Sibiir – kupfern gern mal ab

SIBIIR – Sibiir
Veröffentlichungsdatum: 09.12.2016
Länge: 37:48 Min.
Label: Fysisk Format
Stil: Blackened Hardcore/Post Metal

Alle Black Metal-Puristen dürfen gleich aufschreien, denn ihr Kulturgut wird mal wieder geklaut und geschändet. Denn aus irgendeinem Grund, der mir nicht bekannt ist, ist es nicht immer gern gesehen, wenn andere Musikrichtungen mit dem trven Kvlt Metal vermischt werden. Die Kunstform scheint also nur pur und roh einen echten Geltungswert zu haben. Falls ihr diese Meinung vertretet, wird euch gar nicht gefallen, was die Crust- und Hardcore-Fans mit eurem lieben schwarzen Metal machen. Im Debüt-Album von SIBIIR treffen dissonante Power Chords auf chaotische Hardcore-Chugs und dann kann man auch noch die Black’n’Roll-Verunglimpfer KVELERTAK heraushören. Und es reicht noch nicht, die Elitisten winselnd zu ihrer First-Press-Edition von „The Nightside Eclipse“ rennen zu lassen. Die Norweger packen zusätzlich Stellen in ihr Werk, die an DEAFHEAVEN und den trendigen Post-Black Metal erinnern.

Mal ganz davon ausgenommen, dass das Cover wunderschön ist, gefällt der Inhalt umso mehr. Schon die Eröffnung durch „Bekmörke“ ist durchaus gelungen und stellt die Ohren auf schnelle, rastlose, wütende Musik ein. Mit ungebremster Motivation spielt die Gruppe aus Oslo die aggressiven Riffs nur so herunter. Viele unterschiedliche Einflüsse sind dabei immer wieder zu bemerken. So finden wir Post Rock auf „Guillotines“, SATYRICON auf „White Noise“, etwas Doom auf „The Spiral“ und noch viele mehr. Die Liste geht bis hin zu chaotischen Mathcore-Bands wie BIRDS IN ROW und CONVERGE. Der wohl stärkste Song des Albums „Beat Them To Death“ setzt die Kompromisslosigkeit am besten in Szene, denn hier wird Melodie noch mehr ins Abseits gestellt. Genau an diesem Punkt ist aber auch ein großer Mangel des Albums zu finden: der Mix. Komischerweise müssen die Gitarren um ihren Platz an der vordersten Stelle bei SIBIIR noch kämpfen. Das liegt daran, dass man Schlagzeug und Sänger für wichtiger erachtet und daher die Gitarren im Hintergrund vor sich hin dudeln. Bestes Beispiel für diese Praxis ist „Erase & Adapt“. Wenn einem das nächste Manko auffällt, ist es nicht mehr so verwunderlich, dass sich die Gitarristen hinten anstellen mussten, denn: die Riffs langweilen bereits nach kürzester Zeit. Vor allem bei den langsameren Liedern („I.C.Y.C.S.D.“) ist es eine Qual, sich die so ähnlichen Melodien immer wieder anhören zu müssen.

Fast schon so, als wäre einem der Fehler aufgefallen, wurde der Mix darauf angepasst. Fast schon feige wirkt das auf mich, wenn man die eigenen Verfehlungen verstecken möchte. Lieder wie „Apathetic“ funktionieren bei SIBIIR nämlich einfach nicht. Egal wie viele moderne Einflüsse man verarbeiten konnte, es reichte leider nicht mehr, um interessante Passagen zu schreiben, die den Hörer länger als 2 Minuten im Bann halten. Vermischt mit den ca. 5 Minuten, die „Apathetic“ den Hörer belästigt, wirkt die Kombination noch weniger betörend. Das wäre kein Problem, hätte man von Anfang an öfter auf die repetitiven Riffs und die Kopfschmerz fördernden Melodien verzichtet. Traurigerweise bleiben „Beat Them To Death“ und „Bekmörke“ die einzigen Beispiele, bei denen man diese Schwäche nicht ständig zu hören bekommt.

Die vielen negativen Aspekte fallen umso mehr ins Gewicht, wenn man sich anschaut woher das wunderschöne Cover wirklich kommt. Es ist das Gemälde „Witches‘ Sabbath“ von Francisco Goya. Es wäre nicht verwerflich, alte Meister aus der Kunstgeschichte zu rezitieren. In diesem Fall bedeutet es aber leider nur, einen Schwarz-Weiß-Filter und ein paar Effekte darüberzulegen, aber leider waren REVEREND BIZARRE da 14 Jahre schneller. Man versteckt sich sowohl in der Musik als auch beim Artwork. Trotzdem ist es ein gutes Album für zwischendurch, da es passende Musik für die Zeit ist, in der negative Gefühle herausgelassen werden möchten. Dann kann man von den Schwächen absehen, aber einer näheren Betrachtung hält das Konstrukt aus Aggression, Räudigkeit und anstrengenden Riffs nicht stand.

Autorenbewertung

5
Ein durchaus gelungenes Debüt, was die ersten Durchläufe auf dem Plattenteller gut übersteht. Wären da nicht die ätzende Produktion, die versucht die schwachen Gitarren zu überdecken, und die monotonen, viel zu langen Songs. Diese Feinheiten bekommt man hoffentlich auf dem Nachfolger herausgearbeitet, denn Potenzial ist definitiv da. Vielleicht sucht man sich dann einen richtigen Künstler für das Cover.
ø 3.7 / 5 bei 9 Benutzerbewertungen
5 / 10 Punkten

Vorteile

+ viele unterschiedliche Einflüsse werden unterschwellig verarbeitet
+ vereinzelt gibt es rotzige und schnelle Passagen
+ keine technischen Schwächen bei Gesang und Schlagzeug

Nachteile

- monotone, langatmige Riffs und Songs
- Produktion rückt Gitarren in den Hintergrund
- Cover ist uninspiriert

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