ORPHANED LAND im Bi Nuu Berlin – Schneller, lauter, bunter!
Wenn ich mich schon mal in einen überfüllten Bus in Richtung unserer Hauptstadt quetsche, muss das schon einen ganz besonderen Grund haben. Und den hatte ich, das könnt ihr mir glauben! Am 07.03. gaben sich im bunten Berliner Bi Nuu vier außergewöhnliche Bands die Ehre. Die Rede ist hier natürlich von ORPHANED LAND, die gemeinsam mit ihren Begleitern AEVUM, SUBTERRANEAN MASQUERADE und LUNARSEA diesen lauen Mittwoch unsicher gemacht haben. Nach einiger erfolgloser Suche nach der Location (tatsächlich bin ich 1-2 Runden sinnlos um das Gebäude gelatscht) war ich dann auch schon sofort mittendrin. AEVUM beginnen ihren Gig, das heißt: Kamera gezückt, ein gutes Plätzchen gesucht und los gehts!
Eine düster-elektronische Hochzeit: AEVUM
Meine Güte, ist die Bühne voll! Es lässt sich schwer zählen, wie viele Menschen gerade darauf Platz finden. Eins ist allerdings sicher: Sänger Hydra und Sängerin Lucille Nightshade im Brautkleid ergänzen sich gesanglich perfekt. Auch die individuellen Kostüme der Band sind nicht ohne.
Was AEVUM selbst als „Symphonic-Neoclassic-Theatral-Metal“ bezeichnen, lässt sich zwar relativ einfach auf Symphonic Metal herunterbrechen. Das Ganze ist jedoch mit einer ganz eigenen, finsteren Note versehen und wirkt nicht zu übertrieben triumphal, wie man es von einigen anderen Vertretern des Genres kennt.
Überhaupt schaffen es auch viele elektronische Elemente in die Songs, was AEVUM auf jeden Fall zu einer musikalisch individuellen Band macht. Noch dazu leben die 7 Jungs plus Mädel ihre Musik auf der Bühne völlig aus, es wird umhergetanzt, mit- und gegeneinander gesungen. Insgesamt definitiv ein musikalisch aufregendes Projekt, das den einen oder anderen Fan von Genre-Überkreuzungen faszinieren könnte.
Kein Metal? Trotzdem geil: SUBTERRANEAN MASQUERADE
Aber natürlich geht es noch bunter! Um das zu beweisen, hat sich die nächste Monster-Kombo eingeladen: SUBTERRANEAN MASQUERADE, ein musikalisches Weltweit-Projekt mit Sitz in Israel. Und die haben natürlich nicht nur eine einheimische Bauchtänzerin mitgebracht, sondern auch ihr ganz eigenes nahöstliches Flair, mit dessen Energie sie den Berliner Club erfüllen.
So ganz einfach einzuordnen sind sie, genau wie ihre Vorgänger, ebenfalls nicht. Was da auf der Bühne passiert, lässt sich wohl am Besten als Progressiv Hard Rock mit starken nahöstlichen Rhythmus- und Melodieeinflüssen bezeichnen.
Die beiden Sänger kämpfen wiederum beide gegenseitig um ihr Stück vom Aufmerksamkeitskuchen. Während Eliran Weitzman, äußerlich eher unscheinbar, ein enormes Grunzorgan ins Mikro entlässt, holt Kollege Davidavi Dolev eine sanfte, aber kraftvolle Melodie nach der nächsten aus der Tasche. Dazu legt er auf der Bühne eine Klatsch- und Tanzeinlage nach der nächsten hin, dessen man mit der Zeit langsam überdrüssig wird. So erweckt seine übertriebene Sportlichkeit doch schnell einen sehr gewollten Eindruck. Trotzdem erreicht die Kombo ihr Ziel, das Publikum ist gefesselt und wie die Musiker völlig energiegeladen bei der Sache. Vielleicht gab es hier keinen Metal auf die Ohren, unterhaltsam war es jedoch allemal.
Laut, aber beinahe ungehört: LUNARSEA
Das ist für eine „schnöde“ Melodic Death Metal Band wohl schwer zu toppen, meint ihr? Wie Recht ihr habt. Schon kurze Zeit später betreten die italienischen Kollegen von LUNARSEA die Bühne, um das Publikum mit ihrer fiesen und einschlagenden Mucke abzuholen. Das gelingt jedoch nur bedingt.
