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Ohrenkrebs durchs Radio? Teil 2 – das Interview bei WDR 2

"Zu jeder Bewegung wird es auch eine Gegenbewegung geben. Irgendwann wird sich die Musikwelt wieder nach mehr Ecken und Kanten sehnen." Stephan Laack, WDR 2

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In meiner letzten Kolumne habe ich mich über die andauernde Endloswiederholung im Radioprogramm von WDR 2 ausgelassen. Da kam mir die Idee, doch mal ernsthaft zu hinterfragen, wie so ein Musikprogramm überhaupt zusammengestellt wird.

Aus diesem Grund haben Kollege Daegling und ich uns auf den Weg nach Köln gemacht. Stephan Laack, Musikchef bei WDR 2, hatte richtig Bock auf unsere Fragen. Das Inti mussten wir aus Platzgründen leider stark kürzen, aber die Essenz kommt hoffentlich noch rüber. Viel Spaß!

Hallo Stephan, vielen Dank, dass du dir die Zeit  für uns nimmst.

Hallo Jungs, erst mal freue ich mich, dass dieses Thema überhaupt mal jemanden interessiert. Vielfach wird einfach nur kritisiert, ohne zu fragen, wie unser Programm entsteht.

Wir fandens halt nur logisch, bei der Quelle zu bohren. Ist WDR 2 denn nun ein Sender, der dafür konzipiert ist, im Hintergrund bei der Arbeit zu laufen, oder eher ein Sender, bei dem man sich auch mal die Zeit nehmen sollte, konzentriert zuzuhören?

Wir sehen uns als Tagesbegleiter von vielen Menschen. Der Wortanteil in unserem Programm ist verhältnismäßig hoch. Deshalb können wir mehr, als nur im Hintergrund laufen. Wir haben also eine Kombination aus verschiedenen Programmrubriken, wie unsere Nachrichten oder die Bundesliga-Konferenz an den Wochenenden. Diese Rubriken werden durch Musik verbunden und auch noch ein bisschen aufgelockert. Wir haben ja einen gewissen Gestaltungsspielraum.

Besonders interessant ist für uns der Punkt eben dieses Gestaltungsspielraumes. Wie groß ist dieser musikalische Freiraum, den ihr habt?

So ein Freiraum entsteht durch mehrere Faktoren. Als wichtigster Aspekt ist vor allem die veränderte Musikbedeutung in der Gesellschaft zu nennen. Man darf nicht vergessen, Musik befindet sich, wie fast alles, in einem Entwicklungsprozess. Die Musik, und vor allem die Popmusik, sind heutzutage wesentlich wichtiger als in den vergangenen Jahrzehnten. Das schafft Platz für Neues und neue Strömungen. Außerdem führt der Wechsel von verschiedenen Musikchefs und in unserem Fall die „Konkurrenz“ von WDR 2 und 1Live zu bestimmten Differenzen, aber auch Möglichkeiten, die ausgenutzt werden können. Der größte Unterschied sind in dem Falle unsere Zielgruppen.

Wo du gerade verschiedene Zielgruppen ansprichst – an welche Zielgruppe richtet sich denn jetzt WDR 2 konkret? Ein Spartensender ist er ja eher nicht?

Wir versuchen bei WDR 2 schon, eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen. Wir richten uns allerdings hauptsächlich an die Menschen, die in der Mitte ihres Lebens angekommen sind. Also die Hörer, die schon in einer festen Beziehung sind oder waren, einen Beruf haben, eine abgeschlossene Ausbildung usw. Die schon einiges gesehen haben, wenn man so will. Hörer in diesem Alterssegment sind vielleicht nicht mehr ganz so offen, wie die jüngeren Kaliber. Deshalb setzten wir unseren Schwerpunkt auch bei Pop-Musik. Die Jüngeren werden dann eher bei 1Live fündig, wo dann auch mal ausgefallenere Sachen zu hören sind.

Aber wenn ihr viele Menschen mit eurem Musikprogramm erreichen wollt, warum nagelt ihr euch dann so auf ein Genre fest?

