Das skandinavische Tour-Trio für gute Abende

Willkommen in Leipzig – dem skandinavischen Dreiländer-Eck aus Schweden, Island und Dänemark.

Na gut, stimmt so nicht ganz. Aber jedenfalls für heute Abend, wenn KATATONIA, AGENT FRESCO und VOLA sich die Bühne und das Täubchenthal teilen. Aber eins nach dem anderen.

Es ist 17 Uhr, ich checke ein letztes Mal die Technik, versuche Feierabend zu machen und komm mal wieder nicht rechtzeitig los. Also ist es inzwischen 18:30 Uhr, ich sitze im Auto – wie kam ich hier her?! Ich weiß es nicht, aber packe mir nochmal die Playlist des Abends rauf. Ich muss gestehen, diese ist recht eingeschränkt. Ich hab mir mal wieder vorgenommen, mich überraschen zu lassen. Also vorerst nur ein wilder Mix der KATATONIA-Songs, hat die letzten Jahre ja auch gut geklappt.

In Leipzig angekommen, geht die Suche los. Nein, nicht nach der Location, sondern nach Dennit, wir wollten uns treffen und mein Bierdurst ist immens. Aber: Fehlanzeige nach dem Orga(nisation!)-Monster. Also Fotografen-Ausweis geholt, festgestellt, dass die Kippen daheim liegen und voll frohen Mutes zum Fotograben gestapft.


VOLA – die musikalische Reise durch die Zeit … oder so ähnlich

Ich muss gestehen, ich bin die letzten Jahre etwas auf Tauchstation gewesen und daher sagt mir der Name nicht so ganz was, also nochmal nachträglich geschaut…

A musical journey into the mind in pursuit of happiness, set to a mix of 70’s progressive rock, modern day electronica, industrial and extreme metal, topped off with clear, beautiful vocal lines.

Nun ja, klingt nach viel Marketing, war live aber doch anders. 

Die Band kommt auf die Bühne und man denkt sich instinktiv „nette Jungs“ – normaler Look, nix Retro, Hipster oder TRVE. Doch während der Finger auf dem Auslöser liegt und den ersten Schuss versuchen will, knallt es einem so dermaßen ins Brett, dass ich knapp 5 Sekunden brauche, auf diese Überraschung klarzukommen. Doch schnell besonnen und wieder mit tollem Sound und sehr fotografenfreundlicher Lichtshow an die Arbeit. Die Jungs haben live eine extreme Präsenz und VOLA schafft es, mich in den Bann zu ziehen. Es gibt vertrackte Drums, schöne Synthies und ist zwar poppig, aber man hat MESHUGGAHs Basser das Effektpedal geklaut (mutet es jedenfalls an).
Klasse Band, guter Auftritt und sind sicher auch nochmal einen weiteren Besuch wert.

Hier nochmal eine Video/Hörprobe:

Doch genug von Dänen – ach ja, die Jungs sind aus Kopenhagen.


AGENT FRESCO – Tingeltangel Bob ist fett geworden…

Nun wird uns ein gaaaanz hochrangiger Island-Export vorgesetzt (auch das alles wieder erst später rausgefunden):
AGENT FRESCO haben schon kurz nach ihrer Gründung 2008 einen Bandwettbewerb in den Kategorien „Beste Gitarre“, „Bester Bass“ und „Beste Drums“ gewonnen. Kann ich absolut nachvollziehen. Im März diesen Jahres gab es dann aber noch „Bester Sänger“ obendrauf – vollkommen zurecht. Der Drummer ist ein TIER und verschiebt Rhythmen ineinander, als wären es Spielkarten – ich warte nur auf das Kaninchen. Vergeblich.

Stattdessen bekomme ich einen extrem agilen Sänger, der bereits bei Song 2 schon um den Kopf schwitzt, als wäre er zu Fuß hergerannt – von Island. Aber bei der Stimme kein Wunder – so viel Dynamik und Druck habe ich selten erlebt. Warum haben die nicht noch „Beste Stimme“ gewonnen?! Inselbanausen!

Auch AGENT FRESCO gehen poppig an ihre Songs, aber sind letztlich doch immer verdammt vertrackt im Hintergrund und druckvoll nach vorn.
Der Sound kann stellenweise als psychedelisch beschrieben werden und von Falsett bis zu gutturalen Growls ist alles dran – ich wünsche mir, dass meine Kamera den gleichen Dynamikumfang wie der Sänger hätte und verlasse den Graben. Der Drummer schaut mit seiner Frisur aus wie eine fülligere Version von Tingeltangel Bob – aber eine mit verdammt krassen Skills.

Bei jedem Schritt überlege ich, woran ich erinnert werde. Bis es mir einfällt: DREDG!
Hier ein grober Vergleich: Dredg vs. Agent Fresco.


