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Sie können es so viel besser

AMON AMARTH - Jomsviking

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AMON AMARTH – Jomsviking
Veröffentlichungsdatum: 25.03.2016
Dauer: 47:37
Label: Metal Blade Records

Ich habe wahrlich lange überlegt, ob ich diese Review schreiben soll. Es ist nicht leicht, wenn eine Band, die einen selbst seit vielen Jahren begleitet, geprägt und geformt hat, auf einmal ein Album hervorbringt, das einen nicht mehr so recht zu überzeugen weiß.

Beginnen wir von vorne. Zu Anfangszeiten befanden sich AMON AMARTH erstmal jahrelang im schwedischen Untergrund. Die ersten paar Alben boten schnellen, rohen Death Metal mit treibenden Melodien und hartem Riffing, rohem Sound und einer deutlich spürbaren Portion Männerschweiß. Eine gute Zeit. Dann kam der erste große Umschwung. Amon Amarth konnten sich plötzlich einen sauberen, professionellen Sound leisten, ihre Musik wurde epischer und melodischer, und so fanden sie erstmals Anklang bei einer breiteren Masse, darunter auch viele Menschen (mein sechzehnjähriges Ich eingeschlossen), die bis dato generell eher weniger mit Death Metal anfangen konnten. All dies fand seine Spitze mit „Twilight Of The Thunder God“, welche wohl mitunter zu den bestproduziertesten Scheiben des Genres zählt, die je gemacht wurden. Es war vollbracht: AMON AMARTH waren die kommerziell erfolgreichste Death-Metal-Band aller Zeiten geworden. Und das war in Ordnung so. Sie hatten es verdient.

Und wie sieht es jetzt aus? Ehrlich gesagt, schon die Single „First Kill“ ließ nichts Gutes erahnen. Ein Riff über die Hälfte eines Songs zu strecken ist auch nur dann geil, wenn dieses tatsächlich wirklich gut ist. Das Zweite, was auffällt, sind die sehr flach ausgefallenen Lyrics. Es gab Zeiten, da haben Amon Amarth es ganz gut hingekriegt, klischeehafte Vikinger-Stories textlich überzeugend rüberzubringen. Diese scheinen allerdings vorbei zu sein. Wenigstens ist die Melodie in der Mitte des Tracks ganz nett und erinnert ein wenig an glorreichere Tage. Die zweite Single, „At Dawn’s First Light“, ist kaum der Rede wert. Der Text ist noch schäbiger, die Chorus-Melodie ist ebenso vorhersehbar wie einfallslos, und die gesprochenen Vocals gehen echt gar nicht. Das Schema „flache, klischeehafte Texte“ zieht sich leider weiter durch das gesamte Album.

Unerwartet kommt dann aber „Raise Your Horns“: Erstens ist es ein Trinklied – nach neun Alben eine Premiere für die Band. Zweitens haben sich AMON AMARTH jahrelang mit Händen und Füßen gegen das Vorurteil wehren müssen, sie seien eine Viking-Metal-Band, und schreiben dann schlussendlich doch ein Lied mit einer Pagan-/Viking-Melodie? Gekonnt platzierte Selbstironie? Wer weiß. Wenn man gegen Ende der Platte dann gerade anfängt, sich doch latent mit dem Gesamtwerk anzufreunden, kommt bei „A Dream That Cannot Be“ schlagartig die Ernüchterung: Doro Pesch. Ihre Stimme zerstört, wie immer – und zwar sowohl das Lied (es hätte eines der besten sein können!) als auch den mühsam erarbeiteten Hörfluss, der gegen Ende des Albums tatsächlich kurz aufkommt. Wessen Idee war das denn bitte?

Stilistisch könnte man sagen, dass „Jomsviking“ eigentlich nur zur Hälfte ein Melodic-Death-Metal-Werk ist. Was schon der Vorgänger angedeutet hat, wird hier konsequenter fortgeführt: Sieht man von den Vocals mal ab, findet sich auf „Jomsviking“ zu einem Großteil nicht etwa Todesmetall, sondern vielmehr Heavy Metal und Hard Rock. Und das geht voll und ganz klar. Warum sollte eine Band wie AMON AMARTH nach 24 Jahren Death Metal so etwas nicht dürfen?

