NEVER SAY DIE TOUR 2018 – Das Finale in Leipzig
Seit ich in Leipzig wohne, genieße ich es regelrecht, wie einfach es hier ist, Szene-Konzerte zu besuchen. Ich steige vor meiner Haustür in die Bahn und bin in maximal einer 3/4 Stunde da, wo ich hin will. Das waren zu Beginn Events aus dem düsteren Bereich (wo sonst, wenn nicht hier), und sind seit geraumer Zeit nun eben die Geschichten, die ich für Silence missbrauchen darf. Ihr müsst wissen, ich stamme aus einer eher ländlichen Gegend, von der aus man gerne mal mindestens (!) eine Stunde Autofahrt in Kauf nehmen musste, um vernünftige Konzerte zu besuchen. Helene und Co. gab es aber reichlich…
Egal, wir schreiben den 24. November, es ist 16:24 Uhr und ich steige in besagte Bahn Richtung Felsenkeller, in welchem heute das letzte Konzert der NEVER SAY DIE TOUR 2018 stattfindet. Das ist eine Reihe von Gigs mit ausgewählten Bands unter der Flagge von Impericon. Nach kurzer Wartezeit öffnen sich pünktlich um 17:00 Uhr die Türen. Also begeben meine knipsende Begleitung und ich uns zur „Rezeption“, wo wir freundlich empfangen werden und unseren Fotopass bekommen. Die Garderobe befindet sich im Keller, was uns wegen Dunkelheit und eventuellen Spätfolgen schmunzeln lässt. Auch hier läuft alles reibungslos.
Also den Konzertsaal betreten, etwas zu trinken jagen und die Räumlichkeiten bewundern. Gerade für Menschen wie mich, die den Pit eher scheuen und lieber am Rand Platz suchen, ist es hier perfekt. Es gibt nämlich rund um den Bereich vor der Bühne eine abgetrennte Anhöhe, auf der sich Bars und der Merch befinden. Großartig! Dort suche ich mir also meinen Platz und stehe jetzt in ideal-kurzer Entfernung zur Bühne, kann alles überblicken und habe eine fantastische Sicht. Außerdem kann ich absolut ungestört meine Notizen machen. Komfortabler geht’s praktisch nicht.
Na dann mal los!
17:30 Uhr: THOUSANDS BELOW eröffnen den Abend. Als sie die Bühne entern, ist die Halle noch recht überschaubar gefüllt. Das macht sich leider auch im Sound bemerkbar, denn man kann noch deutlichen Hall vernehmen. Auch die Menschen sind noch nicht so recht in Feierlaune, lassen sich aber im Laufe des Auftritts noch gut anheizen. Es kommt sogar zu einem ersten, wenn auch ziemlich kleinen Circle Pit. Auf Nachfragen des Sängers scheinen die Meisten wohl wegen BEING AS AN OCEAN da zu sein. Aber spätestens beim Gastauftritt des NORTHLANE-Frontmannes ist das Eis geschmolzen und nach den knapp 30 Minuten verspürt man Party. Dies ist übrigens die erste von 3 Bands, die ich heute Abend zum ersten Mal höre und sehe. Hat mich leider nicht vollends überzeugt, waren aber ein gelungener Opener.
18:07 Uhr: CURRENTS dürfen da weiter machen, wo die Vorband aufgehört hat. Und wie sie das tun! Ich bin definitiv einer der Wenigen, die die Band nicht kennen. Das merkt man vom ersten Ton an. Die mittlerweile gut gefüllte Halle geht ab Sekunde 1 ab und feiert die Band ordentlich. Moshpits und eine, für die Breite der Location ansehnliche Wall Of Death kann ich von meinem gemütlichen Platz aus gut beobachten. Was die Band da aber auch abliefert, meine Fresse!
Die Screams des Frontmannes sind markerschütternd, und was die Gitarristen so mit ihren Instrumenten anstellen, ist beeindruckend. Als dann plötzlich THOUSANDS BELOW nochmal komplett mit auf der Bühne stehen und damit den Sound quasi verdreifachen, gibt es nirgends mehr Stillstehen, wow! Hier hätte ich gern noch länger zugehört. Während ich diese Zeilen hier tippe, lausche ich übrigens der gesamten, gekauften Diskographie der Band. Ihr seht also, da wurde Eindruck hinterlassen.
18:48 Uhr: Mein Unbekanntling Nr. 3 begibt sich auf die Bretter, die heute für alle Anwesenden die Welt bedeuten. POLAR hatte ich zwar irgendwo schon aufgeschnappt, aber nicht bewusst. Ihr kennt das – es gibt einfach zu viel gute Musik. Die Stimmung ist mittlerweile da, wo sie hin soll und die Band wird direkt mit Mitsingen und Klatschen empfangen. Ich merke, ich stehe wieder ziemlich allein da mit meiner Unwissenheit. Macht aber nix, schließlich werde ich auch von diesen Herren positiv überrascht.
