OLD MOON MADNESS – Verrückte Zeitanomalie
OLD MOON MADNESS – „Old Moon Madness“
Veröffentlichungsdatum: 16.04.2021
Dauer: 42:20 Min.
Label: Independent
Genre: Classic Rock/Hard Rock
Mittlerweile dürfte es wohl jeder kapiert haben. 70s-Rock ist – wie diverse Metal-Spielarten ebenfalls, nur Hauptsache konservativ – wieder cool. Und wenn der angegraute Heldenstoff der Genreikonen, der derzeit zuhauf in Biopics verwurstet wird, nicht ausreicht, dann treten eben junge Bands auf den Plan, um die entsprechenden Lücken zu füllen. So könnte man jedenfalls meinen. Lückenfüller sind OLD MOON MADNESS aber bei Weitem nicht. Auf ihrer selbst betitelten Debütscheibe taumeln die Retrofanatiker zwischen Classic Rock der härteren Gangart und jugendlichem Charme – und klingen weder altbacken noch milchbärtig.
Aus alt mach neu… oder irgendetwas dazwischen?
Ein schriller Schrei durchdringt die Stille. Ist es Rob Halford? Vielleicht King Diamond? Oder doch Tim Baker? Schwer zu sagen. Es klingt ein bisschen wie alle drei auf einmal. Auf dem wortwörtlich höllischen Opener „Road To Hell“ spielen OLD MOON MADNESS mit Erwartungen, nur um letztlich keine davon zu erfüllen. Das gelingt ihnen – mehr als nur gut. Prompt verirrt sich der Song in ausufernden Instrumentalpassagen der Marke Rainbow – auch wenn sich für das Eingangsriff wohl etwas zu sehr an die die Trivium-Vorlage „Down From The Sky“ gehalten wurde. Das ist aber meckern auf hohem Niveau. Und abgesehen davon, dass die Truppe um Matt Heafy angesichts des Stils wohl eher ein unkonventioneller Einfluss sein dürfte: OLD MOON MADNESS können auch eigenständig und greifen dabei tief in die hauseigene Trickkiste.
Selten wirkt ein gewollter Retroaufguss so organisch: „Empire Of Pain“ und „Into Fire“ versprühen den lässig-lockeren 70s-Blues-Rock-Charme von Gitarrenhelden wie Rory Gallagher. Mit „Night Demon“ wagt die Truppe sogar den Grenzgang Richtung Proto-Heavy-Metal. „Rich Man’s Daughter“ klingt so als würde Jon Lord auch vom Jenseits aus noch kräftig in die Tasten seines Instruments hauen und die obligatorische Ballade „Drifting“ darf selbstverständlich auch nicht fehlen. „Old Moon Madness“ wirkt streckenweise wie ein Album aus einer anderen, längst vergangenen Zeit. Und dann wieder doch nicht, denn die juvenile Selbstdarstellung wirkt wahre Wunder. OLD MOON MADNESS sind fast schon penibel klassisch, ohne dabei auch nur eine Sekunde lang ein müder Aufguss zu sein. Bewährte Zutaten treffen auf moderne Präsentation. Und die beißen sich nicht, sondern harmonieren so perfekt miteinander, dass wohl jeder wahre Rock-Purist in Freudentränen ausbrechen dürfte.
OLD MOON MADNESS sind zwei Seiten einer Medaille: Das Metall mag zwar angelaufen sein und die Prägung etwas verwittert, ein paar Kratzer und Schönheitsfehler sind auch vorhanden. Adäquat behandelt, mit moderner Produktion aufpoliert, feinfühliger Huldigung der goldenen Rock-Ära und einer kräftigen Prise Wiedererkennungswert der eigenen Trademarks wird aber aus „Old Moon Madness“ ein Erstlingswerk, das an genau den richtigen Stellen seine Kanten hat. Statt blinder Ahnenverehrung gibt’s hier zwar frischen, aber immer noch dreckigen Rock – ganz so wie er sein sollte!
Autorenbewertung
Vorteile
- Moderne Einflüsse sind perfekt platziert
- Ein rundes Album in allen Belangen
Nachteile
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