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Premieren auf allen Ebenen

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KITSHICKERS – III.0
Veröffentlichungsdatum: 22.10.2016
Dauer: 60:30 Min.
Label: Eigenveröffentlichung
Genre: Artrock

Wie viele Bands kennst du eigentlich aus unserem Nachbarland Luxemburg? Richtig, mir ist auch auf Anhieb nicht eine einzige in den Kopf gekommen. Selbst nach der Recherche bei den geliebten Metal Archives muss ich zu meiner Schande gestehen, dass mir keine der dort aufgeführten Kapellen auch nur ansatzweise bekannt ist. Zeit wird´s also, dass ich endlich mal eine Band aus dem Groussherzogtum Lëtzebuerg den Zugang zu meinem Gehör gewähre. Bei dieser Premiere handelt es sich um die KITSHICKERS aus dem beschaulichen Dudelange. Bereits seit 1997 treiben sie in unserem Nachbarstaat ihr Unwesen und veröffentlichten nun mit „III.0“ ihr mittlerweile 7. Studioalbum. Als ich las, dass es von niemand Geringerem als Magnus Lindberg von CULT OF LUNA gemixt und gemastert wurde, schoss mir die Aufregung sofort in den Körper. 

Erstmal bleibt festzuhalten, dass die KITSHICKERS die allererste Band sind, die SILENCE eine LP zu Promotionszwecken zukommen lassen hat. Da konnte ich als leidenschaftlicher Plattenfetischist natürlich nicht Nein sagen und riss sie mir sofort unter den Nagel. Und das Teil hat es schon gut in sich! 2 schwarz-weiß marmorierte Platten, verpackt im edlen Gatefold, hinterlassen schon mal ordentlich Wirkung bei mir. Wer es nicht so mit Vinyl hat, kann sich die neue Veröffentlichung auch downloaden. CD-Sammler gehen leer aus! (VERDIENT!!!)

Fertig machen zum Abheben
Fertig machen zum Abheben

Die unglaubliche Mischung machts

Eröffnet wird das gute Stück von „Birth. Early Years. Void“. Gute 3 Minuten dauert es, eh der Opener Fahrt aufnimmt und mich sofort in seinen Bann zieht. Melodisch schneidende Gitarren, gepaart mit einem sehr markanten Bass sorgen dafür, dass das neue Schätzchen der Luxemburger gleich mal ne ordentliche Hausnummer vorlegt. Und als ob es mit den Neuerungen noch nicht reicht, wird auch noch gesungen. Yann Dalscheid, der neue und erste (!) Sänger dieser Truppe, variiert dabei zwischen mitreißendem Klargesang und wahnsinnigen Screams, bei denen aber auch der Sinn für die Melodie absolut nicht zu kurz kommt. Melodie – richtig, die ist auch richtig fett! Gerade der Mittelteil, bei dem ein und dieselbe Melodie über 2 Minuten gezogen wird, hat es mir angetan, da hier eine unglaubliche Spannung aufgebaut wird, ehe ein Teil fast schon das Ende einleitet, der musikalisch irgendwo zwischen Black Metal, Postrock, Progressive Rock und Doom einzuordnen ist.
Mit „Awareness.I“ wird fortgefahren. Nachdenklich, ja fast schon melancholisch klingend, zieht sich dieser Song über knapp 8 Minuten. Gesang sucht man vergebens, dafür hat sich eine Violine in das Stück eingeschlichen. Diese passt auch wunderbar zu der Grundstimmung des Songs, der sich etwa ab der Hälfte immer mehr aufbaut und zum Schluss als epochales Klanggewitter endet.

Versuchen die Jungs mich etwa zu hypnotisieren? Sie sind auf jeden Fall verdammt nah dran!

