MONOSPHERE – Zwischen Dinnerparty und Weltuntergang
MONOSPHERE – „Sentience“
Veröffentlichungsdatum: 20. Oktober 2023
Label: Blood Blast Distribution
Dauer: 54 min.
Genre: Progressive Metalcore
Eine der wenigen, in der Popkultur regelmäßig verlässlich verwursteten Storys ist die, dass irgendeine Künstliche Intelligenz ein Eigenleben entwickelt und droht die Menschheit zu vernichten. Die Thematik kennen ältere Semester noch aus Filmen wie Matrix oder Terminator. Jüngere Semester haben zumindest schonmal mit irgendeinem KI Tool irgendeine absurde Bildcollage erstellt, aber von einem Bedrohungszenario durch KI sind wir noch weit entfernt. Oder!? Zumindest die Mainzer Progressive Metalcore-Band MONOSPHERE scheint KI eher weniger über den Weg zu trauen und hat dabei mit „Sentience“ ein dickes Brett abgeliefert, bei dem mehr Genres abwechselnd bedient werden, als auf dem Highfield Festival.
MENSCH GEGEN MASCHINE
Übersetzt man Sentience ins Deutsche erhält man soviel wie Empfindung. Rein inhaltlich wird dahingehend auf besagte KI abgestellt, die scheinbar ein eigenes Empfinden entwickelt und sich dabei aus der vorgegebenen Programmierung befreien will. Vielleicht ist das aber auch nur eine Metapher für Menschen, die aus ihrer sozialen Programmierung ausbrechen wollen? Oder es lässt sich wie bei der Matrix-Triologie eine Sowohl als auch Interpretation anführen, bei der sowohl eine KI die Menschheit als Energiequelle missbraucht und die Emanzipation der Menschen von dieser KI eben auch als Metapher für das Hinterfragen gesellschaftlicher Normen betrachtet werden kann? Nun, was genau uns die fünf Rheinland-Pfälzer sagen wollen – darüber kannst du dir ausführlich beim Empfinden der Musik Gedanken machen, wenn du dir die 54 Minuten der Platte gibst. „Sentience“ ist damit auch deutlich länger als das Vorgängeralbum „The Puppeteer“ von 2021.
ALLES FLIEßT ZUSAMMEN
Bei „Sentience“ lässt sich ohne weiteres sagen, dass der Genre-Stilbruch die Philosophie beim Songwriting gewesen sein muss. Doch von Chaos kann dabei keine Rede sein, da alle Genre und Instrumente harmonisch ineinandergreifen. Egal ob Akustikgitarre, Orgel oder Choreinlage – egal ob schnell oder gemütlich. Der energetische und düstere Post-Metal geht mit den Post Hardcore oder Jazzpassagen („Living Flame“) und derben Breakdowngewitter oder Deathcore Gutturals („Smoke & Wires“) Hand in Hand und der Sound rutscht dabei nie in die dissonante Mathcore-Schiene ab, etwa im Song „Human Disguise“. Musst also „leider“ weiterhin deine alten THE DILLINGER ESCAPE PLAN Scheiben hören. Besonders gut gefallen hat mir der Song „Ava“, der von der Songstruktur sehr an die Andorraner von PERSEFONE erinnert. MONOSPHERE verstehen es geschickt gesetzte Übergänge zwischen den Songs zu setzen, sodass ein stimmiges Gesamtbild die Gehörgänge massiert.
Der avantgardistische Anspruch der Mainzer lässt sich aber nicht nur an der harmonischen Gesamtwirkung ablesen, sondern auch an dem, was man in den einzelnen Genrephasen musikalisch durchlebt. Anders gesagt: es gelingt wenig Bands derart atmosphärisch düstere und heitere Momente zu kombinieren ohne das es nach 00er Myspace-Metalcore by Studioforce klingt. Während du in dem einen Moment noch akustisch auf einer jazzigen Dinnerparty entspannst, bist du im nächsten Moment im Auge eines den Himmel dunkelschwarz färbenden Herbststurms. Der Sound ist also sowohl technisch, kalt, brachial und dann auch wieder ruhig und sanftmütig. Los geht es mit „Preface“ – einem ruhig und Piano-untermalten Introsong, der nach vier Minuten in „Borderline Syndrom“ übergeht und sich hier die geballte Metalcore-Wut entlädt, begleitet von Synthklängen. Gleichzeitig wird eine durch Blastbeats, die an MENTAL CRUELTY erinnern, erzeugte Soundwand hochgezogen, die mit kräftigen Schouting und Leersaitensport gestützt wird. Nach weiteren drei Minuten ist man aber plötzlich auf besagter Dinnerparty. Muss aber ja auch so sein bei einer Band die sich im Progressive Metal angesiedelt hat.
Wenn Prog für dich Life ist, dann ist „Sentience“ für dich Pflicht!
- Als Gast für euch getippt: Dennis
Autorenbewertung
Vorteile
+ mitreisende Atmosphäre
Nachteile
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