Mentale Gesundheit und schwere Riffs – PRAISE THE PLAGUE und A SECRET REVEALED

Praise the Plague

Auf dem Weg zum Immerhin stellte ich fest, dass ich gerade alle drei Gs erfüllte: seit Anfang des Jahres dreimal geimpft, seit Mitte April genesen, und tagesaktuell negativ getestet. Einem erfolgreichen Konzertabend ohne Ansteckungsgefahr sollte also nichts im Wege stehen. Der Jugendkulturtreff Immerhin hatte seine Besucher*innen bis Ende April sogar noch um das Durchführen von Schnelltests gebeten, um wirklich sicherzugehen, dass die Veranstaltungen dort nicht das Infektionsgeschehen vorantreiben.

Das Tor zu den zwei Welten

 

Praise the Plague

Bereits um kurz vor 21 Uhr hatte sich vor dem Eingangsbereich der Venue eine nicht allzu kleine Anzahl an Gruppen eingefunden, die offensichtlich voller Freude auf das Konzert warteten. Während sich hier in vorrangig dunkler Kleidung auf die Auftritte der Post Metal Bands PRAISE THE PLAGUE und A SECRET REVEALED gefreut wurde, fand eine Etage höher in der Posthalle ein Gig der Italo Pop Band ROY BIANCO & DIE ABBRUNZATI BOYS statt. Der Ort an dem sich die Eingänge zu Posthalle und Immerhin trennten, war auch die Weggabelung an welcher sich farbenfrohe Kleidungsstücke vorrangig in die eine, und schwarze Gewänder in die andere Richtung bewegten. Verirrt hat sich wohl niemand.

Doppelter Heimvorteil

Die wartende Menge stand zwischen Bildern einer Ausstellung des Fotografen Daniel Peter als Veranstalter Sven die Tür öffnete und freudig verdutzt „Was ist denn hier los?“ fragte. Durch die geöffnete Pforte bewegte sich die dunkel gekleidete Karawane im gemächlich-vorfreudigen Gang in die wohl schönsten Katakomben Würzburgs.

Praise the Plague

Unten angekommen zeigte sich auch das Thekenpersonal positiv begeistert über die große Anzahl an Gästen zu dieser Tageszeit. Es war eindeutig: die Leute waren heiß auf das erste Metalkonzert im Immerhin seit der pandemiebedingten Pause. Außerdem feierten heute die Local Heroes A SECRET REVEALED die verspätete Release Show ihres letzten Albums „When the Day yearns for Light„. Und auch PRAISE THE PLAGUE, die ihre neue Platte „The Obsidian Gate“ im Gepäck hatten, kommen zwar zum Großteil aus Berlin, haben auch aber zwei Bandmitglieder, die im Würzburger Umland leben. Es war nahezu ein doppeltes Heimspiel.

Vor lauter Freude fiel auch direkt der Strom an der Theke aus. Doch schon kurz darauf ging es mit lautem, groovenden Death Metal aus den Boxen und kalten Getränken weiter. Indes verlagerte sich das Geschehen graduell in Richtung Bühne. Hier gab es auch noch Musik aus der Dose – allerdings stimmen hier bereits melancholische Post Metal Töne auf den späteren Abend ein. Eine scharfkantig laute Ruhe vor dem Sturm stellte sich ein, als PRAISE THE PLAGUE sich auf der Bühne formierten.

Praise the Plague

Praise the Plague

Um 22.40 Uhr legt das Quintett aus der Hauptstadt los. PRAISE THE PLAGUE wirken äußerst selbstbewusst auf ihrem zweiten Konzert nach der Corona-Pause. Später habe ich erfahren, dass durchaus einiges an Aufregung bei Mitgliedern beider Bands vorhanden war. Anzumerken war den Musizierenden davon aber nichts. Zunächst stand die Band noch nur zu viert auf der Bühne. Sänger Rob hat sich erst zu seinem ersten Gesangspart aus dem Dunkel des Backstageraumes nach vorne bewegt. Auch bei einer längeren Passage ohne Gesang zog er sich zwischendurch zurück, wodurch sein imposanter Auftritt noch mehr Atmosphäre verliehen wurde. Dunkelheit und Atmosphäre waren nicht nur Teil des Bühnenbilds, denn auch die Musik vereinte Eiseskälte, gewaltige Brachialkraft und die tiefsten Abgründe der menschlichen Psyche. Wie gigantische Wellen eines Eismeers die an einer massiven Felswand brechen bewegt sich der Post Black Metal von PRAISE THE PLAGUE durch den Konzertraum des Immerhin.