„Growth“ beginnt mit Percussions, die dem Klang eines Schamanenspiels ähneln. Nach kurzer Zeit setzt dann aber die Saitenfront samt Sänger ein und erzeugen wahrlich himmlische Klangwelten. Die wiederkehrenden Riffs betreten dabei schon das ein oder andere Mal trockenste Stoner Rock-Gefilde, ohne aber szenetypisch zu übersteuern. Nach knapp 4 Minuten dann ein Schock! Gerade noch im Lied versunken, werde ich urplötzlich aus diesem Traum gerissen. Der einsetzende Elektrobeat sorgt dafür, dass ich mich erstmal kneifen muss, um festzustellen, ob ich nicht vielleicht doch hypnotisiert wurde. Bisher mochte ich solche Experimente überhaupt nicht, doch was soll ich sagen? Hier passt es einfach nur perfekt rein. Das liegt vielleicht auch daran, dass diese Passage nicht zu ausladend ist, sondern relativ zügig in einen postrockigen Teil übergeht.
„Rise“ startet ziemlich schleppend und verträumt, ehe die zweite Gitarre einsetzt und da ein wahres Brett rauszimmert. Auch in diesem Song, der mit 6:30 Min. übrigens der kürzeste der ganzen Platte ist, darf ein ausgiebiger Mittelteil nicht fehlen. Fast schon spacige Sounds beschließen „Rise“.
Mit diesen Soundsamples startet auch „Awareness.2. Peace“, die Fortführung des Instrumentals der ersten LP. Dieses Mal darf auch Sänger Yann wieder mitwirken, dafür wurde die Violine verbannt. Das „Peace“ im Titel passt genau richtig, macht sich doch bei mir friedlichste Stimmung breit, wenn dieser Song ertönt. Wahrscheinlich liegt das daran, dass hier die Stoner-Einflüsse am stärksten vertreten sind. Größte Auffälligkeit ist in diesem Stück das einminütige Schlagzeugspiel, was eigentlich nur aus rhythmischen Snare-Schlägen besteht, bei dem sich der Anschein breitmacht, dass der Rest der Band das Studio verlassen hat. Scheinbar mussten sie sich aber nur beraten mit welchem Riff sie dem Album aber nun noch endgültig die Krone aufsetzen können. Und diese kurze Denkpause hat sich zu 100% gelohnt!

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„Mindfulness“ beendet „III.o“ (wie spricht man das eigentlich aus? Drei Null?) dann leider schon wieder. Meeresrauschen und melancholische Keyboardklänge prägen die erste Hälfte des Rausschmeißers, bevor sich wieder wie gewohnt Soundwände aufbauen. Passend zum Schluss haut nochmal jeder alles raus. Es wird ins Mikro geschrien, als ob man nie wieder seine Stimmbänder benötigt. Die Gitarrensaiten werden stranguliert und der Bass drückt, dass einem die Rückenhaare wegflattern. Ein rundum gelungenes Ende, auch wenn ich mir noch weitere 60 Minuten hätte geben können.

So, jetzt erstmal Bier auf und zusehen, dass ich wieder festen Boden unter die Latschen kriege!

Ich bin immer noch total überwältigt von diesem Werk. Ich hätte nie gedacht, dass mich diese Band so umhauen wird. Wer nach meinen geschriebenen Worten noch keine Vorstellung hat, wie diese Suppe klingt, hier mein Rezept:
Man nehme eine Tasse ISIS, eine Messerspitze KYUSS, einen Esslöffel AGALLOCH und einen Teelöffel AMORPHIS. Das Ganze homogen verrühren und mit einer Prise Elektrobeats verfeinern.

 

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Bild mit freundlicher Genehmigung von Jean-Claude Dahn

Autorenbewertung

9
Tja, was soll ich sagen... Wenn ihr unseren Jahrespoll schon gelesen habt, könnt ihr euch KITSHICKERs neues Album als "Album des Jahres" denken. Experimentell, progressiv, mutig und einprägsam - das beschreibt dieses Album am besten! Übrigens: wem der Gesang nicht gefällt (was ich nicht verstehen würde), dem liegen bei den Downloads noch alle Songs als Instrumental bei.
ø 0 / 5 bei 0 Benutzerbewertungen
9 / 10 Punkten

Vorteile

+ wuchtiger Sound
+ einprägsam
+ Länge
+ Abwechslungsreichtum

Nachteile

- Länge
- mehr eingefügte Samples hätten es wahrscheinlich noch interessanter gemacht (ist das möglich?)

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