Senf der Woche #14 – KEINE EXPERIMENTE?!

Jawoll, SILENCE goes cuisine! Wer seine Pommes nicht nur Schranke, sondern auch mal mit den Variationen des Granum Sinapis veredelt wissen möchte, ist hier genau richtig. Senf in seinen urigsten und verspieltesten Varianten und zu den unterschiedlichsten Gerichten serviert, dargeboten von der SILENCE-Crew.


Thema heute: Wenn Bands Experimente wagen … Was hat gut geklappt? Und was war eher ein Griff ins Klo?

Robert meint:

„Die einzige Konstante ist Veränderung“, oder „Schuster, bleib bei deinen Leisten“? In kaum einer subkulturellen Sphäre könnte das wohl so ausschweifend diskutiert werden, wie in der Musik. Wo die einen Neuerungen aufs Übelste verachten und jede Innovation den Vorwurf des Ausverkaufs mit sich bringt, können es andere kaum ertragen, wenn sich zwei Platten zu sehr gleichen. Ich zähle mich eher zur letzteren Kategorie.

Das letzte Album der Briten ALTAR OF PLAGUES stellt zum Beispiel ein Werk dar, das mit dem Bandsound aufs Krasseste bricht. Aus dem Post Black Metal wurde ein tiefschwarzer Industrial-/Black-Metal-Bastard, nach dessen Veröffentlichung sich die Band auflöste. Genauso verstörend wie eindrucksvoll. Gar nicht eindrucksvoll ist „Hail Mary“ von IWRESTLEDABEARONCE, auf dem sie all die kranken Alleinstellungsmerkmale über Bord warfen, die sie sonst vom generischen Deathcore der Mitt-2000er unterschied. Ein Abstieg in die Gesichtslosigkeit. Experiment misslungen!

Wieder anders verhält es sich mit SLIPKNOT, bei denen kein Output so experimentell ist wie das erste, nachträglich zum Demo degradierte, Album „Mate. Feed. Kill. Repeat“. Was die Band dazu veranlasst hat, diesen Weg nicht weiter zu gehen, verstehe ich bis heute nicht.

Fest steht für mich, dass Stillstand in der Musik tödlich ist, weswegen ich für jede Innovation dankbar bin, auch – oder besonders – wenn sie vielleicht mit Konventionen bricht.

Nina findet:

Fantastisch, wie man sich bei solchen Fragen zunächst immer nur an die absoluten Gurken erinnert … Ich versuche dennoch, erstmal positiv zu bleiben. Zunächst gibt es Künstler, die sich mutig Seit an Seit mit (verschiedenen) Begleitband(s) durch mannigfaltige Strömungen und Stile wühlen – hier sei nur exemplarisch auf Victor Wootens Prog-Metal-Projekt OCTAVISION verwiesen sowie das Gesamtwerk DEVIN TOWNSENDs.

Es gibt auch Experimente wie z.B. SAMSAS TRAUMs „Heiliges Herz“, mit dem sie einen finsteren Ausflug in den Black Metal wagten. Prädikat: Hörenswert fies! Ob es nun Kreativität oder Strategie ist: wer sich wandelt, bleibt im Gedächtnis. Durch Stillstand sind schon einige, zeitweilig gehypte Bands wieder in der Bedeutungslosigkeit versunken.

Kein künstlerisches Experiment, sondern die (vermutlich) erstrebte Öffnung zum amerikanischen Markt, hat mir nach einer tollen Entwicklung das weitere Interesse an APOCALYPTICA verhagelt. Die Celli klangen auf „7th Symphony“ zu sehr wie E-Gitarren, effektüberladen und teilweise mega glattgebügelt. Erschwerend hinzu kam der wachsende Einsatz verschiedener Sänger – einer schnulziger und affektierter als der nächste. Schade. Seit „Worlds Collide“ kriselte es deswegen schon zwischen uns, 2010 war es dann endgültig aus.

Dass ich mit DREAM THEATERs „The Astonishing“ nichts anfangen kann, hatte ich in unserem Endjahrespoll 2016 bereits erwähnt. Opulente Werke, ja, gern. Aber mit dem Musical sind sie doch etwas zu weit gegangen. Manche Entwicklungen sind zeitweilig, kurze Ausflüge. Andere vollziehen sich langfristiger und verändern das Profil der Band. Ich zeige hier nur kurz in Richtung ALCEST, ULVER oder FLESHGOD APOCALYPSE.

Renè sagt:

Ein sehr dankbares Thema eigentlich für die, die sich gerne von ihren Lieblingskünstlern überraschen lassen. Oder auch nicht.

ATROCITY (ger): War „Hallucinations“ eine völlig neue Art, Death Metal zu spielen/hören, so sackte mir der Unterkiefer auf die unbehaarte Brust, als ich mir „Werk 80“ reinzog. Ich fand die Idee anfangs cool, 8oer-Hits zu vermetallen. Hat sich aber ganz schnell wieder gelegt, vor allem, wenn man die Live-Performance dazu ertragen musste.

SAMAEL: Einen Quantensprung in ihrer musikalischen Entwicklung nahmen die Schweizer, als Xy die Drums in die Ecke stellte und fortan nur noch mit elektronischem Firlefanz aufwartete. So als Experiment, wie die „Exodus“-EP, fand ich das durchaus knorke, war dann aber vom eh schon dünnen und anorganischen „Passage“-Sound ganz schnell wieder von der Idee geheilt.

MORGOTH: DIE deutschen Death-Metal-Helden schlechthin, bis zu „Feel Sorry For The Fanatic“. Ich empfands damals tatsächlich als Verrat am Metal [Credits an JaKa für den Wortklau], Techno-Samples und -Sequenzen da beizumischen. Tatsächlich aber isses ne großartige Platte!

WALTARI: Wa? Kenn ick nich! Großer Fehler! Hab leider lange nix von den bekloppten Finnen gehört, außer von Sami, der klampft für sone Essener Kellercombo namens KREATOR. Wasn dämlicher Name, die werden nie was … Ich erwähne WALTARI, weil? Weil die meinen kleinen musikalischen Kosmos durch ihren experimentellen Input auf ein Multiversum aus Sounds und Ideen hochkorrigiert haben, was mich bis heute prägt.


Ihr kennt noch mehr Beispiele? Dann her damit!


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