Nutten, Metal und Tanzverbot – Rant!

Es ist Ostern! Der perfekte Zeitpunkt also sich über Religion, Traditionshasen und natürlich Nutten Gedanken zu machen.

Hier die Story:

Metal-Band fährt sieben Stunden von Köln nach Hamburg – mit dem Ziel, in einer kleinen Bar für eine bescheidene Gage 35 Minuten Musik zu machen. Es ist Freitag, der 29. März 2018. Osterstau und Regen beschweren die Hinreise um einiges; aber das ist egal, man macht ja Musik der Kunst wegen, und nicht zuletzt aus Überzeugung und Spaß an der Freude. Und die drei gratis Bier pro Kopf sind doch auch was.

Nach Aufbau der Instrumente und 20 Minuten Soundcheck geht es dann irgendwann los. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich sogar schon ca. zehn Leute im Raum, die nicht zu den anderen zwei Bands gehören. Zwei oder drei davon sehen sogar aus, als wären sie tatsächlich wegen der Musik hergekommen (Und nicht nur, weil sie kurz die Toilette benutzen wollten).

Zweite Band legt los. Coole Mucke, motivierte Musiker, ähnliche Publikumssituation. Gegen Ende des Sets passiert es dann: Das Kneipenpersonal kommt plötzlich nach vorn zur Bühne und gibt zu erkennen, dass die Polizei da sei und das Konzert sofort ein Ende zu finden habe. Karfreitag, Tanzverbot! Es wird sich brav dem System gefügt, und vorbei ist der Gig. Die Auftritte meiner Band und unserer Nachfolger hat das gottseidank kaum bis gar nicht beeinträchtigt. Dumm nur für den Haupt-Act des Abends: Die Jungs kommen aus Bayern, sind auf Album-Release-Tour und haben zudem den Großteil des Equipments gestellt – all dies, um dann im Endeffekt nicht spielen zu dürfen.

Schlechte Organisation? Man hätte wissen sollen, dass an Karfreitag Tanzverbot herrscht? Ja. Hätte man, vielleicht …

Aber kommen wir zu den Details. Besagte Kneipe befindet sich direkt an der Reeperbahn. Ja, der Reeperbahn, der europaweit bekannten Puffmeile mitten in Hamburg. Tausende Nachtclubs mit lauter Discomusik, riesige Bilder von Brüsten soweit das Auge reicht. Keine fünf Quadratmeter, auf denen nicht mindestens eine Prostituierte mit hautengen Leggings und betonendem bis enthüllendem Oberteil rumsteht (so gut das beschissene Wetter dies zulässt). Besoffene und anderwärtig benebelte Menschen an jeder Ecke. Auf dem Boden neben den Clubs liegen Obdachlose, die den vorbeigehenden Menschen unverständliches Zeug hinterherbrüllen. Ein wahrer Wonnepfuhl christlicher Werte also! Der perfekte Ort, um gerade einer Handvoll braver Musiker in einer kleinen Kneipe aufgrund veralteter, an Kirche gebundener Gesetze zu verbieten, ein paar Stunden lang ihren Job zu machen.

Willkommen im christlichsten Viertel Deutschlands!

Um es mit den Worten eines Freundes aus Hamburg auszudrücken:

„Dass die Polizei ein Konzert abbrechen lässt, weil an Karfreitag Tanzverbot herrscht, finde ich als ungläubiger Besucher eher mittelwitzig. Dass ein paar Meter weiter die Nutten patrouillieren ist aber eine Farce, die das ganze fast schon wieder witzig macht. Fast.“

Am Ende des Abends hat man dann, wohl oder übel, den Verlauf des gleichen akzeptiert.

Aber dennoch werfen sich mir (verständlicherweise?) ein paar Fragen auf

War es wirklich so wichtig, inmitten der ganzen [wahrscheinlich] von elektronischem Bass vibrierenden Bordelle, Nachtclubs und Discotheken die einzige Bar zu stürmen, in der ein paar mühsam angereiste Metal-Musiker vor einem winzigen Publikum ein paar Songs spielen?

Wäre dies auch passiert, wenn nicht ein aggressiver Betrunkener (der nichts mit dem Konzert zu tun hatte) 20 (!) Polizisten angelockt hätte, die sich nach dessen Festnahme offenbar gelangweilt haben?

Und zu guter Letzt: Gibt es in einer modernen Erste-Welt-Gesellschaft, mit tausenden unterschiedlichen Glaubens- und Nicht-Glaubensrichtungen, wirklich Platz für Gesetze, deren Daseinsberechtigung auf einem 2000 Jahre alten Event christlich-katholischer Mythologie beruht?

 


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