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Remaster – Hype, Fanservice oder Buhmann?

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Die Klassiker sind ein Verkaufsgarant, da müssen wir uns nichts vormachen. Neue Bands müssen mit der richtigen Werbung erst ins Rampenlicht gerückt werden, damit sich genug Alben absetzen und die Finanzen stimmen. Da ist es viel einfacher, auf bekannte Namen und vor allem deren beliebteste Großtaten zu setzen. Ein paar kleine Anpassungen beim Sound, etwas Politur links und rechts und noch die beiden Bonustracks von der japanischen Edition draufgepackt, fertig ist die Neuauflage.

Unbedingt neu ist das Thema nicht wirklich, aber in letzter Zeit tauchen Reissues und Remaster irgendwelcher Klassiker in einer solchen Fülle auf, dass man schon von einem Phänomen sprechen kann. Einige Bands haben ja sogar angekündigt, ihre ganze Diskographie neu aufzulegen, so etwa die Finnen von STRATOVARIUS. Auch GAMMA RAY haben jüngst eine ganze Reihe Reissues ins Feld geschickt, und das geschnürte Paket ist in den meisten Fällen auch über jeden Zweifel erhaben: Bewährtes Material erstrahlt in neuem Glanz, dazu gibt es dann kleinere und größere Einblicke in den Liner-Notes sowie rares Material. Für Neueinsteiger eine gute Möglichkeit, um die Klassiker nachzuholen und sich an den meist aufwändigen neuen Aufmachungen zu erfreuen.

destiny2016

So gesehen müsste eigentlich jeder ein Gewinner sein, schließlich scheint sich die Sache gut zu verkaufen, obendrein haben sich die Songs längst als Erfolgsgaranten erwiesen. Sogar die Ewiggestrigen kommen auf ihre Kosten, schließlich lassen sich viele Bands anlässlich solcher Veröffentlichungen dazu verlocken, mal wieder mehr olle Kamellen im Set unterzubringen.

Plumpe Geldmache?

Ankreiden kann man nun allerdings, dass es sich hierbei um eine faule Vorgehensweise handelt. Durchaus bieten diese Neuauflagen im Normalfall viel Inhalt für ein schmales Budget, denn üppige Booklets, hochwertige Aufmachungen und tonnenweise Bonusmaterial sind hier Usus. Die Band braucht sich da in der Regel nicht einmal wirklich anzustrengen. Hier wird ein neues Artwork in Auftrag gegeben, dort noch jemand mit dem neuen Mastering beauftragt, und die Liner-Notes sind auf der nächsten Busfahrt auch schnell geschrieben. Songwriting und Recording? Nicht nötig. Eine neue Abmischung? Eher die Ausnahme.

Manche Kapellen legen sich bei ihren Neuauflagen natürlich richtig ins Zeug, da wollen wir mal nicht gleich alle über einen Kamm scheren. PAIN OF SALVATION haben sich bei der Neuauflage zu „Remedy Lane“ einen komplett neuen Mix in den renommierten Fascination Street Studios geleistet und obendrein eine Live-Version des Albums dazugepackt, die sich als echter Mehrwert erweist. Gerade weil die Abmischung des Originals vielen Fans ein Dorn im Auge gewesen ist, wurde die Neuauflage mehr als wohlwollend aufgenommen.

Einen Schritt weiter sind vor einer Weile SONATA ARCTICA gegangen, als diese ihr erstes Album komplett neu aufgenommen haben. Finanziell und zeitlich zweifellos ein deutlich aufwändigeres Unterfangen, das im Endeffekt zwar nicht überall auf Gegenliebe gestoßen ist, immerhin aber von Einsatz zeugt. Ein ähnliches Vorgehen haben nun W.A.S.P. mit ihrem Meisterwerk „The Crimson Idol“ angekündigt – eine sichere Investition ist es allemal. Und spannender als ein stumpfes Remaster noch dazu.

Das Phänomen beschränkt sich auch nicht allein auf die Musik. Gerade im Videospiel-Bereich sind Remaster in letzter Zeit ein viel diskutiertes Thema geworden. Statt eine richtige Neuauflage zu zimmern, wird da einfach fix die Auflösung angepasst, dann werden noch ein paar Komfortfeatures im Code untergebracht, und schon kann die Kasse klingeln. Dass der Plan aufgeht, lässt sich am Beispiel der FINAL FANTASY-Reihe ablesen, und auch etliche andere Serien präsentieren die Publikumslieblinge ein zweites Mal. Hallo CALL OF DUTY.

Verschärfung bestehender Problematiken

Der normale Konsument kauft natürlich das, was ihn anspricht. Geld ist hierbei aber auch ein Faktor, da nur die wenigsten von uns schwerreich sein dürften und sich nach Herzenslust der Gönnung hingeben können. Gehen wir nun einmal ganz unwissenschaftlich vor und behaupten einfach, dass die Käufer monatlich nur einen bestimmten Betrag für Musik ausgeben und darüber hinaus nichts mehr kaufen, auch wenn es sie interessiert.

Nun fließt also ein Teil des verfügbaren Geldes in Aufgewärmtes. Und das in einer Branche, deren Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ohnehin schon mehr als gestört ist. Ein möglicher Effekt hiervon ist, dass noch weniger vom Kuchen für neue Bands übrig bleibt, sofern man diesen denn die gleiche Klientel unterstellt. Es ist schon länger der Fall, dass viel frisches Blut einen Platz für sich beanspruchen möchte, die Platzhirsche aber nach wie vor aktiv sind. Dies wird mit der aktuellen Schwemme aufgewärmter Klassiker noch einmal untermauert.

