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Reise in die Kindheit – BALD ANDERS

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BALD ANDERS – Sammler
Veröffentlichungsdatum: 25.08.2017
Dauer: 50 Min.
Label: Trollmusic
Stil: Dark Metal/Rock, Kraut & Rüben Rock

Kinderträume, Märchen, Sagen – der fantastische Geist, der die Welt mit all seinen Eindrücken begierig aufsaugt und transformiert. Diese Denkart möchte das kauzige, bayrischstämmige Projekt BALD ANDERS, benannt nach einem mystischen Gestaltenwandler, der bereits in deutschen Erzählungen des 16. Jahrhunderts als Sagenfigur auftauchte und auch von den Pionieren des deutschen Folk-Rocks OUGENWEIDE ehrenvoll bedacht wurde, mit seinem Debütalbum „Sammler“ vermitteln. Und so wurden acht Geschichten gesammelt, die sich teils an literarischen Vorlagen bedienen und teils aus dem Geist der längst erwachsen gewordenen Musiker entstammen. Doch dieser erwachsene Verstand blickt sehnsüchtig zurück in die Mythen und Sagen der eigenen, romantisierten Kindheit.

BALD ANDERS setzen sich, unter anderem, aus den beiden LUNAR AURORA-Mitgliedern Benjamin König und Constantin König zusammen. Diese bringen definitiv auch ein paar düstere Gitarren- und Synthieelemente mit ein, im Großen und Ganzen musizieren BALD ANDERS jedoch kauzig schräg, leicht folkig und nicht wirklich auf ein Subgenre festgelegt. Clemens Kerner am Schlagzeug sorgt an den richtigen Stellen für Druck hinter den Kesseln, hält sich aber auch gern mal zurück und jazzt entspannt vor sich hin. Sänger Izzy Wiggum wiederum singt theatralisch und lässt auch hier den Eindruck entstehen, dass sich der Sound der Gruppe nicht festlegen möchte.

 

Abgespacte Safari

Nichtsdesotrotz groovt der Opener „Amaryllis“ nach einem ruhigen Beginn und verschrobenen Synthies dann doch recht hart aus den Boxen. Mir kommt dabei eine gewisse Parallele zum letzten LUNAR AURORA-Album „Hoagascht“ in den Sinn. Simple Riffs gehen Hand in Hand mit straightem Drumming und bilden ein solides Fundament für den erzählenden Gesang. Ein interessanter wie auch gelungener Auftakt!

Im Folgenden werden in „Bäumels Tod“ und „Eulenstein“ Geschichten Otfried Preußlers besungen, namentlich „Krabat“, welches ich selbst als Junge las und das mich im jugendlichen Übermut zu eigenen literarischen Machwerken inspirierte, und „Das kleine Gespenst“, welches auf Burg Eulenstein finster seine Kreise zieht. Diese Songs zeigen sich entweder loungig-entspannt oder rockig arrangiert, können mich jedoch nicht vollends überzeugen. Die einzelnen Elemente scheinen nicht nahtlos ineinander überzugehen und stehen zu weit abseits voneinander. Zudem weckte besonders „Bäumels Tod“ in mir Erinnerungen an das NOCTE OBDUCTA-Nebenprojekt DINNER AUF URANOS.

„Safari Outer Space“ wiederum weiß mich zu begeistern und obwohl es stilistisch den vorangegangenen Stücken ähnelt, wachsen die einzelnen Elemente besser zusammen und das Songwriting erzeugt zuweilen eine gar epische Atmosphäre. Interessante Bassakzente, düstere Synthies, ein theatralischer Gesang – all diese Elemente verweben sich mit der Rockinstrumentierung zu einem gelungenen Stück Musik. Zum Ende hin wird sogar ein wenig die Metal-Keule geschwungen.

 

 

Jetzt ANDERS!

Die B-Seite des Albums eröffnet „Regenfenster“, welches sehr ruhige Töne anschlägt und sich durch kleine Akzente im Gitarrenspiel, wie auch den elektronischen Elementen auszeichnet. Ab der Mitte des Stücks ertönt zudem ein Saxophon und lässt mich erfreut lauschen. Daraufhin nimmt der Song ein wenig an Fahrt auf und steigert sich in seiner Dramatik. In diesem Stück gefällt mit der Gesang von Izzy ganz ausgezeichnet. Dieses Prädikat kann ich jedoch nicht für seine gesamte Gesangsdarbietung aussprechen, da ich seinen Stil schwer abhängig vom individuellen Gefallen sehe. Objektiv betrachtet liefert er jedoch eine solide Leistung ab.