Natürlich wäre das zu erwarten, wenn man versucht, einen schnellen Stimmungswechsel im Publikum von fröhlich-tänzerisch zu kraftvoll-wütend zu erzwingen. Trotzdem geben die Jungs ihr Bestes und bieten musikalisch einwandfreien Melodic Death Metal mit viel Hass, brechenden Drums und fixen und präzisen Gitarren.
Alles in allem eine runde Performance. Aber so kraftvoll, wie Sänger Alessandro Iacobellis sein Organ auch durch den Raum hallen lässt, es will und will beim Publikum nicht so richtig ankommen. Merkbar ist allerdings, dass die meisten Besucher schon voller Vorfreude auf die Headliner ORPHANED LAND sind. Da scheint für die Italiener kaum noch Platz zu sein. Schade eigentlich. Hätte man diese Jungs vor SUBTERRANEAN MASQUERADE spielen lassen, hätten sie ihre Wirkung sicherlich besser entfalten können.
Party vor und auf der Bühne: ORPHANED LAND
Nun aber fix zum Headliner! Schlag auf Schlag geht es heute Abend voran. Und während Sänger Kobi noch seine Stimme im Backstage aufwärmt, bereiten sich seine Bandkollegen schon moralisch und mit Yoga-verdächtigen Dehnübungen auf das vor, was da gleich kommen mag. Das Publikum ist wie erwartet mehr als durch den Wind, als die 5 Israelis die Bühne betreten. Die Jungs lassen das natürlich nicht auf sich sitzen und bringen von vornherein 110%.
Mit dem Starttrack „The Cave“ des neues Albums „Unsung Prophets and Dead Messiahs” wird das Fest eröffnet. (Die Review dazu findet ihr übrigens HIER.) Und sowohl Band als auch Publikum sind in der besten Stimmung, die man sich für so ein einmaliges Konzert nur wünschen kann. Direkt im Anschluss gibt es ein so ausgeglichenes Set aus alten und nigelnagelneuen Hits, dass man nicht eine Minute des Schauspiels missen möchte. Mit „All Is One“ gibt es gleich den nächsten Knaller, der sich mit neuen Stücken wie „Like Orpheus“ und „We Do Not Resist“ und Klassikern der ersten Stunde wie „Sapari“ und „Norra El Norra“ in eine energiegeladene Reihe stellt.
Auch Kobis Stimme entwickelt sich zu Höchstleistungen. So verwandeln sich anfängliche kleine Schwächen, die bei Live-Cleangesang nun mal zu verzeichnen sind, innerhalb weniger Songs in Schall und Rauch. Trotz Gitarrist Chens gerissener E-Saite darf ich heute mein bisher musikalisch bestes ORPHANED LAND-Konzert mitnehmen. Für die enorme Stimmung auf ihren Konzerten sind die Jungs sowieso bekannt. Da steht das heutige Konzert in Berlin vorangegangenen in nichts nach. Die Menge tanzt, jubelt, singt mit und erlebt heute Abend wahrscheinlich den Höhepunkt dieser Woche.
Feierabend! Schade …?
Aber auch das schönste Konzert muss irgendwann zu Ende gehen. Das erfüllte und begeisterte Publikum trollt sich langsam hinaus, während Backstage der letzte Gig mit AEVUM gefeiert wird, die an der restlichen Tour nicht mehr teilnehmen werden. Dazu gibt es italienischen Likör, der doch sehr an den bei uns im Norden und Osten verbreiteten „Krabbel-die-Wand-hoch“ erinnert. (Jeden, der es kennt, wird es jetzt wohl innerlich schütteln. Sorry dafür!)
Mein Resümee des Abends: Das war wirklich hervorragend investiertes Geld. Die ausgewählten Supportbands haben ein kurzweiliges und buntes Programm geboten und ORPHANED LANDs Gig würdig unterstützt. Der Ton hat ebenfalls weitestgehend mitgespielt, lediglich die Beleuchtung ließ fast während des gesamten Konzerts bedenklich zu wünschen übrig. Man könnte fast meinen, sie sei stellenweise nicht existent gewesen. Nichts desto trotz eine unvergessliche Nacht, die zum Schluss noch mit einem schönen Döner nebenan gefeiert wird, dann ab in die S-Bahn und nach Hause. Gute Nacht!
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