Im Endeffekt bestimmt aber ohnehin der Hörer, wohin die Reise geht. Wenn sich diese Neuauflagen wirklich gut verkaufen, dann besteht auch eine gewisse Nachfrage nach aufpolierten Klassikern. Ist es da richtig, tadelnd mit dem Finger zu wedeln und auf die Probleme der Branche zu verweisen? Immerhin darf doch jeder Hörer frei entscheiden, wofür er sein Geld ausgeben möchte. Genauso kann man es keiner Band verübeln, die eigene Vergangenheit noch einmal aufzuarbeiten und in ein schöneres Gewand zu kleiden.

Es wird auf jeden Fall interessant, den weiteren Verlauf hinsichtlich dieser Thematik zu beobachten. Möglicherweise handelt es sich ja auch nur um einen kleinen Hype, der uns in ein paar Jahren nur noch ein müdes Lächeln abringt. Nun wollen wir natürlich wissen, wie ihr zu diesem Thema steht! Willkommene Reise in die Vergangenheit oder lästige Erscheinung, die bald vorübergeht?

Bild mit freundlicher Genehmigung von Stratovarius

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7 Kommentare

  1. minuslik
    6. Februar 2017 bei 22:00 — Antworten

    Eine kleine Ergänzung: Der Bayrische Rundfunk hat mal einen Tonmeister gefragt, was er von der Remasterei hält. Das kam gestern im Radio und ich musste sofort an diesen Artikel denken. Falls es jemanden interessiert:

    http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/kulturjournal/05-02-2017kulturjournal-100.html

    (ab 1:08:10 h)

    • 7. Februar 2017 bei 12:51 — Antworten

      Jupp, bei 1:10:00 Gehts dann los. Nicht ganz unser Genre, aber sehr spannend! Danke für den Tipp!

  2. Metal-Inge
    31. Januar 2017 bei 13:51 — Antworten

    ich stimme dir zu, wenn es um das Kennenlernen bereits ziemlich bekannter Bands geht, aber sogenannte Newcomer bringen leider keine Greatest-Hits-Alben raus. Ich mag lieber die Perlen am Meerengrund suchen, aber wie gesagt, jeder hat einen anderen Geschmack und ist selbst Herr darüber, was er oder sie gerne kaufen möchte.
    Ich persönlich kaufe keine Platten, weil ich selbst finde dass Metal auf Platte immer ziemlich flach klingt (wie gesagt Geschmackssache), aber ich könnte Tonnen von Geld für Konzerte und Merchandise rauswerfen 😉

    • minuslik
      6. Februar 2017 bei 21:55 — Antworten

      Wie der Jurist zu sagen pflegt: Es kommt drauf an. Bei den kleinen Bands mit ein, zwei Alben würde ich ja auch nicht erwarten, dass die sofort ein Greatest-Hits-Album rausbringen (oder es so wie »Mynded« machen und einfach die Titel des ersten Albums mit aufs zweite packen), bei denen verschaffe ich mir den Überblick gern selber, aber bei einer Band mit zwanzigjähriger Schaffensgeschichte und drölfzig Alben ist mir eine solche Krücke schon willkommen.

  3. Metal-Inge
    30. Januar 2017 bei 9:31 — Antworten

    Interessanter Beitrag, eins möchte ich aber anmerken, bei den Remastered Versionen von Videospielen gibt es aber auch einige aufwendige Perlen. Man schaue sich da mal die Remastered Version von Tales of Monkey Island an. Mit der Anpassung der Auflösung war es da nicht getan. Das wurde komplett neu gezeichnet, da steckt schon etwas mehr Aufwand dahinter.

    Ansonsten geb ich dir vollkommen recht, wenn wirklich nur die Platte neu gedruckt wird, oder noch schlimmer ein Greatest Hits Album zusammengezimmert wird, ist das sicherlich schon ein wenig Abzocke, allerdings kann ja auch jeder selber entscheiden, wofür er sein Geld ausgibt.
    Biste halt so ein richtiger Fanboy/ oder ein Fangirl kaufst du eben auch jeden Schrott von deiner Lieblingsband.

    Ich glaube allerdings nicht, dass das ein Problem junger unbekannter Bands ist, sondern eine miserable Vermarktung dieser (durch Promoter, und Plattenfirmen etc.) und vielleicht auch, weil der Metalhead einfach zu faul ist (oder keine Zeit hat), Neues kennenzulernen.

    • minuslik
      30. Januar 2017 bei 19:12 — Antworten

      Meiner Meinung nach eignen sich Greatest-Hits-Alben ausgezeichnet dazu, eine neue Band kennenzulernen. Man muss sich nicht entscheiden, mit welchem Album man überhaupt anfängt und erwischt mit ein bisschen Pech das schlechteste, außerdem bekommt einen tollen Überblick, wie sich die Band bisher entwickelt hat und ob sie einem überhaupt zusagt – falls nicht, hat man nur das Best-Of-Album herumliegen.

      • Metal-Inge
        31. Januar 2017 bei 13:55

        siehe oben, hab den falschen Antwort-Button geklickt^^

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