„Prof. Wright“ weist eine gewisse „postige“ Songfärbung auf und lässt mich in Kindheitserinnerungen schwelgen. Thematisiert wird der namensgebende Cyborg aus Captain Future und dieser entführt den Verstand durchaus in andere Welten. Dieses Lied ist klar mein Favorit des Albums. Viele Stilistiken werden miteinander verwoben, erzeugen Dynamik und lassen Bilder der kultigen Serie vor meinem geistigen Auge enstehen.

„Doch was ist der Verstand beschränkt auf das Gehirn?“

Das längste Stück des Albums „Kinderwälder“ handelt von zahlreichen Tagen, die die Protagonisten in ihrer Kindheit zwischen Felden, auf Auen und in Wäldern verbrachten, fernab von Sorgen und Nöten. Voller Inbrunst werden diese Erinnerungen besungen und sowohl rockig-stampfende als auch ruhig-melancholische Passagen wechseln sich fließend ab. Hervorheben möchte ich den gerade in diesem Stück immer wieder akzentuierten Einsatz von „exotischen“ Instrumenten wie etwa Xylophon oder interessanten Synthiesounds. Das ist das Salz in der Suppe des Klangbildes von BALD ANDERS.

 

 

Hand in Hand

Der Rausschmeißer „Alter Mann“ stellt für mich noch einmal ein Highlight dar. Ein herrlich selbstironischer Text trifft auf eine abgedrehte Instrumentierung, die mich mit dem Einsatz von Bontempi-Orgel-Klängen sogar ein wenig an das Schaffen Helge Schneiders erinnert, und zeigt zum Schluss des Albums auf, dass das Spektrum der ausgebreiteten Emotionen auf „Sammler“ augenzwinkernd von einem Moment auf den anderen von todtraurig zu hochjauchzend wechseln kann.

BALD ANDERS haben ihr eigenes Gebräu zudem in eine warme, organische Produktion gepackt, die den Gitarren ordentlich Spielraum gibt und auch die Details nicht verschlingt, jedoch ganz klar dem Gesang den meisten Platz einräumt. Über diesen lässt sich, wie weiter oben angemerkt, meiner Meinung nach streiten, zumindest jedoch geht er Hand in Hand mit dem sehr eigenen Stilmix.

Die Cover- und Bookletgestaltung gefällt mir ebenfalls sehr gut und wirkt äußerst stimmig. Auf dem Cover sieht man den namensgebenden BALD ANDERS und das Booklet illustriert wunderbar den erzählerischen Charakter der Songs. Mehr dazu könnt ihr im unten eingebetteten Trailer sehen.

Ich möchte in Zukunft gerne mehr von dieser illustren Truppe hören. „Sammler“ hat einige durchaus gute Songs versammelt, wirkt auf mich jedoch noch nicht in der Gänze überzeugend, sticht jedoch locker aus der Masse an Veröffentlichungen hervor. Darauf trinke ich einen. Prost!

 

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Homepage der Barden

Autorenbewertung

7
"Sammler" bedient sich vieler Elemente des Rocks, Metals aber auch der Folklore und ähnlich gearteten Spielweisen. Geboten werden Songs, die teils ordentlich abrocken und teils schräg und theatralisch anmuten. Der Blick in die Kindheit wird ambivalent geschildert, überzeugt an einigen Stellen auf bemerkenswerte Weise, weiß jedoch an anderen Stellen nicht vollends zu überzeugen. Wer jedoch Lust auf ein sehr eigenes Rock-Album hat und den Blick auf vergangene Kindheitstage richten möchte, ist mit "Sammler" gut bedient.
ø 4.8 / 5 bei 1 Benutzerbewertungen
7 / 10 Punkten

Vorteile

+ interessanter Stilmix
+ angenehm warmer Klang
+ abwechslungsreiche Songs
+ "Prof. Wright"

Nachteile

- die Songs sind nicht immer ganz stimmig
- der Gesang ist definitiv Geschmackssache

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