Wir haben leider keine Geheimwaffe, um alle Hörer musikalisch abzuholen. Man muss sich halt entscheiden, wie man am besten eine möglichst große Gruppe erreicht. Wir haben uns für Pop entschieden. Der Punkt ist, dass wir das Programm auch mal mit Überraschungen durchmischen. So eine Überraschung war beispielsweise das Interview mit Lars Ulrich, vor dem Release des neuen METALLICA-Albums, bei uns im Studio. Seit einiger Zeit haben wir auch verhältnismäßig viele Künstler bei uns zu Gast, um mit denen mal ein bisschen zu quatschen.

Wir haben ja vorhin über Zielgruppen gesprochen, wie verhält es sich bei euch mit Randgruppen wie eben Rock oder Metal, die ja auch eine große Fanbasis haben?

Aufgrund unserer Zielgruppe kommt es für uns nicht in Frage, ein Spartensender zu sein. Klar, es wäre durchaus einfacher, sich auf ein Genre wie Rock zu konzentrieren. Das ist für uns aber nicht wirklich zielführend. Es ist unser Anspruch, das zu spielen, was unsere Hörer hören wollen. Das versuchen wir durch Umfragen zu gewährleisten. Das Interview mit Lars zum Beispiel lief abends gegen 21 Uhr. Also dann, wenn alle „Stammhörer“ schon von der Autobahn runter sind.

Der WDR rockt!

Wegen der Songbeispiele?

Ganz genau! *lacht* Es ist halt schon sehr speziell, vor allem, weil die Songs schon ein ziemlicher Gegensatz zum üblichen Programm sind. Aber das Feedback war recht positiv, auch Lars fands spannend. Er ist natürlich absoluter Medienprofi und merkt, ob sich jemand tatsächlich mit der Materie beschäftigt hat oder nur seine von der Redaktion erstellten Fragen vom Zettel abliest. 

Woran liegt das, dass eine Durchlaufrate zustande kommt, in der gefühlt jede Stunde „Human“ gespielt wird?

Wir befragen 200 Personen verschiedenen Alters und Geschlechts. Ganz platt gesagt, fragen wir: „Mögt ihr diesen Song oder wird er zu häufig gespielt?“. Mit diesen gewonnenen Tendenzen können wir die Wiederholungsrate festlegen. Ihr habt ja als Beispiel „Human“ von Rag ´n´ Bone Man genannt. Da dieser Titel aktuell am beliebtesten ist, wird er drei Mal am Tag und zu verschiedenen Uhrzeiten gespielt. Wir möchten so erreichen, dass jeder unserer Hörer so diesen Song mindestens ein Mal am Tag hören kann. Uns ist natürlich bewusst, dass das nicht jeder gut findet. Irgendwann ist so ein Track so oft gelaufen, dass seine Beliebtheit rapide sinkt. Dann nehmen wir ihn aus dem Programm.

Wäre es durch eine stetige Durchmischung von Genres nicht viel einfacher, eine hohe Wiederholungsrate zu vermeiden?

Da wir eine Ausrichtung auf die Pop-Musik haben, ist das nicht ganz so einfach. Wir haben nicht den Ansatz, alle Songs ständig zu wiederholen. Es tauchen immer mal wieder ältere Werke von Künstlern auf, die man eventuell schon wieder vergessen hat. Natürlich ist die Durchlaufrate bei aktuellen Titeln wesentlich höher.

Gibt es denn noch andere Kriterien, nach denen ihr euer Programm zusammenstellt? Es kursieren ja Gerüchte, dass eventuell auch Labels Einfluss auf die Wiederholungsquote von Songs haben.

