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NIDINGR spielen alle an die Wand
NIDINGR – The High Heat Licks Against Heaven
Veröffentlichungsdatum: 10.02.2017
Länge: 41:43 Min.
Label: Indie Recordings
Stil: Black Metal / Death Metal
Um eins klar zu stellen, ja, das Cover dieses Albums wurde vom selben Künstler illustriert, der auch AMORPHIS‚ neueste Scheibe verzieren durfte. Wenn also irgendjemand in die Kommentare schreibt, dass ihn das Albumcover an „Under The Red Cloud“ erinnert, dann setzt es was. Leider ist das Artwork viel schöner als das, was der derzeitige MAYHEM-Gitarrist Teloch hier musikalisch abliefert. Dieser werte Herr hat nicht nur ein beeindruckendes Portfolio im Black Metal (GORGOROTH, 1349, OV HELL) vorzuweisen. Er und weitere Mitglieder von NIDINGR schrieben die Musik für Lars-Ole Walburgs Inszenierung von Bertolt Brechts “Mutter Courage und ihre Kinder”. Der Mann scheint sich nicht zu beschränken und seine Band tut es ihm gleich.
Was von außen vielleicht als langweiliger, eintöniger Black Metal abgestempelt werden könnte, offenbart sich bereits nach ein paar Minuten als ein Projekt mit Weitsicht. Die Gruppe macht viele Schritte nach vorne, was in ihrem Songwriting und den an Mathcore und Jazz angelehnten Teilen in ihrer Musik begründet ist. NIDINGR verliert sich oft da, wohin sich die alten Urgesteine des Black Metals nie verirrt hätten. Jedoch ist der Bezug zu ihren größten Einflüssen omnipräsent. Melodisch, post-rockig und ohne viel Druck zu agieren, scheint ein Teil des Erwachsenwerdens zu sein. Es erinnert ohnehin an den gereiften IHSAHN von EMPEROR. Ist das nun die Endform von Black Metal oder nur wabernde Musik ohne greifbare Höhepunkte?
Der komplexe Mix aus Black und Death Metal hört sich oft so an, als hätte man BEHEMOTH zu einer Punk-Band gemacht. Wer polierte und einwandfrei abgemischte Sounds wie bei Nergal und Co. erwartet, wird hier nämlich bitter enttäuscht – was jedoch ein Pluspunkt ist. Viel weniger punkig sind die bohrenden Riffs und progressive Wechsel des Metrums und der Rhythmik. Auch wenn ich schon so oft Mathcore zum Vergleich für solche Sachen herangezogen habe, dass es mich langsam selbst ankotzt, passt es wie die Faust aufs Auge.
Eine progressive Black-Metal-Band also?
In diesem Punkt entpuppen sich NIDINGR als Meister der Täuschung, vor allem durch ihre langweiligen Songstrukturen, die sich allesamt hinter dem Deckmantel der Komplexität und der Feinheiten verstecken. Kann man machen, würde da der Prog-Fan in mir sagen. Aber doomige Black-Metal-Ausflüge wie „The Ballad Of Hamther“ – passender Name übrigens – zaubern mir höchstens ein Gähnen ins Gesicht.
Beim Gesang greift dann wohl der persönliche Geschmack. Dem gefällt auch der Sprechgesang auf „Surtr“ überhaupt nicht. Sehr eintönige Gesangsmelodien zahlen sich beim Black Metal ja eigentlich aus, wenn man denn überhaupt einen vernünftigen Schrei aus dem Hals bekommt. Leider scheint der Frosch im Hals des Frontmannes ihn davon abzuhalten, je einen aufregenden Moment zu erzwingen. Dass er dabei nie auch nur einen hohen Scream einsetzt, sei mal so dahingestellt. „On Dead Body Shore“ sorgte fast dafür, dass ich abschalten wollte, aber dann fiel mir ein wichtiger Punkt ein. Sich grässlich anzuhören ist eine Qualität, die sich bei vielen Death- und Black-Metal-Urgesteinen immer gehalten hat. Egal ob wir nun von MAYHEMs Attila oder einem beliebigen, anderen Sänger reden, die verzweifelten Schreie sollten immer mehr schockieren als der Verwöhnung der Ohren dienen. Trotzdem klingt dieser krampfhafte Versuch äußerst langweilig. Lediglich die Texte stammen alle aus der Prosa-Edda und handeln von skandinavischen Göttern und Helden. Der Inhalt begeistert also mehr als die Umsetzung.
Exponentieller Spannungsabfall
Der Rest der Band verirrt sich während der Abwesenheit ihres quäkenden Anführers oft in Gefilden, die so gar nicht zu ihnen passen wollen. „Gleipnir“ und „Ash Yggdrasil“ sind nur zwei Beispiele dafür, dass man mit erzwungener Ruhe keine dem Gesamtpaket dienliche Atmosphäre erzwingen kann. Letzteres wurde mit der Hilfe von Germ (ULVER) vertont. Mit der angestrebten Dunkelheit hat die Atmosphäre jedoch nicht viel zu tun und enttäuscht umso mehr.
Egal wie viel Druck die ersten Songs versprechen, ihr solltet nicht die Spannungskurve untersuchen. Durch die sich ständig wiederholenden Songstrukturen bei den schnellen und langsamen Songs zugleich, verschwindet jeglicher Wiedererkennungsfaktor schnell im Hintergrund. Und mit der vorgegaukelten Stimmung, die durch technische Spielereien und seichte Klänge gleichermaßen erzeugt wurde, spielt sich NIDINGR letztendlich selbst an die Wand. Ein exponentieller Spannungsabfall nimmt direkt nach dem ersten Lied seinen Lauf. Das kann auch der Gesang von MYRKUR auf dem letzten Lied nicht mehr retten. Ganz im Gegenteil, der Gesang kommt folkigen Mittelalterrock-Zusammenschlüssen gleich, die ich lieber aus meinem musikalischen Gedächtnis löschen würde. Hoffentlich zwingt mich niemand, nach dieser Review ELUVEITIE oder ähnlichen Stuss zu hören.
Autorenbewertung
Vorteile
+ Einflüsse aus vielen anderen Subgenres
+ roh klingende Instrumentalisierung
Nachteile
- das Album zieht sich in die Länge
- nach den ersten drei Songs hat man bereits alles gehört, was NIDINGR besonders machen soll
- Höhepunkte fallen dadurch weg
- vorgegaukelte Atmosphäre
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