Prog-Showdown in Berlin mit DEVIN TOWNSEND, LEPROUS und BTBAM

Leute, ernsthaft! Wenn ihr in Berlin sein solltet, euch eine Show im Columbia Theater anschauen wollt und vorher noch etwas zu essen einwerfen müsst – geht nicht zur erstbesten Dönerbude am Columbiadamm. JUST DON’T … believe me!

So, diese ess[!]enzielle Warnung vorweg geschickt, nun zum eigentlichen Teil. Columbia Theater – für mich Neuland, für Robert ein bekanntes Gelände. Fotopass eingesackt, durch die Taschenkontrolle gehuschelt, guten Platz gesucht. Ich positioniere mich im Fotograben, Robert am FOH. Da ich selbst sowohl bei LEPROUS als auch bei BETWEEN THE BURIED AND ME nicht so sattelfest bin wie mein geschätzter Kollege, überlasse ich erstmal Robert das Wort:

Pünktlich um 20:00 Uhr betritt das norwegische Prog-Quintett um Ausnahmetalent Einar Solberg die Bühne. Mit dem Opener „Foe“ des vorletzten Albums „Coal“ wird das Set eröffnet, welches nur knapp über eine halbe Stunde andauern soll. 

Fast in vollständiger Dunkelheit performt die Band, die in Teilen sonst IHSAHN live den Rücken stärkt, ihre Songs, die mit Ausnahme von „Foe“ vom immer noch aktuellen, grandiosen Album „The Congregation“ stammen. Obwohl mir zunächst der Gitarrensound merkwürdig vorkommt, überzeugen die Norweger durch Präzision und Klasse, wobei man besonders die erstklassige Leistung von Solberg hervorheben muss, der live mit unfassbarer Sicherheit Gesangsstellen meistert, von denen viele andere Bands nur träumen können. Obgleich Solberg fantastische Arbeit leistet, setzt Schlagzeuger Baard Kolstad noch einen drauf und hat mich allerspätestens beim packenden „The Price“ bei den Eiern. Qualitative Einbrüche wird es bis zum Ende des Sets nicht geben, wobei mir doch ein Wermutstropfen verabreicht wird, indem das bombastische Finale von „Rewind“ kurzerhand ausgelassen wird, um als letzten Song „Slave“ durch den Columbia Theater zu ballern. Inwiefern sich das gelohnt hat, muss jeder selbst entscheiden.

Als nächstes entern BETWEEN THE BURIED AND ME die Bühne, die mich bei vorherigen Livekonzerten bislang eher enttäuscht haben. Und auch heute bleiben die Amis für mich hinter der Leistung von LEPROUS zurück. Das liegt zunächst mal daran, dass Sänger Tommy Rogers vor allem in den cleanen Passagen hörbare Anstrengungen unternehmen muss, um die Töne zu treffen. Instrumental kann man eigentlich niemandem Vorwürfe machen, da hier alles im grünen Bereich ist. Dennoch sorgt der matschende, wenig differenzierte Sound dafür, dass mich die Songs zunächst eher stressen, als packen. Der Einstieg wird durch das „The Great Misdirect“-Stück „Fossil Genera“ gewählt, bevor den Rest des Sets Stücke der letzten beiden Alben bestimmen.

Obwohl ich mich frage, ob Zuschauer, die mit den Songs nicht vertraut sind, hier nicht zwangsläufig akustische Schleudertraumata erleiden müssen, wissen „The Coma Machine“ und „Lay Your Ghosts To Rest“ durch technische Sauberkeit und wahnwitzige Stil-, Tempo-, und Taktwechsel zu gefallen. Vor allem der von „Parallax II“ stammende Surf-Prog-Metal-Smashhit „Bloom“ lässt meine Mundwinkel dann anschließend noch mit Katapultstart in Richtung Decke abhauen, bevor „Option Oblivion“ und „Life In Velvet“ wie auf Platte das Set beenden.

Du wurdest für schuldig befunden, durch den ältesten Rat unserer Stadt, den Namen unseres allmächtigen Herrn geschmäht zu haben! Du lästertest Gott auf unglaublich infame Weise und wirst somit zu Tode gesteinigt!

Besorgt euch schon mal ein Paket Kies, denn irgendwie konnte ich mit DEVIN TOWNSEND noch nie was anfangen.

Spielerisch gibts an dem Dude und seiner Band absolut nichts auszusetzen, aber seit jeher plagt mich der Eindruck, dass seine Musik einfach furchtbar überbewertet ist. Letztlich sorgt auch das heutige Konzert nicht dafür, diesen Eindruck zu revidieren, da mich die Songs weder inhaltlich, noch emotional, noch musikalisch abholen und ich das Konzert somit eher aus der Ferne beobachte…und den Hype nicht verstehe.

Kann es sein, dass Weibsvolk anwesend ist? 