Als Erstes muss ich dieses Gerücht zurückweisen. Labels haben überhaupt keinen Einfluss darauf, welcher Titel wann und wie oft gespielt wird. Natürlich gibt es aber außerhalb der vorhin beschriebenen Umfragen auch noch andere Möglichkeiten, das Programm zusammenzustellen. Jeder unserer Redakteure kann Interpreten und Titel vorschlagen. Es gibt auch äußere Einflüsse, die auf das Programm einwirken. Todesfälle von Künstlern, wie wir sie zuletzt leider oft hatten, sind Anlässe, dass deshalb mehr von dem betroffenen Interpreten, wie z.B. David Bowie gespielt wird. Neuveröffentlichungen spielen bei uns auch eine wichtige Rolle. Momente wie das Interview mit Lars Ulrich peppen unser Programm noch ein bisschen auf.

Kommen wir noch einmal auf die Musik an sich zu sprechen. Siehst du qualitative Veränderungen in der Musikentwicklung?

Die Musikwelt verändert sich parallel zu der realen Welt und dem Weltgeschehen. Ob das jetzt qualitative Veränderungen mit sich bringt, glaube ich eigentlich nicht. Aktuell haben wir meiner Meinung nach eine Tendenz zu ruhigeren und melancholischeren Songs. Das zeigen dann vor allem die aktuellen deutschen Künstler.

Collage WDR2-Logo
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Was siehst du für musikalische Trends in der Zukunft oder werden wir auf ewig melancholische Musik hören müssen?

Wie das halt so ist, wird es zu jeder Bewegung auch eine Gegenbewegung geben. Irgendwann wird sich die Musikwelt wieder nach mehr Ecken und Kanten sehnen. Dann werden vermutlich auch die härteren Töne in der Gesellschaft wieder etwas populärer. Es lässt sich sehr schwer absehen, wann das passieren wird, ich gehe aber davon aus, dass es so kommen wird.

Wenn es dann soweit ist, versucht ihr dann auch als renommierter Radiosender unbekannteren Künstlern und Bands zu mehr Bekanntheit zu verhelfen? Sie sozusagen aus den Tiefen zu holen?

Wir tun unser Möglichstes dazu, Auftritte von Künstlern auch mal zu promoten, wie wir das beispielsweise mal bei Max Giesinger gemacht haben. Dadurch ist seine Bekanntheit mit Sicherheit nochmals gestiegen. Grundsätzlich ist das bei uns als WDR 2 eher schwierig. Wir sind ja kein musikalischer Trendsetter. In unserem Hause gibt 1Live die Trends vor. Unter unseren Abendsendungen gibt es allerdings einen Bereich für gute Amateure. Diese Bands oder Künstler werden im Rahmen der Sendung „Szene NRW“ gecastet und vorgestellt. Weiterhin haben wir online bei uns eine Rubrik, in der sich unsere Hörer über Neuheiten und Neuerscheinungen informieren können.

Stephan, vielen Dank für die Einladung und das interessante Gespräch!

Bitte, gerne. Danke auch für das Gespräch, mir hats Spaß gemacht!


Also, wir halten mal fest: Das Musikprogramm beim Radio scheint wohl doch mehr zu sein, als einfach nur fünf Titel rauf und runter zu spielen. Hörerumfragen und Aktuelles tragen ebenso zur Gestaltung bei, wie Sport und Informatives. Wiederholt wird auf jeden Fall doch einiges, aber eben nur auf Wunsch der Hörer, oder zumindest vieler. Aber sind wir mal ehrlich, man kann es nicht jedem Recht machen. Kollege Daegling, auch schon im erfahreneren Alter, geht mit Stephan konform und findet, dass WDR 2 durchaus eine Alternative darstellt. Vor allem zu nervtötenden Sendern wie BIG FM oder den besten Mixen aus den 30ern und von Heute.


 

Bilder mit freundlicher Genehmigung von und ARD

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2 Kommentare

  1. […] Das (gekürzte) Zitat stammt aus dem Silence-Magazin-Artikel „Ohrenkrebs durchs Radio? Teil 2 – das Interview bei WDR 2„, in dem WDR2-Musikchef Stephan Laack interviewt […]

  2. […] [früher ham wir “das” gesagt. Die Red.] Radio anschalten und meinem darauf folgenden Ohrenbluten vollen Lauf […]

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