wie sie mit der aktuellen Situation klarkommt und welche Zukunftspläne existieren. Daher freut es mich, dass sich Bassist Steven Wussow bereit erklärt hat, mir vor dem Konzert ein paar Fragen zu beantworten.

S: Hallo Steven! Vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst. Wie geht es euch denn momentan? Freut ihr euch auf das Konzert heute Abend?

Steven: Ja, auf jeden Fall. Wir waren jetzt eine längere Zeit von der Straße weg. Gestern war die erste Show der Tour, das tut extrem gut.

S: Seid ihr froh, dass die Phase der Ungewissheit damit vorbei ist?

STEVEN: Ja, schon. Zumindest, dass damit der Stillstand vorbei ist. Jetzt geht es endlich wieder vorwärts.

S: War es wichtig für euch, den Punkt zu finden um zu sagen: „Wir machen jetzt wieder was, Hauptsache, es geht weiter“?

Steven: Es ist ja nicht so, dass man sagt: „Ok, dann geh ich halt mal wieder arbeiten“. Irgendwann sagt eben auch der Chef: „Komm doch auch mal bitte wieder“.  Die Shows waren gebucht. Und die Fans sind ja auch irgendwann enttäuscht, wenn man Show nach Show nach Show absagt. Irgendwann war einfach klar, wir müssen raus und wieder spielen. Wir wollten auch spielen. Wir hatten Bock raus zugehen und auch die Leute wieder zu sehen. Es war echt Zeit.

S: Gerade auch auf den Festivals hat man das schon mitgekriegt. Viele Fans fanden es sehr Schade, dass ihr da abgesagt habt.

War es schwierig damit umzugehen eine neue CD zu haben und dann plötzlich vor der Situation zu stehen, dass die Sängerin, die darauf zu hören ist, nicht mehr dabei ist? War es euch da wichtiger, grundsätzlich erstmal jemanden zu finden, mit der ihr auftreten könnt? Oder lag der Fokus schon auch darauf, jemanden zu finden, der wirklich längerfristig passt?

Steven: Wir wollten erstmal jemanden, der uns bis zum Jahresende aushilft. Aeva kennen wir schon seit längerem. Wir wussten, wenn es jemand kann, dann kann es Aeva. Wir haben sie gefragt, ob sie uns aus der Patsche hilft und sie hat sofort ja gesagt. Von daher war das jetzt nicht so „wir schauen mal, ob wir jemanden finden“. Jetzt sind wir erstmal bis Jahresende zusammen unterwegs.

S: Sie war also keine Unbekannte für euch, die ihr erstmal kennenlernen musstet.

Steven: Ja, auf jeden Fall. Wir wussten von vornherein, dass es persönlich passt, und wir wussten auch, sie kann das handwerklich schaffen und super umsetzen. Daher, alles gut.

S: Ist für euch der Austausch zu den Fans dabei wichtig? Bei so Clubauftritten wie heute ist man ja sehr nah aneinander.

Steven: Ja, das ist uns sehr wichtig. Wir sind ja normalerweise, wenn es irgendwie möglich ist, nach der Show direkt am Merch, um mal zu quatschen und ein Bier zu trinken. Viele Leute kennen wir inzwischen auch schon, das sind so Wiederholungstäter. In vielen Regionen kennt man inzwischen die erste und zweite Reihe und sieht, wer schon wieder da ist. Das hat schon was familiäres und ist etwas, was uns sehr am Herzen liegt.

S: Ist es aus eurer Sicht besser, die neue Konstellation, wie heute zum Beispiel, in so einer Clubsituation vorzustellen? Oder wäre ein Festival im Sommer möglicherweise besser gewesen?

Steven: Puh… Ich glaube, da gibt es kein Richtig und kein Falsch. Wenn es geklappt hätte, hätten wir mit Aeva auch auf dem SUMMERBREEZE spielen können. Aber das stand damals noch nicht zur Debatte. Man kann das aber nicht sagen, dass es da einen Status Quo gibt.

S: Ich hab gesehen, ihr seid im Dezember auf einem kleinen Festival …

Steven: Ja, mitte Dezember sind wir in Karlsruhe auf dem Knock Out Festival. Da sind HAMMERFALL mit dabei, POWERWOLF sind mit dabei, DORO, die SINNER-Gang… ein Familienfest. Wird schön. Da freuen wir uns drauf. Das wird so der Jahresabschluss. KISSIN‘ DYNAMITE sind noch dabei. Es wird ein feuchtfröhlicher Abend.

S: Habt ihr denn schon viele Reaktionen auf das Album mitbekommen? So insgesamt, trotz dem Trubel?

Steven: Generell ist „Theater of Dimensions“ ziemlich überall sehr gut angekommen. Ich habe eigentlich nirgends ernsthaft etwas Schlechtes gelesen. Kann sein, dass es mal in irgendeiner True Metal-Zeitschrift nicht so gut angekommen ist, aber generell haben wir eigentlich wenig negative Rückmeldungen bekommen. Die Scheibe wurde, ehrlich gesagt, sehr gelobt. Das ist ja nichts, was du voraussetzen kannst. Wir wussten, wir haben das Beste gegeben, und es ist das beste Album, das wir zu dem Zeitpunkt machen konnten. Aber wie die Leute es draußen dann aufnehmen, wie die Presse es aufnimmt, wie es bei den Fans ankommt, da habe ich keinen Einfluss darauf und daher freut mich das einfach tierisch.

