Schmetterling oder Schmeißfliege – Degraey
DEGRAEY – Chrysalis
Veröffentlichungsdatum: 09.11.2016
Dauer: 60:31 Min.
Label: Self Released
Schon mal von der spanischen Band CARONTTE gehört? Nein? Die gibt es leider auch nicht mehr. Dafür haben Gitarrist Victor Paradis und Schlagzeuger Cesar Perals aus dem toten Leibe CARONTTEs die neue Formation DEGRAEY auf die Welt gebracht. „Chrysalis“ lautet nun der Titel des Quasi-Debütalbums der Spanier. Was kann die Scheibe? Seit wann machen Spanier Post Metal? Und was bitte ist ein Chrysalis? Dazu später mehr.
DEGRAEY starten ganz ruhig und bedächtig in den Opener „From Them“. Zartes Gitarrengeklimper deckt dabei direkt Post-Rock-Einflüsse auf. Gemächlich errichtet die Band ein dahinwalzendes Riff-Fundament, das die erhaben dahinschwebenden Melodien untermauert und Assoziationen zu PELICAN weckt. Voll mein Ding!
Das singende Mäuschen
Nach rund drei Minuten wagt sich erstmals ein schüchternes Mäuschen namens Klargesang aus seinem Versteck. Unauffällig schnuppert es etwas umher, bleibt jedoch im Hintergrund und huscht rasch wieder davon. Wenig später erschallt aus den Tiefen dann ein erster Schrei – nun sind wir endgültig im Post Metal angekommen. Allerdings geht dem stimmlichen Ausbruch etwas die Eindringlichkeit ab, mit der einen Genregrößen wie NEUROSIS oder ISIS jäh aus den Träumen reißen können. Da ist also noch Luft nach oben.
Varianz haben sich DEGRAEY beim Songwriting hingegen ganz groß auf die Fahne geschrieben. Denn die Band spielt gekonnt mit der musikalischen Spannung, baut sie auf und ab, lässt den Druck steigen und ihn wieder entweichen. So gleicht das Hörerlebnis einer unvorhersehbaren Achterbahnfahrt über Berg und Tal. Was an sich ja nötig ist, um Songs mit meist über sechs Minuten Länge interessant zu gestalten. Doch nach der zehnten Fahrt wird jede Achterbahn irgendwie langweilig. Und das ist das Problem.
Rauf, runter, rauf, runter, rauf, runter …
„Chrysalis“ ist kein schlechtes Album, und Songs wie das härtere „Black Bass“, das verschlungene „Hearth“ oder das rein instrumentale „Shellhead“ gefallen mir gut. Über die Dauer von immerhin rund 60 Minuten fehlt es der Scheibe allerdings an Varianz und Frische. Wie gesagt, irgendwann hat man sich an das Rauf und Runter einer Achterbahnstrecke nunmal gewöhnt. Und wer fährt schon gern eine Stunde am Stück die ewig gleiche Achterbahn, wenn nebenan tausend andere spannende Fahrgeschäfte locken?
Zu bemängeln ist auch, dass keiner der Tracks auf „Chrysalis“ so richtiges Ohrwurmpotenzial besitzt. Gut, Post Metal ist nicht zwingend für seine eingängigen Airplay-Hits oder Stadion-Hymnen bekannt. Trotzdem sollte sich mal die ein oder andere Melodie im Ohr festsetzen. Sonst bleibt der erste Hördurchgang schnell der einzige und das Album versinkt auf ewig im grauen Sumpf des Durchschnitts.
Apropos: Die Gesangsleistung verdient sich leider ebenfalls nur das Prädikat „Durchschnitt“. Ja, manche Schreie sind ganz gut gelungen, aber den meisten fehlt es dann eben doch an stimmlicher Durchschlagskraft. Und was den Klargesang angeht – naja… Ohne je in der Jury von „DSDS“ oder „Voice Of Germany“ gesessen zu haben (inwiefern das als Qualifikation durchginge, wäre eh fraglich), meine ich doch einige schiefe Töne erkannt zu haben. Das fällt zwar nicht so stark ins Gewicht, da eh nur zu gefühlt zehn Prozent der Zeit gesungen wird, aber die wenigen Momente stören dann halt doch. Cesar Perals und Victor Paradis reichen leider einfach nicht an Stimmkaliber wie Daniel Droste (AHAB) oder Johannes Persson (CULT OF LUNA) heran.
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Dies ist ein Beitrag von Gastautor: Andi
Autorenbewertung
Vorteile
+ Intensität wechselt häufig innerhalb der Songs
+ Gesang steht im Hintergrund
Nachteile
- Album ist zu lang
- Gesang eher unterdurchschnittlich
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