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Neoklassischer Rundumschlag

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SYSTOPIA – Tales From The Unknown
Veröffentlichungsdatum: 17.09.2016
Dauer: 58 Min.
Label: Eigenproduktion

Eigentlich fallen meine Erwartungen immer ins Bodenlose, wenn sich eine Power Metal-Band den Klassik- oder Neoklassik-Stempel aufdrückt – zu viel uninspirierten Schrott gibt es in der Richtung. Insbesondere die vielen Italo-Truppen haben dazu beigetragen, dass mit diesem Subgenre gerne einmal belanglos-penetrantes Gedudel mit schlechter Produktion assoziiert wird. Zum Glück rudern die Saarländer von SYSTOPIA (ehemals NEMESIS) hier mächtig dagegen und wollen zeigen, dass es noch Lichtblicke gibt. Pünktlich zur Veröffentlichung des neuen Albums „Tales From The Unknown“ wurde der alte Name ausgetauscht. Ich würde ja jetzt sagen, dass so ein sauberer Schnitt Eier braucht, würde damit aber Frontfrau Rubina Amaranth Unrecht tun.

An dieser Stelle seien noch einmal sinkende Erwartungen genannt, ich kann die meisten Female-Fronted-Truppen einfach nicht ab. Anders sieht es in diesem Fall aus, denn die Dame am Mikrofon weiß eindeutig, was sie da macht. Der Gesang fällt variabel und kraftvoll aus, nervt nicht durch ununterbrochenes Beackern schmerzhaft hoher Tonlagen und drückt der Musik darüber hinaus einen eigenen Stempel auf. Über jeden Zweifel erhaben ist auch das Drumming: Bei den Aufnahmen ist nämlich Tausendsassa Alex Landenburg (als wäre er noch nicht aktiv genug: MEKONG DELTA, LUCA TURILLI’S RHAPSODY, 21 OCTAYNE) eingesprungen, da der aktuelle Trommler Mark Schwulera zu dem Zeitpunkt erst zur Band gestoßen ist. Folglich sind die Drums durchgehend auf den Punkt gebracht und lassen immer wieder durch nette Spielereien abseits der Standards aufhorchen – eine nicht zu unterschätzende Bereicherung!

Beginnt das Album nach dem Intro „The Harbringer“ gleich mit einem Brecher der Marke „Erst zeigen wir die Marschrichtung auf, dann brettern wir feste los!“ in Form von „Autumn Storm“, folgen später auch gedrosseltere Songs und mit „Words Unspoken“ auch die obligatorische Ballade. Letztere ist handwerklich erwartungsgemäß stabil umgesetzt, zugleich aber auch erschreckend kitschig. Dabei umschifft der Rest des Albums den Kitsch-Faktor eigentlich ganz gut, „Words Unspoken“ reißt hier ziemlich aus. Während das Album stark und rasant beginnt, unterwegs mit „Sign Of The Triskelion“ auch einen facettenreichen Ohrwurm inmitten der Genre-Schnittmenge mitbringt, tut sich nach dem harten und daher gefälligen „Into The Abyss“ eine gewisse Länge auf. Kein Wunder: Die Songs kleben fast durchgehend an der Sechs-Minuten-Marke.

Während die starke Produktion und das handwerkliche Können der Truppe restlos überzeugen und gerade dadurch schon eine erfrischende Bereicherung für den neoklassischen Power Metal darstellen, fehlt dem Songwriting noch die letzte Konsequenz. Im Schnitt sind die Titel – genau wie das Album an sich – eine Kleinigkeit zu lang, darüber hinaus wären ein paar Singalong-Refrains gut, um Kontraste zu setzen. So lässt sich „Tales From The Unknown“ zwar richtig gut hören, aber es dauert doch eine ganze Weile, bis wirklich was hängenbleibt.

Autorenbewertung

7
Obwohl SYSTOPIA das Rad nicht neu erfinden, klingt ihre Musik nicht wie der tausendste Aufguss von Altbekanntem – allein dadurch hat die Truppe schon eine internationale Daseinsberechtigung im heutigen Power Metal. Mit zwingenderen und kompakteren Songs für zwischendurch sollte noch ein ordentlicher Sprung nach vorne drin sein.
ø 0 / 5 bei 0 Benutzerbewertungen
7 / 10 Punkten

Vorteile

+ starke Produktion
+ überzeugende Leistung der einzelnen Musiker
+ macht schlicht und ergreifend Spaß
+ hebt sich erfrischend von anderen Genre-Veröffentlichungen ab

Nachteile

- ab einem bestimmten Punkt langatmig
- ein zu tiefer Tauchgang in kitschige Gewässer

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