Praise the Plague

Von Abstieg und Aufstieg

Der Saal ist inzwischen gut gefüllt. Das Publikum nimmt die Wechsel aus rasanten Stakkato Attacken und schwermütiger Bewegung gut auf, während die Band vor allem durch ihre stoische Ruhe auffällt. Einzig zu Anfang ließen die Fünf sich kurz aus diesem Modus bringen. Dies war der typische Übergangsmoment nach dem ersten Song, die letzten Feinjustierungen vollzogen werden. Als alle Instrumente nachgestimmt waren, der Sound auf Bühne und im Saal nachgebessert wurde, ging es routiniert weiter. Der Sound, mit dem PRAISE THE PLAGUE den Abend eröffneten, lässt sich in den Bereichen Atmospheric Black Metal, Post Metal, Post Black Metal, oder artverwandten Richtungen verorten. Auch Einflüsse aus Doom Metal oder Blackened Doom Metal lassen sich erkennen. Letzteres hat auch viel mit den Drones zu tun, die oft als Einleitung zu den Songs oder als Übergang zwischen den Liedern fungieren.

Praise the Plague

PRAISE THE PLAGUE präsentierten an diesem Abend ihr neues Album „The Obsidian Gate“, welches letzten Sommer bei Lifeforce Records erschien. Das Konzeptalbum begleitet einen namenlosen Protagonisten auf seinem Weg in eine schwerwiegende emotionale Starre. Vom Einstieg „The Descent“ bewegt sich das Narrativ immer weiter nach unten bis zum „Obsidian Gate“ – Rock Bottom. Hier ist nur noch Leere und Taubheit. Doch der letzte Drone endet mit einem Herzschlag. Der Protagonist kehrt um, geht wieder auf das Leben zu, und so endet das Album mit „The Ascent“. Die genauen Inhalte dieser melancholischen Reise durch die tiefsten Täler und Abgründe der mentalen Gesundheit mögen ohne Textkenntnis nicht im Detail wahrgenommen werden. Dennoch war dem Publikum anzumerken, dass es bei der Musik von PRAISE THE PLAGUE um Schmerz, Verlust und Ängste geht. Ernst und gleichzeitig zufrieden mit der starken Darbietung zeigten sich die Zuschauenden. Und mit der Flüchtigkeit eines Traumes am Morgen verklang auch der letzte Ton nach etwa einer Dreiviertelstunde.

Pause mit Bruce Lee

Praise the Plague

Wer das Immerhin kennt, weiß dass hier auch neben oder zwischen den Shows einiges an Unterhaltung geboten ist. Damit ist nicht nur das großartige Publikum gemeint, das bei Veranstaltungen hierzuorts zwischen Merch-Tisch, Theke, Rauchbereich und Tischfußball für viel Spaß zuständig ist. Ein weiterer Aspekt ist auch die liebevoll gestaltete Dekoration, an der sich Erstbesucher*innen satt sehen können. Ein besonders schönes Feature ist die Kombination aus Hummer und Sichel an der Thekenwand. Aber auch die schönsten Ausgaben des Schweinfurter Fanzines Der Kosmische Penis sind immer wieder ein guter Blickfang. Außerdem ist eine Wand frei von Konzertpostern oder anderen Verzierungen, denn hier hängt eine Leinwand, die von einem Beamer bestrahlt wird.

A Secret Revealed

Mal werden hier Fotos von vergangenen Konzerten und Parties gezeigt. Oft laufen hier auch großartige Filme ohne Ton. Ein gerne gezeigter Film im Immerhin ist der Kunstfilm La Montaña Sagrada. An diesem Abend wiederum sorgte Enter The Dragon (deutscher Titel: Der Mann mit der Todeskralle) für Unterhaltung in der Pause. Hier waren die Angestellten der Security, das Thekenpersonal, sowie die Musizierenden vor allem in Einem vereint: alle hatten große Freude.

Lange ging die Pause nicht; da war schon auf dem Bildschirm hinter der Theke zu sehen, dass sich A SECRET REVEALED auf der Bühne eingefunden haben.