Es entstehen wieder ordentliche Circles, die ersten Crowdsurfer lassen sich blicken, und auch der Gitarrist lässt sich erfolgreich von den ersten Reihen tragen, während er sein Spiel fortsetzt. Muss man auch erstmal können. Stimmlich bin ich zwar nicht ganz überzeugt, aber der extrem guten Laune, die POLAR verbreitet, tut das keinen Abbruch. Die Band weiß, ihre Fans mitzuziehen und neue zu gewinnen.
19:33 Uhr: Es wird speziell. CASEY sind eine von 2 Ausnahmebands heute Abend. Warum? Weil ihre Musik eben nicht die typische Moshpit-Headbang-Version des Genres ist. Eher der melancholische Part. Dennoch konnte ich bereits einige Shirts, Mützen und Taschen mit dem Bandnamen im Publikum ausmachen. Mich persönlich freut diese Mischung sehr, und ich war auch echt gespannt, wie sie funktionieren wird. Sehr gut sogar! Das merkt auch die Band und bedankt sich herzlich dafür, denn man sei sich der Situation durchaus bewusst, dass CASEY eben anders ist.
Ich kann mir vorstellen, dass Nichtkenner skeptisch gelauscht haben, als die bandtypischen Spoken-Word Einlagen erklangen, oder man eben nur minimalste Momente zum Abzappeln hat. Nach dem tobenden Applaus zu urteilen, ist die Resonanz aber sehr positiv. Ich mag die Musik sowieso, also gibt’s von meiner Seite aus absolut keinen Grund zur Klage. Höchstens ein Schmunzeln ob des Kleidungsstils des Sängers. Der sieht nämlich aus, als sei er gerade aus dem Bett auf die Bühne gekommen. Pyjama-Hose mit Faultiermuster und weißes Schlabbershirt ist schon irgendwie sympathisch, kann nicht jeder tragen.
Bevor es nun mit der nächsten Band weitergeht, betritt Johnny Boucher die Bühne, Gründer von HOPE FOR THE DAY, einem Verein zur Suizidprävention aus Amerika und Partner der Tour. NEVER SAY DIE könnte somit kaum treffender sein. Johnny erklärt dem Publikum, wie wichtig das Thema ist und welche Arbeit der Verein leistet und erfährt Gegenliebe auf ganzer Linie. Ein wirklich bewegender Moment. Vor Ort gibt es Infostände, für euch auch gern hier. It’s Ok not to be Ok!
20:20 Uhr: Passend zu den Außentemperaturen erscheinen nun ALAZKA. Von kalter Stimmung kann aber keinesfalls die Rede sein, denn die Band steht für mitreißende Liveshows. Das kann ich selbst aus doppelter Erfahrung bestätigen. Interessant ist besonders die Entwicklung seit dem letzten von mir besuchten Konzert. Kaz brilliert nun nicht nur mit seinen unverkennbaren Cleans, er schreit auch gern mal mit. Das hat mich wirklich überrascht und wirkt auch sehr erfrischend.
Ansonsten bekomme ich, was ich erwartet habe: Gänsehaut. Und nochmal. Und nochmal. Sorry, ich muss an der Stelle mal den Fanboy raushängen lassen. Und ja, ich mochte sie auch schon vor der Namensänderung, die den Umbruch brachte. Für Fans der ersten Stunde gab es auch wieder einen Song von „Values & Virtues“. Dass ich nicht der einzige Anhänger bin, beweisen die zahlreichen textsicheren Mitsänger, Crowdsurfer und eine Sitzlaola durch die gesamte Halle. Hübsch. Ein Gastauftritt von NORTHLANE weiß natürlich auch jeden zu begeistern.
Kleine Randnotiz: In dieser Umbaupause läuft während der Hintergrundbeschallung „One Step Closer“. Schön, dass hier von fast allen mitgesungen wird. Es sind auch mal so kleine Dinge, die mich erfreuen. Fanboymoment Nummer 2 – Check!
21:10 Uhr: Zeit für eine ordentliche Portion Druck! NORTHLANE reißen förmlich direkt die Halle ab. Mit eigenem Backdrop (bisher zierte das Logo der Tour den Hintergrund) und einem dermaßen starken Sound hält es niemanden mehr an seinem Platz. Die ganze Menge ist plötzlich wie von der Tarantel gestochen in Bewegung. Der Mann am Tonmischer weiß ganz genau, was er da tut und holt das Letzte aus der Anlage. Die Energie, die die Band versprüht, steckt einfach jeden an, und die eigens errichtete Lichtanlage unterstützt das Spektakel perfekt.
