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Die Hierarchie der linken Hand

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ORANSSI PAZUZU – Värähtelijä
Release: Bereits erschienen (26.02.2016)
Stil: Psychedelic Black Metal
Spielzeit: 69 Min.
Label: Svart Records/ Cargo

 

Das Kraut- beziehungsweise Psychedelic-Rock mit Black Metal eine interessante Mischung ergeben kann, haben bereits ALUK TODOLO und NACHTMYSTIUM eindrucksvoll bewiesen. Ferner sind Svart Records immer für eigenständig klingenden Doom-, Death- oder progressiven Metal in der Szene bekannt. Viele Scheiben dieser Artisten fordern dem Hörer einiges an Aufmerksamkeit ab und wer so etwas nebenbei laufen lässt, ist hier eh an der falschen Stelle.
Für mich ist es der erste bewusste Kontakt mit ORANSSI PAZUZU, vorher konnte ich mit sowas nur bedingt etwas anfangen (siehe u.a. ALUK TODOLO oder auch DEATHSPELL OMEGA). Umso überraschender, dass ORANSSI PAZUZU nun schon fast 10 Jahre lang existieren und bereits mit ihrem vierten Album „Värähtelijä“ (zu deutsch: „Der Resonator“ ) die Grenzen des Schwarzmetalls ausloten.

Bereits der erste Song „Saturaatio“ zieht mich in einen Bann aus atmosphärisch wabernden Gitarren, experimentellen elektronischen Klängen und einem treibenden Schlagzeugspiel. Klar, das Grundgerüst ist deutlich dem Black Metal zuzusprechen, jedoch sorgt das Quintett aus Finnland mit Keyboards und avantgardistischen Riffs dafür, dass eine ordentliche Portion Schrägheit einen großen Teil des Gesamtkonzepts ausmacht.

Wie hypnotisiert gebe ich mich den Klangbildern hin und bin begeistert sowie fassungslos darüber, dass ein Stillstand in der (Black) Metal-Welt noch lange nicht in Sicht ist.

Dank der großartigen Leistung des Soundmenschen, besticht dieses Album mit einem unglaublich warmen Klang, in welchen es sich wunderbar eintauchen lässt. Ein weiterer Pluspunkt: Die sonst im Black Metal mit Vorsicht zu genießenden Tasteninstrumente sind hier nie zu aufdringlich, nie zu klebrig süß. Nein, da wird gekonnt eine verstörende Soundwelt kreiert. Total introvertiert und doch jederzeit dem explodieren nahe, sodass immer ein gewollt (un)wohliges Schauergefühl im Hinterzimmer meines Geistes bestehen bleibt. Interessanterweise tönt der Bass dazu an den regen/lauten Stellen schön verzerrt und pulsiert unaufhaltsam im Hintergrund, jedoch nie zu leise oder zu unspektakulär. Wo andere Bands zu verkopft oder angestrengt klingen, gelingt ORANSSI PAZUZU das Kunststück, einen Tonträger zu erschaffen, welcher in seinem Gesamtwerk schlüssig und wie aus einem Guss klingt, der aber trotzdem meine volle Aufmerksamkeit benötigt, um nicht im Strom der heutigen Massenveröffentlichungen unterzugehen. Dieses Album hält so viele Details versteckt, dass ich wohl noch die nächsten Durchläufe neue Passagen entdecke.

Mein persönliches Highlight sind definitiv der Opener „Saturaatio“, „Havuluu“ (gegen Ende völlig gestört in seiner unaufhaltsamen Raserei und manischen Aggression!) und das 17-minütige Mammutstück „Vasemman käden hierarkia“ (was soviel wie „Die Hierarchie der linken Hand“ bedeutet), welches dich wie ein vertonter Mahlstrom in den Abgrund reißt! Ab der Spielzeit von achteinhalb Minuten kommt der Bastard völlig zum Stillstand, nur um dich in Ungewissheit zu wiegen und viereinhalb Minuten später dann mit einer alles zermalmenden Bassattacke und geisterhaften Gitarren zu fesseln. An wen erinnert die Band eigentlich? An PINK FLOYD auf Drogen, wochenlang eingesperrt mit den französischen Avantgarde-Künstlern BLUT AUS NORD vielleicht? Auf jeden Fall sehr eigenständig und irre!

 


Dies ist ein Gastbeitrag von Hannes

Autorenbewertung

8
"Värähtelijä" hat mein Gehirn komplett auf halb acht gekrempelt und lässt mich seitdem nicht mehr los! Am besten im Dunkeln und über Kopfhörer genießen. Hier liegt die Schönheit im Hässlichen und Dissonanten. Du musst nur bereit sein zu suchen, und dann diesem atonalen Gewitter Eintritt in deine Psyche gewähren.
ø 4.2 / 5 bei 1 Benutzerbewertungen
8 / 10 Punkten

Vorteile

+ unglaublich warmes und organisches Soundgerüst
+ die Songs sind nahtlos miteinander verbunden und haben einen eigenen Charakter

Nachteile

- "Lahja" ist als zweiter Song relativ unspektakulär

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1 Kommentar

  1. Azazel
    2. September 2016 bei 18:45 — Antworten

    Unglaubliches Album, da kann ich nur zustimmen, fesselt bei jedem Durchlauf aufs Neue und lässt einen mit kaltem Schweiß im Nacken ins Leere blicken. Allerdings wären 9 Punkte keinesfalls zu hoch gegriffen und deshalb komplett zutreffend.

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