Russkaja live – Gelungene Integration
Köln, Nähe Neumarkt, es ist Donnerstag Abend. Wir vom Silence haben die Ehre, mit gleich zwei Redakteuren zu einem Konzert gehen zu dürfen. Das ist schön, eröffnet es doch weitere Möglichkeiten, u.a. bezüglich einem separaten Interview mit der Band, um die es heute Abend geht. RUSSKAJA sind in der Stadt! Die Wiener Musiker, die mit ihrem stark tanzbaren Crossover über gleich mehrere Genres in den letzten Jahren Eingang in die Metalszene gefunden haben, sind momentan auf Clubtour durch Deutschland. Heute spielen sie im Zuge dessen im Gloria Theater, einem alten Kino, welches zu einem Konzertsaal umfunktioniert wurde. Mit im Gepäck haben sie IVAN IVANOVICH & THE KREML KRAUTS. Nastrovje!
IVAN IVANOVICH & THE KREML KRAUTS
Nachdem wir uns die ungewöhnliche Location ein wenig näher angesehen haben und auch mit dem Security-Chef sprechen konnten, startet um 20 Uhr die Vorband. Noch sind nicht alle Besucher da, aber der Raum ist dennoch schon gut gefüllt. Die Trierer Gruppe, welche sich, genauso wie RUSSKAJA, nicht mit nur einem Musikstil zufrieden gibt, kommt mit einem ganzen Potpourri an Instrumenten an. Sogar ein Hornist ist dabei. IVAN und seine Mitstreiter sind weniger rockig als der Main Act, bringen die Zuschauer aber trotzdem innerhalb kürzester Zeit zum tanzen und mitsingen. Die lockere, unorthodoxe Art von Sänger Ivan Ivanovich und der wirklich tighte Bläsersatz bauen auf einer unnachgiebig groovenden Rhythmusgruppe auf. Gegen Ende des Sets wagt der Frontmann es sogar, das geliebte Szenekölsch anzusprechen, was man ihnen da gegeben hat. Oh oh! Da muss man noch zwei, drei Songs liefern, um keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen. Am Ende fordern die Zuschauer aber sogar noch eine Zugabe, und die Band kann sogar ihren nächsten Gig in Köln zwei Wochen später ankündigen. Sehr schön.
Nach dieser Einstimmung entsteht eine kleine Pause, in der man sich nochmal dehnen und frische Luft schnappen kann. Aber jetzt wird still stehen wohl nicht mehr geduldet. Und auch kaum noch möglich sein. Als um 21 Uhr RUSSKAJA die Bühne in Beschlag nehmen, ist es nämlich voll im Gloria Theater. Jetzt merkt man, dass 500 Leute an dem Abend gekommen sind. Zudem scheint es in einer Hinsicht einen kleinen Rollentausch gegeben zu haben. Die Musiker haben im Verhältnis plötzlich mehr Platz auf der Bühne als der einzelne Besucher im Zuschauerraum. Egal. Was macht man da? Weitertrinken und mithopsen. Sänger Georgij macht es vor. Auch die restlichen Bandmitglieder sind ebenfalls sehr aktiv auf der Bühne unterwegs. Die lockere Performance und ständige Bewegung auf der Bühne, gepaart mit der Musik, überträgt sich sofort auf das Publikum.
RUSSKAJA
Das Interessante hier ist, dass bei RUSSKAJA das, was auf Festivals funktioniert, auch bei einer Clubshow funktioniert. Die Ansagen genauso wie die Spielchen mit dem Publikum. Bei „Traktor“ gibt es dieselbe Einweisung wie bei Open Air Konzerten, das Publikum soll genauso den Circle Pit springen. Parallel dazu performen die Instrumentalisten auf der Bühne den Zirkel mit. Einziger Unterschied: jemand steht mit einem Stab, an dem eine Lichterkette (quasi als Weihnachtsbaum) und ein Sack hängen, in der Mitte. Das Pfand der in dem Sack gesammelten Becher soll an Viva con Aqua gehen. Schöne Idee. Und Bock macht es sowieso.
Generell kommt bei dem Auftritt keiner zu kurz. Hits wie „Energia“ und „Peace Love and Russian Roll“ werden volle Kante rausgehauen. Dabei bleibt ein sehr gerechtes Gleichgewicht erhalten, was den einzelnen Musikern Gelegenheit gibt, ihre Fähigkeiten zu zeigen. Ganz im Jazz-Stil gibt es immer wieder Passagen in den Songs, in denen die Instrumente durchrotieren, um kurze Soli zu spielen.
Das ist cool, und es zeigt, dass RUSSKAJA keine Metalband sind, sondern wirklich eine Gruppe, in der trotz ihrer zahlenmäßigen Größe die einzelnen dennoch ihre Wertigkeit und Fähigkeiten haben. Dass ihnen der Raum gegeben wird dies zu präsentieren, ohne dass die Spannung durch überdehnte Solo-Jams, welche am Ende nur noch für die Musiker selbst interessant sind, beweist die Qualität dieser Band.
Am Ende bleibt zu sagen, dass dieser Stadt und diese Location wirklich eine sehr gute Wahl war, sich RUSSKAJA live in einem Club anzusehen. Sie zeigen, wie gute-Laune-Musik und Crossover funktionieren können. Sie zeigen auch, dass sie damit ein dementsprechend sehr breites Publikum erreichen können. Und der dafür erstaunlich hohe Metalleranteil zeigt, dass auch Kuttenträger insgeheim Ska und Polka verstehen. Man muss nur die Regler weit genug aufdrehen und einen Sänger auf die Bühne stellen, der eine entsprechende Röhre hat. So macht Musik Spaß. Wegen solcher Gruppen mag ich auch meine Metalszene. Scheiss drauf, wie die Musik heisst. Gut muss sie sein.
IVAN IVANOVICH – Homepage / Facebook
RUSSKAJA – Homepage / Facebook /Bandcamp
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1 Kommentar
Wow, so viele Kornkreise – ähem Circle pits auf Neudeutsch! Scheint mir eine Truppe zu sein die das Publikum voll mitreisst. Muss ich mir unbedingt mal antun!