Eine solche Power habe ich bisher wirklich noch nicht oft gesehen. Wie bei den Kollegen vorher gibt es auch hier wieder Gastauftritte. Aber nicht nur einen, nein, von jeder der anderen Acts findet sich mal ein Musiker auf der Bühne. Entweder am Mikrofon, oder um mal den Gitarristen abzulösen. Es ist einfach genial mit anzusehen, wie sich die Bands hier gegenseitig feiern. Diese Atmosphäre ist es auch, die den Abend bisher schon so besonders gemacht hat. Stark!
22:18 Uhr: So schnell neigt sich der Abend auch schon dem Ende zu und mit BEING AS AN OCEAN startet nun die letzte Band, die besagte zweite Ausnahme. Mit dezenten 3 Minuten auch die einzige, kleine Verspätung. Alle anderen begannen pünktlich bzw. sogar eher. Das spricht für eine wirklich saubere Orga. Außerdem nehme ich auch zum ersten Mal heute Technikprobleme wahr, denn das Mikrofon für die Cleans ist zu Beginn viel zu leise bis kaum hörbar. Das Problem wird aber schnell behoben. Auch bei der Band bin ich ziemlich skeptisch, denn deren letztes Album „Waiting For Morning To Come“ ist schon sehr experimentell. Gerade auf die ruhigen Songs bin ich gespannt.
Doch siehe da, ein grandioses Werk wie „Black & Blue“ wird live perfekt umgesetzt und überall mit neuen Elementen angereichert. Ich schreibe meine Notizen und plötzlich shoutet sich jemand im Laufschritt an mir vorbei. Joel zieht das auch eine ganze Weile durch und findet sich mal hier, mal da im Publikum wieder, inklusive Mikrofronständer. Dass das den Fans gefällt und eine ganz besondere Stimmung verbreitet, muss ich nicht näher beschreiben, oder? Auf das Videomaterial der Band bin ich übrigens auch gespannt, denn der Kameramann wird mal eben als Crowdsurfer über die Menge geschickt. Alles in allem ein cooler Abschluss eines wirklich gelungenen Abends.
Fazit und Rundherum
In meinem Vorbericht schrieb ich ja vom „kleinen Bruder des Impericon Festivals“, das würde ich auch so unterschreiben, allerdings spielt die NEVER SAY DIE TOUR auf einer ganz anderen Ebene. Zum einen ist es natürlich eine Clubtour, was zB. kein Vergleich zur Leipziger Messe ist. Zum anderen wird hier aber mit „nur“ 7 Bands eine derart stimmige Mischung geboten, wie sie manch großes Festival nicht besser machen könnte.
Ich habe im Vorfeld Kommentare gelesen wie „zu weiches Line Up“, oder „früher war es besser und härter“. Das mag eventuell auf das gesamte Line Up zutreffen, aber was ich im Felsenkeller erlebt habe, lässt eigentlich keine Wünsche offen. Und gerade für „härter“ war doch mit CURRENTS und NORTHLANE definitiv Futter dabei. Die Organisation war wie schon beim „großen Bruder“ absolut top! Da können sich andere Veranstalter noch einige Tipps abholen. Ein Highlight zum Schluss war dann die Versammlung aller Bands zur Verabschiedung. Man konnte sehen, welch freundschaftliches Verhältnis zwischen allen entstanden ist, und wie schade es ist, dass die Tour nun vorbei ist. Das war schon irgendwie rührend. Diesen Abend werde ich noch lange im Kopf behalten.
Meine in der Einleitung erwähnte Begleitung war übrigens meine gute Freundin Ju. Sie ist Hobbyfotografin und hat mir mit ihrer reifen Leistung im Fotograben wirklich sehr geholfen. An der Stelle ein fettes DANKE, haste fein gemacht! Alleine wären höchstens ein paar gut gemeinte Handybilder rausgekommen. Schaut gerne mal auf ihrem Instagramkanal vorbei!
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3 Kommentare
[…] letzten Jahres bei der Never Say Die Tour in Leipzig. Ich erlebe POLAR, eine mir bis dahin unbekannte Band, die ordentlich Stimmung […]
Cooler Bericht, das Ganze erinnert mich irgendwie an das Tourfinale von Caliban, Suicide Silence, und Any Given Day, auf dem ich 2016 war, da sind auch ständig Musiker der anderen Bands auf die Bühne gekommen.
Und das mit dem „zu weichen Line-Up“ ist glaub ich Standard, dieselbe Kritik hab ich auch schon 2017 gehört, weil das Line-Up damals im Vergleich zum Vorjahr viel weniger deathcore-lastig war, aber ich bin dann einfach trotzdem hingegangen, und hab es kein bisschen bereut. Keine Ahnung, ob du Emmure schon mal live gesehen hast, aber was ich erlebt habe, war die totale Zerstörung!
Danke für‘s Feedback, freut mich!
Man kann ja auch nicht immer das selbe Line Up fahren. Große Festivals in meiner „Wurzelszene“ tun das, und ich ignoriere es nur noch, weil gelangweilt. Dann doch lieber immer was Frisches 🙂
Emmure stehen noch auf meiner Liste 😉