Remaster – Hype, Fanservice oder Buhmann?

Die Klassiker sind ein Verkaufsgarant, da müssen wir uns nichts vormachen. Neue Bands müssen mit der richtigen Werbung erst ins Rampenlicht gerückt werden, damit sich genug Alben absetzen und die Finanzen stimmen. Da ist es viel einfacher, auf bekannte Namen und vor allem deren beliebteste Großtaten zu setzen. Ein paar kleine Anpassungen beim Sound, etwas Politur links und rechts und noch die beiden Bonustracks von der japanischen Edition draufgepackt, fertig ist die Neuauflage.

Unbedingt neu ist das Thema nicht wirklich, aber in letzter Zeit tauchen Reissues und Remaster irgendwelcher Klassiker in einer solchen Fülle auf, dass man schon von einem Phänomen sprechen kann. Einige Bands haben ja sogar angekündigt, ihre ganze Diskographie neu aufzulegen, so etwa die Finnen von STRATOVARIUS. Auch GAMMA RAY haben jüngst eine ganze Reihe Reissues ins Feld geschickt, und das geschnürte Paket ist in den meisten Fällen auch über jeden Zweifel erhaben: Bewährtes Material erstrahlt in neuem Glanz, dazu gibt es dann kleinere und größere Einblicke in den Liner-Notes sowie rares Material. Für Neueinsteiger eine gute Möglichkeit, um die Klassiker nachzuholen und sich an den meist aufwändigen neuen Aufmachungen zu erfreuen.

So gesehen müsste eigentlich jeder ein Gewinner sein, schließlich scheint sich die Sache gut zu verkaufen, obendrein haben sich die Songs längst als Erfolgsgaranten erwiesen. Sogar die Ewiggestrigen kommen auf ihre Kosten, schließlich lassen sich viele Bands anlässlich solcher Veröffentlichungen dazu verlocken, mal wieder mehr olle Kamellen im Set unterzubringen.

Plumpe Geldmache?

Ankreiden kann man nun allerdings, dass es sich hierbei um eine faule Vorgehensweise handelt. Durchaus bieten diese Neuauflagen im Normalfall viel Inhalt für ein schmales Budget, denn üppige Booklets, hochwertige Aufmachungen und tonnenweise Bonusmaterial sind hier Usus. Die Band braucht sich da in der Regel nicht einmal wirklich anzustrengen. Hier wird ein neues Artwork in Auftrag gegeben, dort noch jemand mit dem neuen Mastering beauftragt, und die Liner-Notes sind auf der nächsten Busfahrt auch schnell geschrieben. Songwriting und Recording? Nicht nötig. Eine neue Abmischung? Eher die Ausnahme.

Manche Kapellen legen sich bei ihren Neuauflagen natürlich richtig ins Zeug, da wollen wir mal nicht gleich alle über einen Kamm scheren. PAIN OF SALVATION haben sich bei der Neuauflage zu „Remedy Lane“ einen komplett neuen Mix in den renommierten Fascination Street Studios geleistet und obendrein eine Live-Version des Albums dazugepackt, die sich als echter Mehrwert erweist. Gerade weil die Abmischung des Originals vielen Fans ein Dorn im Auge gewesen ist, wurde die Neuauflage mehr als wohlwollend aufgenommen.

Einen Schritt weiter sind vor einer Weile SONATA ARCTICA gegangen, als diese ihr erstes Album komplett neu aufgenommen haben. Finanziell und zeitlich zweifellos ein deutlich aufwändigeres Unterfangen, das im Endeffekt zwar nicht überall auf Gegenliebe gestoßen ist, immerhin aber von Einsatz zeugt. Ein ähnliches Vorgehen haben nun W.A.S.P. mit ihrem Meisterwerk „The Crimson Idol“ angekündigt – eine sichere Investition ist es allemal. Und spannender als ein stumpfes Remaster noch dazu.

Das Phänomen beschränkt sich auch nicht allein auf die Musik. Gerade im Videospiel-Bereich sind Remaster in letzter Zeit ein viel diskutiertes Thema geworden. Statt eine richtige Neuauflage zu zimmern, wird da einfach fix die Auflösung angepasst, dann werden noch ein paar Komfortfeatures im Code untergebracht, und schon kann die Kasse klingeln. Dass der Plan aufgeht, lässt sich am Beispiel der FINAL FANTASY-Reihe ablesen, und auch etliche andere Serien präsentieren die Publikumslieblinge ein zweites Mal. Hallo CALL OF DUTY.

Verschärfung bestehender Problematiken

Der normale Konsument kauft natürlich das, was ihn anspricht. Geld ist hierbei aber auch ein Faktor, da nur die wenigsten von uns schwerreich sein dürften und sich nach Herzenslust der Gönnung hingeben können. Gehen wir nun einmal ganz unwissenschaftlich vor und behaupten einfach, dass die Käufer monatlich nur einen bestimmten Betrag für Musik ausgeben und darüber hinaus nichts mehr kaufen, auch wenn es sie interessiert.

Nun fließt also ein Teil des verfügbaren Geldes in Aufgewärmtes. Und das in einer Branche, deren Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ohnehin schon mehr als gestört ist. Ein möglicher Effekt hiervon ist, dass noch weniger vom Kuchen für neue Bands übrig bleibt, sofern man diesen denn die gleiche Klientel unterstellt. Es ist schon länger der Fall, dass viel frisches Blut einen Platz für sich beanspruchen möchte, die Platzhirsche aber nach wie vor aktiv sind. Dies wird mit der aktuellen Schwemme aufgewärmter Klassiker noch einmal untermauert.

Im Endeffekt bestimmt aber ohnehin der Hörer, wohin die Reise geht. Wenn sich diese Neuauflagen wirklich gut verkaufen, dann besteht auch eine gewisse Nachfrage nach aufpolierten Klassikern. Ist es da richtig, tadelnd mit dem Finger zu wedeln und auf die Probleme der Branche zu verweisen? Immerhin darf doch jeder Hörer frei entscheiden, wofür er sein Geld ausgeben möchte. Genauso kann man es keiner Band verübeln, die eigene Vergangenheit noch einmal aufzuarbeiten und in ein schöneres Gewand zu kleiden.

Es wird auf jeden Fall interessant, den weiteren Verlauf hinsichtlich dieser Thematik zu beobachten. Möglicherweise handelt es sich ja auch nur um einen kleinen Hype, der uns in ein paar Jahren nur noch ein müdes Lächeln abringt. Nun wollen wir natürlich wissen, wie ihr zu diesem Thema steht! Willkommene Reise in die Vergangenheit oder lästige Erscheinung, die bald vorübergeht?


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