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Niedergörsdorf statt Kreuzberg – ein O(i)pen-Air-Konzert in Brandenburg!

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Das letzte Konzert ist schon 2 Wochen her! Das ist in Coronazeiten nicht viel, aber rechtfertigt ansonsten durchaus einen gewissen Entzug . Ebenfalls Corona sorgte dafür, daß ein Konzert aus dem April in Berlin nun in den September auf das (ehemalige) Gelände vom Spirit Festival verlegt wurde. Und gute Connections unter Plattensammlern sorgten wiederum dafür, daß der Autor für sich und die üblich trinkfeste Konzertbegleitung noch 2 Karten für das eigentlich ausverkaufte Spektakel ergattern konnte.

Erst die Arbeit dann das Vergnügen!

Und so treffen wir uns nach der Arbeit Freitag. Dann haben wir das Glück noch vorzüglich bekocht zu werden, bevor wir uns ins Auto stürzen, denn es liegen 1,5 Stunden Fahrt vor uns. Wir starten natürlich zu spät. Und dann passiert der immerwiederkehrende Klassiker: Auch nach unzähligen Besuchen auf dem Gelände verfahre ich mich trotz Navi jedes zweite Mal wieder… Dieses Mal erreichten wir eine mit komplett unbekannte Stelle und müssen dann noch einmal mit der Kirche ums Dorf.

Erst 45 Minuten nach offiziellem Beginn sind wir endlich angekommen. Und so gehen wir Banausen recht positiv gestimmt davon aus, daß die erste, namentlich nicht erwähnte, Band bereits gespielt hat. Das sollte sich als Folgenschwerer Irrtum herausstellen! Aber wir genießen die frische Luft, verkosten mitgebrachte Getränke und passieren dann den Einlass. Hier wird neben Tickets auch noch eine unterschriebene Tagesordnung für die Veranstaltung verlangt. Darauf tauchen sowohl die persönlichen Daten auf, als auch Belehrungen über die entsprechenden Corona Maßnahmen.

Mit Abstand, Anstand und guten Ideen

Hier hatte man sich also vorbildlich gekümmert! Alle Wege waren gekennzeichnet, es gibt überall ein Einbahnstraßensystem zu den Ständen und Toiletten und das Gelände bietet pro Besucher ca. 10qm Fläche um Abstand von den anderen Besuchern zu halten. Auch der MNS wird aktiv kontrolliert. Es ist also vorgesorgt, und es wird vom Publikum auch relativ gut mitgezogen… Naja, was man in dem Rahmen eben erwarten kann 😉

Die unbekannten One-Hit-Wonder?

Nach einer kurzen Erkundung stellen wir dann fest, dass die erste Band nun erst die Bühne entern sollte. Ohne sich vorzustellen, legt diese auch gleich los. Jetzt ist es ja so, daß man lieber gar nichts sagen soll, wenn man nichts Gutes sagen kann. Es war wirklich, wirklich nicht schön! Alle Lieder drehen sich thematisch um Wochentage, wobei die Krönung ein grauenhaft gedenglischtes „Dönerstag forever“ darstellt. Und mir dabei auch auf alle Zeiten der Ska versaut wird, denn auf den klassischen Ska-Offbeat wird hier dann „Döner – Kebap“ gesungen. Nicht falsch verstehen, ich liebe Döner! Aber der ganze Auftritt verursacht mir leider Gottes körperliches Unbehagen. Und für die etwas speziellen Liedinhalte werden wir durch die weibliche Stimme und die nicht unbedingt synchronen Instrumente nicht gerade entschädigt.

Irgendwann ist der Spuk vorbei, man verzeihe mir die harten Worte, und wir verpflegen uns erstmal entsprechend. Währenddessen reflektieren auf der Bühne schon wohlbekannte kahle Köpfe das Scheinwerferlicht. Denn die beiden – gleichwertigen – Hauptacts des Abends sind jetzt dran.

Halli-Hallo Hallunken – die Zeit ist wieder reif!

Zuerst betreten die Berliner Prollpoeten von BERLINER WEISSE die Bühne. Deren Frontmann Toifel bringt ein in der Szene absolut unverkennbares Stimmorgan zum Einsatz! Die Jungs sind fester Szenebestandteil, und überall da zu finden wo es reichlich Bier, Pfeffi und keine Idioten gibt! Und dieses Mal wird mit froher Kunde gestartet, denn man arbeitet fleißig am neuen Album, was mich natürlich sehr freut!

Und es gehr genauso gut weiter, denn die Herren zeigen sich bester Laune. Es wird – vom Bassisten mal abgesehen – kurzärmlig den sibirschen Winden getrotzt, die über das Brandenburger Flachland fegten.

Zum Start gibt es eines der neuen Lieder, und danach folgt dann ein breites Repertoire an Gassenhauern. Von „High Five“ und „Albtraum“ über „S.S.L.L.H.H“ bis zu (hang on) „Schlüpfer“ und „Nie wieder Jägermeister“ gibt es so aus allen Schaffensperioden etwas lang vermisstes Futter für die Ohren.