S: Für viele ist es dann ja interessant zu sehen, wie das dann live wirkt.

Steven: Klar, logisch.

S: Macht es euch das einfacher, mit solchen Kritiken zu so einem Album im Rücken wieder weiterzumachen?

Steven: Hm, ja und nein. Wenn du so ein Ding machst, und du hast eigentlich alle Extreme ausgereizt, dann ist es schon schwierig zu sagen: „Wie mache ich jetzt weiter?“. Du kannst ja im Prinzip nur etwas machen, was dem gleich ist. Und wenn du dann noch mit einem Line-Up-Wechsel zu tun hast, gerade mit einer neuen Sängerin, dann muss man das eh abwarten, wie es weitergeht. Es wird immer nach XANDRIA klingen, das steht fest. Es muss jetzt kein Fan Angst haben, dass wir in die Metalcore-Schiene abdriften, mit 8-saitigen Gitarren und dicken Breakdowns mittendrin. Das wird eher weniger passieren. Es wird immer nach XANDRIA klingen, aber wahrscheinlich wird es wieder ein bisschen anders. Aber, ich mein, man hat ja schon diesen Wandel von „Neverworld’s End“ zu „Sacrificium“ zu der „Fire & Ashes“-EP und zum neuen Album. Du hast diesen Wandel immer drin gehabt. Von daher ist das einfach der nächste logische Schritt, der da passieren wird. Ich bin mir auch sicher, dass die Leute es mögen werden, egal, was da raus kommt.

S: Erzwingen kann man ja auch nichts.

Steven: Klar. Mit Marco haben wir ja auch immer noch denselben Songwriter.

S: Das heisst, es ist klar, dass Aeva erstmal wirklich nur Übergangslösung ist, und dann später entschieden wird, was ihr macht.

S: Danach gibts erstmal eine Pause, auch, damit wir uns sammeln können. Dann schauen wir, wie es weitergehen kann, was passt. Ideen haben wir schon jede Menge, was wir machen könnten, und was wir machen müssen.  Aber das ist jetzt alles noch viel zu früh. Wir freuen uns jetzt erstmal auf die Tour und spielen die, und danach gehts weiter.

S: Stört es euch, wenn von außen evtl. viele Fragen kommen, gerade wenn es eine neue CD gibt, und dann so eine wichtige und markante Position wie der Gesang frei wird und sich da Probleme auftun? Ist das verständlich für euch, oder wäre es euch lieber, sowas wirklich intern klären zu können?

Steven: Du, das kennen wir von uns ja auch. Wenn bei meinen Lieblinsbands ein Line-Up-Wechsel stattfindet, frage ich mich auch, „funktioniert das“, „wird das gut“. Fragen darf jeder. Wenn wir gefragt werden, kriegt jeder eine ordentliche Antwort. Am Ende des Tages müssen uns die Leute da vertrauen, dass wir da das Beste draus machen. Und das werden wir.

S: Gibt es denn von eurer Seite etwas, was ihr loswerden wollt und euch momentan wichtig ist, zu sagen?

Steven: Ja, speziell nach den letzten Monaten ist es, denke ich, jedem von uns extrem wichtig, uns zu bedanken bei den Leuten, die uns die Stange gehalten haben, die immer zu den Shows gekommen sind und uns unterstützen, trotz all dem Mist, der in den letzten Monaten passiert ist. Es ist uns ganz ganz wichtig, dass die Leute wissen, dass wir das sehr zu schätzen wissen. Vielen, vielen Dank dafür!

S: Tolles Statement! Viele waren sich ja unsicher, was passiert und wollten die Band ja auch so gut es ging unterstützen.

Steven: Klar. Keiner wusste so richtig, was Masse war. Und kaum war ein Video von gestern Abend im Internet, also… ein wirklich räudiges Handyvideo, kam „Ist ja geil“,“ Das klingt ja voll gut!“, „Das funktioniert!“. Das freut uns.

 

Was ich sagen kann, außer dass auf der Aufnahme zweimal ein verirrter Besucher, der nach der Toilette fragt, drauf ist, dass Steven einen sehr entspannten und offenen Eindruck machte. Er schien sich wirklich auf die Tour zu freuen und keinen Stress wegen der Umbesetzung am Gesang zu haben. Es wurde deutlich, dass es XANDRIA scheinbar wirklich darum geht, den Kontakt zu den Fans nicht zu verlieren und ehrlich zu sein. Die Mitglieder der Band sind sich der Situation bewusst, was ein Line-Up-Wechsel so mit sich bringt und wollen damit aber auch möglichst entspannt und sachlich umgehen. Ich selbst habe sie leider nie mit Dianne van Giersbergen live gesehen, kann aber sagen, dass Aeva ihren Job an dem Abend wirklich gut gemacht hat. Wie es im nächsten Jahr dann weiter geht, wird sich zeigen.

 

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