KATATONIA – verklärt und wunderschön

Es ist soweit! Ja, ich bin ein Fan… Ja, ich war schon auf diversen Konzerten… Aber jedes ist speziell.

Auch diesmal hat das neue Album „The Fall of Hearts“ dazu geführt, dass man Jonas Renkses Gesicht (nicht) zu sehen bekommt. Nach der obligatorischen Pause an der (überfüllten) Bar geht es mit KATATONIA weiter – ich stehe im Graben und stelle fest: Der Laden ist randvoll! Sowohl im Graben wie auch im Publikum herrscht mehr Andrang als zuvor.

Da hat wohl jemand auf die Vorbands verzichtet, um jetzt hier kuscheln zu dürfen – wenn die wüssten, was die verpasst haben! Das zweite Konzert der Tour, das will die Band nicht unerwähnt lassen. Auch wenn es quasi keinen auffälligen Schnitzer im Konzert gibt. Der Sound ist (durchweg) gut, man spielt wieder ein Potpourri der Songs der letzten 14 (!) Alben und weiß, die Menge damit zu unterhalten.
„Dead End Kings“ wird ebenso unter die Leute gebracht wie „Tonights Decision“ und meine Befürchtung, dass zu viel von „Fall of Hearts“ käme, wird nicht bestätigt. So richtig warm bin ich mit dem Album noch nicht geworden, aber wie so oft bei KATATONIA sicher nur eine Frage der Zeit.

Es knallt! Die ganze Zeit! GEIL!

Die Bassdrum wummert und die Becken sind einzeln hörbar – ich liebe den Sound im Täubchenthal und genieße jeden Ton, den Daniel Moilanen produziert. Das DoubleBass-Geballer trocknet da gleich das Tränchen, das Daniel Liljekvist seit 2014 immer wieder kullern lässt.

Spätestens zu „Teargas“ bin ich aber sicher nicht der einzige mit Tränen im Auge.
Im Vergleich zum originalen „For My Demons“ aus „Tonights Decision“ fällt mir auf, dass hier live irgendwie mehr Druck, aber weniger Gefühl in den Songs liegt. Insbesondere die Stimme hat weniger Tiefe, wirkt kraftloser in einigen älteren Songs. Da wird zwar mit Mehrstimmigkeit und Synths gegengesteuert, aber so ganz zündet heute die kleine Flamme, zumindest in mir, nicht.

Aber nichtsdestotrotz geht es gut voran und KATATONIA zieht ordentlich durch. Bis zum Schluss ist Mitsingfeeling angesagt und das Publikum jubelt und ist gut drauf.
Kann es auch – so gibt es auch zum Schluss eine unverhoffte Zugabe aus „My Twin“, „Lethean“ und „July“.
Einziger Wermutstropfen – beim Abschlusssong dröhnt der Bass leider stellenweise übermäßig und verhagelt das kraftvolle Offbeat-Pattern und den schiebenden DoubleBass. Ich hör irgendwie mehr auf Drums – merkt man das?!

Noch was zum Runterkommen (und ja, leider ein Lyricvideo)

Zur KATATONIA-Bildergalerie


 

Fazit

Ein toller Abend! Nette Leute kennenlernen (ja, es war nicht nur Arbeit), Dennit mal wieder sehen und dazu gute Musik.
Das Täubchenthal weiß auch wieder mit gutem Sound und toller Lichtshow aufzutrumpfen, nächstes Mal wäre aber eine besser besetzte oder gar zwei offene Bars eine gute Idee. Wer Hunger hatte, konnte sich übrigens auch im Hof verköstigen lassen. Die Location ist ja meist die halbe Miete und hier war diese wieder mal spitze (mit Abzügen in der B(ar)-Note, aber irgendwas ist ja immer).

Die Bands AGENT FRESCO und VOLA waren echt ein Erlebnis und werden sicher auch in meine Playlist eingehen. Zu KATATONIA kann ich halt als Fan nicht viel Negatives sagen, ja, Jonas macht den Vorhang zu und die Stimme wirkt mitunter etwas schwächer als vor einigen Jahren, hat aber noch genug Tiefe und Druck, um zu wirken.

Tja, die Fotos sind bearbeitet und für euch zu sehen (nicht übersehen, es gibt noch Einzelgalerien) und ich habe einige Videos gemacht und dann doch nicht geschnitten. Bin beim Musikhören im neuen Tourshirt dann doch zu abgelenkt gewesen…

Allgemeine Galerie:

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Album: VOLA, AGENT FRESCO, KATATONIA

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Zur Location: Täubchenthal Leipzig

Facebook: Katatonia

Facebook: VOLA

Facebook: Agent Fresco


Alle Fotos & Text: yt / fb.com/schneemensch
TingelTangel-Referenz mit Dank an Silvio


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