Und auch die Coverabteilung wird reichlich bedient! Neben den immer präsenten „König von Deutschland“ von RIO REISER und „Die Eine“ von DIE FIRMA gibt es heute auch noch die „Blume“ von den BROILERS und zur besonderen Freude des Publikums „Wir sind die Skins“ von LOIKAEMIE zu hören. Eine insgesamt sehr feine und kurzweilige Mischung, dazu viel gute Laune von der Bühne. Und zwischendrin auch eine klare Kante zu aktuellen Themen wie zum Beispiel den Großdemonstrationen in Berlin, denen dann „Arschloch bleibt Arschloch“ gewidmet wird.

Ein sehr guter Auftritt den die Jungs abgeliefern und der auch deutlich zeigt, das sie froh waren wieder mal auf die Bühne zu können!

„Bernau Punkrock League“

Nach einer weiteren kleinen Pause, ein wenig Sightseeing auf dem weitläufigen Gelände und vorallem dem Begutachten verschiedener Zustände des menschlichen Verfalls nach Alkoholgenuss, folgt dann die zweite Hauptband des Abends. Auch aus dem Berliner Umfeld kommen nun OXO 86 auf die Bühne. Nachdem bei den Vorgängern vorher 3 Flaschen Pfeffi auf die Bühne gebracht wurden, kommen OXO direkt selbst mit einer Flasche Whisky, Bier und Sekt auf die Bretter die die Welt bedeuten. Die Zeichen stehen also auf Sturm, im positiven Sinne.

Und hui, da geht es ab! „Rien ne VA plus“ läutet dann eine feine Sause ein! Die Herren (für Jungs sind die zu alt) aus Bernau haben aber mal wieder so einen richtig guten Tag. Gerade erst wurde das letztjährige Konzert aus dem Leipziger Conne Island (wir berichteten: https://silence-magazin.de/gewohnheitstrinker-oxo-86-leipzig-konzert) als DVD+Live-Album angekündigt, legt man heute wieder mal eine richtig flotte Sohle aufs Parkett! Und als wenn die Band nicht ohnehin schon als völlig unbekümmerter und grundsympatischer Gute-Laune-Act bekannt ist, legen sie heute gleich nochmal eine Schippe drauf.

Neben allerlei Frotzeleien mit BERLINER WEISSE und einem wundervollen Duett mit Toifel („Hast du gerade auf deinem Handy den Text angemacht um den abzulesen? Was für eine Demütigung!“) gibt es etliche kleine nette Anekdoten auf der Bühne, die uns das Gefühl geben nicht nur anonym vor der Bühne zu stehen, sondern eher Teil einer sehr coolen Bandprobe und ganz nahe dran zu sein. Egal ob der 4 mal aufgrund völlig verschiedener Einsätze versemmelte Beginn eines Liedes, der darin gipfelt das der Sänger nach den Worten „lasst mich, ich mach das jetzt alleine“ nach 3 Tönen von denen 2 falsch waren lachend mit dem Kopf auf dem Keyboard hängt. Oder auch, daß mitten in der Ansage plötzlich Gitarrist und Trompeter meinen pinkeln gehen zu müssen.

„Halt Stopp…. Das müssen wir nochmal spielen, hier war ALLES falsch!“

Es gibt einfach viele sympathisch-bodenständige Momente, in denen man merkt wieviel Spaß die Band auf der Bühne hat und wie sehr sie es genießt wieder dort zu stehen. Umgekehrt ist das Publikum äußerst begeisterungsfähig und nimmt sowohl die sehr gute Liedauswahl als auch die kleinen Zwischenspiele mit großem Applaus und viel Engagement auf. Positiv auch hier zu bemerken ist, daß immer wieder auf Maske tragen und ein wenig Abstand hingewiesen wird. Natürlich auch das mit einem Augenzwinkern, denn: „So ein Skinhead mit Maske ist wie ein halb ausgepacktes Überraschungsei, geheimnisvoll und immer was zum spielen“!

Und so kommen dann etliche Lieder, die die Kehlen strapazieren und zum ausgiebigen Tanzen einladen. Von „Schade“ über die Ode an die „Kalorienqueen“, die Dame von Format, bis hin zu „Working class heroes“, „Bier und Reggae“, „Kommen sehen und singen“, „Alles im Eimer“, „Ein guter Tropfen“ und gegen Ende natürlich auch „wenn Könige reisen“ (nach einem Heiratsantrag auf der Bühne). Ein rundum gelungenes Programm, das auch hier aus allen Schaffensphasen Stücke präsentiert und dem Publikum vor der Bühne die letzten Reserven abverlangt!

Fazit

Was soll man groß drumherum reden: Der Abend ist Balsam für die Seele! Und das sicherlich nicht nur für uns Zuschauer, sondern auch spürbar für die Bands und Beteiligten! Aufgrund der Größe und Zuschauerbeschränkung, ich schätze das es vielleicht 600/700 Gäste waren, wird hier sicher niemand etwas dran verdient haben. Aber es haben alle viel aus diesem Abend mitgenommen! Überall glückliche Gesichter, ausgelassene Bandmitglieder auf der Bühne und einfach ein wenig prä-corona-Feeling das sich einstellt. Ich schätze das Engagement und die Risikobereitschaft der Organisatoren in diesen Zeiten enorm! Diese kleinen Lichtblicke sind wie Oasen der Normalität in diesen wirren Zeiten! Und es ist eben, mit OXO’s Worten „Endlich wieder Festival“ Einfach DANKE dafür!


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