Nun, da Robert leider nicht viel mehr zum Headliner zu sagen hat, übernehme ich an dieser Stelle wieder und postuliere: Und wie Weibsvolk anwesend ist! Weibsvolk und Freaks. Ich hatte ihn vor Jahren mal auf dem Rock Harz-Festival performen gesehen und muss sagen – in der doch recht kuschelig-kleinen Location in Berlin ist das Konzerterlebnis doch ein ganz anderes. Die ersten drei Songs im Fotograben erlebe ich einen Devin, der sehr intensiv mit dem Publikum interagiert. Auf der Bühne ist viel Bewegung, die Band ist schon seit sieben Wochen auf Tour und ihre Routine ist deutlich anzumerken. Langeweile kommt dennoch nicht auf. Die erste Hälfte des Sets besteht aus ruhigeren, Devins Aussage nach „cheesygeren“ Songs – der Opener „Rejoice“ von „Z²“ ist gefolgt von „Night“ und zwei Songs der aktuellen Scheibe. Meine Begeisterung für „Transcendence“ hielt sich zu Hause schon in Grenzen, so richtig habe ich mich bislang doch nicht hineinhören können. Live bietet sich mir ein spiel- und gesangstechnisch absolut überzeugendes Bild, doch die Stimmung kommt noch nicht so richtig auf. Erst mit dem Einstieg von „Hyperdrive“ muss ich doch schon ein bisschen ausrasten. Das Set ist überraschend wenig „Transcendence“-lastig, was ich aber absolut nicht schade finde.

Devin Townsend ist nicht nur ein fähiger Multiinstrumentalist und Sänger, sondern mindestens genauso Entertainer und Clown. Äußerst bescheiden postuliert er, dass er heute im Backstage voller Selbstbewusstsein gewesen sei und das jedoch oft ein Vorzeichen für eher wenig unterhaltende Leistung auf der Bühne ist. Vielfach betont er, wie cheesy oder heavy der eine oder andere Song sei, lässt das Publikum bei geeigneten Passagen, wie während „Where we belong“, mitklatschen und erzeugt so eine Stimmung der Selbstironie, die ihn sehr sympathisch erscheinen lässt. Mit viel Getöse kündigt er nun an, den härteren Teil der Show mit seiner „Heavy Metal Guitar“ – einer überdimensionalen Flying V – zu bestreiten.

Wie vertrackt so manche Songs sind, ist mir anscheinend beim Hören aus der Konserve nie so richtig bewusst gewesen.

„Planet of the Apes“ haut mich jedenfalls absolut aus den Latschen. Vor allem gerade diese Keule einem so poppigen Song hinterher zu geben, ist schon reichlich fies. Aber effektiv! Wie er neben seinem Gehampel und dummen Zwischenkommentaren noch so sauber singen kann, bleibt mir nach wie vor ein Rätsel. Glockenhell und sauber – schon fast unmenschlich – schallt seine Stimme durch den Saal. Das Klangerlebnis ist fantastisch, das Geholze und der Gesang darüber sehr differenziert und klar abgemischt.

„Lets swiftly switch into the heavy metal part“ – trotz dieser Ansage bringt die Band eine gute Mischung aus ruhigeren und heavieren Songs auf die Bühne. Mit dem ausgesprochen hitverdächtigen „Supercrush!“ trifft es mich mitten ins Herz und ich schmelze dahin. Auch wenn Anneke van Giersbergen ihn gesanglich leider nicht dabei unterstützt: dennoch weiß er mich, und offenbar auch den Rest des Publikums, mitzureißen.

Mit „March of the Poozers“ bin ich nun vollends hinfort und im Glückstaumel. Mächtig gewaltig und episch überrollt mich mein heimlicher Favorit des Abends. Es folgt eine äußerst ausführliche Danksagung aller Beteiligten, nicht nur an die Band. Mit kleinen Anekdoten und liebevollen Beschreibungen ausgeschmückt, stellt er alle Mitwirkenden vor und erntet so ein weiteres Mal Sympathiepunkte.

„We’re coming back those days, because we’re a metal band!“ Ohne große Starallüren werden die Zugabensongs „Ih-Ah!“ und „Higher“ noch feierlich hinterhergeschoben, eh sich die Band in den wohlverdienten Feierabend verabschiedet und die Zuschauer aus dem Saal strömen. Ich bin selig, denn das Set umfasst tatsächlich einige meiner persönlichen Devin-Superhits, „Transcendence“ kam eindeutig zu kurz und der Sound war überzeugend klar. Dass das Konzertpublikum während der Vorbands einen recht hohen Lautstärkepegel vorlegte, trübte das Gesamterlebnis leider. Daneben haben mich LEPROUS in allen Aspekten absolut überzeugen können. BETWEEN THE BURIED AND ME hingegen leider nicht. Ein paar sehr schöne Passagen haben sie zum Besten gegeben, aber alles in allem bin ich auch nach diesem Konzert noch kein Fan der US-Amerikaner.

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