A Secret Revealed

A Secret Revealed

Lange mussten A SECRET REVEALED auf die Release Party ihrer neuen Platte warten, und jetzt war es soweit. Die Freude war den fünf Musikern deutlich anzumerken und auch sie konnten ihre Aufregung gut dahinter verbergen. Wie auch PRAISE THE PLAGUE haben A SECRET REVEALED ihr letztes Album bei Lifeforce Records veröffentlicht. Außerdem verbindet die Band mehr als nur das gemeinsame Label. Freundschaftliche Bande sowie musikalische Ausrichtungen, die in die gleichen Gefilde passen, sorgen für ein harmonisches Zusammensein. Das Konzert steht ganz im Zeichen der Vorstellung des neuen Albums „When the Day yearns for Light“ und das Publikum ist voller Enthusiasmus dabei, das Release zu zelebrieren. Wenngleich ähnlich in der stilistischen Ausrichtung lassen sich bei der Musik von A SECRET REVEALED doch andere Finessen erkennen als bei PRAISE THE PLAGUE. Das Element Black Metal ist nur in Nuancen im Sound der Mainfranken vorhanden. Statt frostiger Stakkati gibt es hier mehr Fokus auf massig schwere Riffs. Wie Kometeneinschläge landen die harten Brocken beim Publikum, wo sie dankbar und freudig entgegen genommen werden.

Ein Fest im Licht des Stroboskops

A Secret Revealed

Ein weiterer Unterschied ist bei der Beleuchtung zu erkennen. Wie auch schon beim ersten Konzert des Abends ist die primäre Beleuchtung durch einige rote Lichter gegeben. Allerdings gibt es bei A SECRET REVEALED zusätzlich noch hell flackerndes Strobolicht, das gelegentlich für optische Abwechslung sorgt. Im Scheine dieser Lampen und auch vor allem in der ganzen Dunkelheit dazwischen feiern die Zuschauenden ihre lokalen Helden voller Inbrunst. Jede atmosphärische Passage, jedes melancholische Zwischenspiel, und natürlich auch jede brutale Riffattacke werden voller Begeisterung entgegengenommen. Und das hat sicherlich nicht mit der langen Auszeit von Live Musik zu tun, denn hier haben beide Bands wirklich großartig abgeliefert. Der Heimvorteil – beziehungsweise der etwas größere Heimvorteil – mag A SECRET REVEALED zu Gunsten gekommen sein. Eventuell bietet der Post Metal der Unterfranken auch etwas mehr Potential zum Headbangen als der Sound von PRAISE THE PLAGUE. Und zu guter Letzt darf man nicht den Faktor vergessen, dass einige Zuschauer*innen beim zweiten Konzert auch schon ein weiteres Getränk zu sich genommen haben und dadurch lockerer wurden. Wie auch immer es ist, es war ein Fest, und das Publikum feierte A SECRET REVEALED vom ersten Song bis zum Ende der Zugabe knapp eine Stunde später durch.

Die Sehnsucht nach dem Licht

A Secret Revealed

Auch das neue Album von A SECRET REVEALED – „When the Day yearns for Light“ ist nicht unbedingt durch seine einfache oder fröhliche Thematik geprägt. Die Sehnsucht nach dem Licht, die im Titel steckt, ist ebenfalls ein Verweis auf psychische Krankheit oder mentales Unwohlsein. Wie auch ihre Labelpartner und Freunde von PRAISE THE PLAGUE befassen sich A SECRET REVEALED in ihrer Musik mit Themen wie Depressionen, Angststörungen und dem Verlangen nach einem besseren Leben. Ebendies ist die Sehnsucht nach dem Licht, die zum Leitmotiv des Albums wurde. So wirken die schweren Riffs, die massigen Breaks und die brutalen Growls wie Befreiungsschläge, um aus den Fängen der Dunkelheit zu gelangen.

Ein gelungener Abend braucht einen guten Abschluss

A Secret Revealed

Eine weitere Eigenschaft, die das Immerhin Würzburg zu einem besonders schönen Ort macht, ist dass der Keller in Bahnhofsnähe keine Nachbarn hat. Nach Ende der Konzerte trafen also Musiker und Fans erneut im Thekenbereich aufeinander und ließen gemeinsam den Samstag ausklingen. Wo manche schon zum Tee übergangen sind, öffneten andere erst den Chardonnay. Einig waren sich aber alle in der Frage, dass an diesem Abend beide Bands massiv abgerissen haben. Zwei fantastische Post Metal Gigs haben aus diesem 07. Mai alles rausgeholt, was ging. Man mag sich am Ende in kleinen Stilfragen uneins sein, wenn die Eine lieber TESA, der andere eher FALL OF EFRAFA, oder jemand drittes doch TOTALSELFHATRED hört. Zusammengefunden haben heute dennoch alle, um gemeinsam diesen großartigen Abend zu feiern.

A Secret Revealed

Bandcamp Profil von PRAISE THE PLAGUE

Bandcamp Profil von A SECRET REVEALED

Homepage vom Immerhin


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