Das Problem bei der Sache ist ein anderes: Irgendwie will keiner der Songs so richtig zünden. Es fehlt das Mitreißende. Es mangelt konstant sowohl an der Härte und Durchschlagskraft der Anfangszeit, wie auch an den episch-melodischen Höhepunkten aus „Twilight“-Zeiten. Man kann zwar von keinem der elf Lieder behaupten, es sei so wirklich schlecht, im Großen und Ganzen ist das Album an und für sich schon okay – aber halt nur okay. Und das ist schade. Sie können es so viel besser.

„Jomsviking“ wird zwar AMON AMARTH keinesfalls vom Thron werfen – besonders bei neueren, jungen Fans scheint es schon seinen gewissen Anklang zu finden. Nichtsdestotrotz: ganz deutlich das bisher schwächste Album der Wikinger. Es ist ganz einfach nichts Besonderes.

Autorenbewertung

4
Es mangelt konstant sowohl an der Härte und Durchschlagskraft der Anfangszeit, wie auch an den episch-melodischen Höhepunkten aus "Twilight"-Zeiten. Es ist jetzt keines der elf Lieder so wirklich schlecht, insgesamt ist das Album an und für sich schon okay - aber halt nur okay.
ø 2.9 / 5 bei 33 Benutzerbewertungen
4 / 10 Punkten

Vorteile

+ Kein wirklich schlechter Song drauf
+ Hörfluss ist größtenteils in Ordnung

Nachteile

- Nichts Mitreißendes
- Flache, klischeehafte Texte
- Doro

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9 Kommentare

  1. Sören
    15. August 2016 bei 0:28 — Antworten

    Meiner Meinung nach ist das Album unheimlich geil geworden. Was zur Hölle ist denn bitte an First kill auszusetzen?! Der Anfang baut einen schier epischen Spannungsbogen auf um dann regelrecht vorzustürmen , was einem auch wirklich das Gefühl der Story vermittelt welches von den Lyrics erzählt wird. Und jetz habe ich das Gefühl, das der Autor so gut wie Kein Lied der Platte bis zum Refrain gehört hat. Hier verweise ich auf One Agains all und Way of Vikings welche komischer Weise nicht einmal erwähnt wurden.Meiner Meinung nach wurde hier das Augenmerk auf die Songs gerichtet welche von der gesammten community schon längst bewertet wurden. At dawns first light und First Kill wurden schon von Anfang an als pro shot geliefert. The dream that can not be ist schon lange von der Scene auseinandergenommen worden also wieder nichts Neues. Ich hab in dieser Review mehr über die Älteren Amon Amarth erfahren als über das eigentliche Album und finde diese Review zu tiefst unzutreffent und vom Inhalt her unprofessionell und schlichtweg nicht gut.

  2. Lukas
    22. Juni 2016 bei 0:16 — Antworten

    Was die Stärke des Gesamtwerks „Jomsviking“ angeht, mögt ihr recht haben. Amon Amarth haben schon mehr überzeugt.

    Was den Titel mit Doro angeht, kann ich aber überhaupt nicht zustimmen. Meiner Meinung nach handelt es sich bei Track 10 um einen der stärksten Titel des Albums. Doros Stimme fügt sich hier wirklich gut ein, und ich höre den Titel jedes Mal wieder mit Freude.

    Im Gegensatz zum Autor halte ich Doro aber auch für eine wirklich gute Sängerin und bin der Ansicht, dass sie völlig zurecht eine gewisse Bekanntheit in der Szene genießt. Amon Amarth und Doro hätte ich zwar nicht für eine gute Kombination gehalten, ich war tatsächlich ziemlich überrascht – allerdings positiv, der Titel ist wirklich gut.

  3. 21. Juni 2016 bei 12:02 — Antworten

    ich krieg auch Ohrenkrebs beim Doro-Track. Der Rest ist ok, allerdings fehlen mir die richtigen Ohrwürmer auf der Platte! Am ehesten noch der Titeltrack Jomsviking.

  4. Stan
    21. Juni 2016 bei 7:05 — Antworten

    Habe erst gerade letztens mal in die Platte reingehört, hat mich als Nicht-Deathmetal-Hörer stark an Powermetal errinnert, bei dem lediglich der text guttural gesungen wurde

  5. WaynieBoy
    20. Juni 2016 bei 18:10 — Antworten

    Ich kenne und liebe Amon Amarth seit „The Fate of Norns“, eine meiner Meinung nach sehr unterschätzte Platte. Jomsviking hat bei mir ne ganze Weile und viele Durchläufe gebraucht bis es schliesslich doch zünden konnte. Es ist keine Platte zum nebenher hören finde ich, die Songs funktionieren ähnlich wie bei den meisten ABM Bands im Ganzen und nicht einzeln. Wobei ich das mittlerweile auch wieder ein wenig anders sehe. Eine Platte die eine ganze Weile braucht, dafür aber umso epischer ist, WENN man ihr mehrere Chancen gibt. Das Duett mit Doro passte für mich jedoch von Anfang an sehr gut, was aber auch daran liegen mag, dass ich Doro sowieso für ne endgeile Sängerin halte und ihre Platten immer wieder hören kann. Reiner Melo-Death jedoch ist das hier wirklich nicht mehr, es hat zu viele HEavy und sogar ein paar Power-Einflüsse, was es für mich jedoch nur umso interessanter macht.

  6. Jonas
    19. Juni 2016 bei 23:05 — Antworten

    Was den Song mit Doro Pesch angeht, stimme ich zu 100% zu, es passt meiner Meinung nach einfach überhaupt nicht. Den Rest des Albums finde ich allerdings ziemlich ordentlich. Natürlich ist es nichts weltbewegendes. Trotzdem finde ich, dass viele Songs (z.B. „On A Sea Of Blood“, „Raise Your Horns“, oder auch das oben angesprochene „First Kill“) ziemlich schnell ins Ohr gehen. Auch wenn es im Prinzip das Gleiche wie auf den vorherigen Alben ist, die Songs machen trotz allem immer noch Spaß. Insbesondere live stelle ich mir einige Songs ziemlich geil vor. Mit „One Thousand Burning Arrows“ hat man außerdem einen Song, der die Bezeichnung „episch“ und „erhaben“ mehr als verdient hat und meiner Meinung nach eindeutig zu den besten Songs der letzten Alben gehört. Die Kritik an den Texten kann ich persönlich nur bedingt nachvollziehen: Natürlich sind die Texte klischeehaft und ziemlich platt, aber mal ehrlich: Hat irgendjemand etwas anderes erwartet? Die Texte sind ähnlich klischeehaft wie auf allen anderen Alben der Band auch. Amon Amarth war nie für lyrische Glanzleistungen bekannt und wird es auch nie sein.

  7. Tim
    19. Juni 2016 bei 21:23 — Antworten

    Ich habs irgendwann mal nebenher auf Spotify laufen lassen. Ich mag nicht viel von dem Alten Scheiben bzw. kann sie nur in bestimmten Momenten hören wenn ich wirklich Bock drauf hab. Bei den neuen Sachen ist es so, dass man die irgendwie immer mal zwischendurch hören kann, wenn man am Hausaufgaben machen ist oder was arbeitet oder so. Und dann macht es auch Spaß zuzuhören und mit dem Kopf zu nicken.
    Persönlich finde ich es nicht schlimm, dass es nicht soo krass ist. Irgendwann wird es auch für so eine Band schwierig wirklich neues zu finden ohne Fans zu verlieren, neue zu finden und ihrem eigenen Style treu zu bleiben.

  8. Birgit
    19. Juni 2016 bei 20:09 — Antworten

    Oach, danke für den Kommentar zu Doro! Ich konnte den Song noch nicht EINMAL bis zum Ende hören. Ich halte es einfach nicht aus! Die Idee des Songs ist toll, die Umsetzung leider eine Katastrophe.

  9. Tom
    19. Juni 2016 bei 19:35 — Antworten

    Schon interessant, wie da die Meinungen auseinander gehen können. Ich finde das Album durchaus gelungen und stimmig. Das Konzept überzeugt, viele Songs schrauben sich ins Ohr („One against all“ und „Vengeance is my Name“) und selbst das Duett mit Doro finde ich im Albumzusammenhang gut. Außerdem wurde hier mit „One thousand burning arrows“ ein Song abgeliefert, der sich in der Reihe der epischsten Hits der Band einfinden kann. Nur die Kritik an den ab und zu einfallslosen Lyrics kann ich an gewissen Punkten nachvollziehen. Kurzum, es ist nicht das Beste Werk der Band, aber durchaus ein gelungenes Konzeptalbum mit geiler Story.

    Viele Grüße,
    Tom

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