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STATE CHAMPS in Tokio – Invasion der Stagediver

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Heute kehre ich mal zurück zu meinen Wurzeln und serviere euch einen Konzertbericht aus der Kategorie: Pop-Punk! Das gab es bei SILENCE ja schon eine Weile nicht mehr. Und Hand aufs Herz – ich bin sicher nicht die Einzige, die vor einigen Jahren über Emo und Pop-Punk zum Metal, oder in meinem Fall, zum Metalcore gekommen ist. Und eine Kleinigkeit verrate ich bereits jetzt: Dieser Abend war um einiges wilder als so manche Metal-Show, die ich bisher besucht habe. 

Nach einigen Wochen geht es für mich wieder nach Shibuya. Dieses Mal in einen Club, den ich noch nicht kenne – Club Asia. Mein Orientierungs-Skill ist mittlerweile um gefühlte +10 gestiegen! Ich habe zumindest eine grobe Ahnung, wohin ich laufen muss und komme sogar schneller als üblich an der Venue an. Die war – dank der Traube an Menschen davor – auch unschwer zu übersehen. Zum ersten Mal sehe ich heute tatsächlich auch Taschenkontrollen am Einlass. Das habe ich bisher auch auf größeren Konzerten nicht erlebt. Für mich heißt es jetzt aber zuerst meine minimalen Japanischkenntnisse anzuwenden, um überhaupt in die Location zu kommen. Und meinen Fotopass muss ich mir auch noch abholen! Mit gebrochenem Japanisch, einfachem Englisch und fließendem Google Translate klappt das aber auch ohne größere Probleme. Also, auf ins Getümmel!

SEE YOU SMILE

In meinen bisherigen Reviews aus Japan konntet ihr ja lesen, dass die Konzerte hier normalerweise recht früh anfangen, zeitig zu Ende sind und es zu Beginn noch ziemlich leer ist. Für deutsche Verhältnisse ist 18:30 Uhr immer noch relativ zeitig, leer ist es heute aber keineswegs. Schon zum ersten Support-Act SEE YOU SMILE ist der Saal ordentlich gefüllt. Und wie immer geht es pünktlich los. Bei den Genres der Supportbands gibt es heute keine Experimente: Pop-Punk von Anfang bis Ende. Gefällt mir und sehr offensichtlich auch dem Publikum. Schon nach dem ersten Song gibt es vor allem in den vorderen Reihen Bewegung und die Fäuste werden in die Luft gerissen. 

Das Timing für den Auftritt von SEE YOU SMILE ist auch perfekt, denn heute (am 23.1.) veröffentlichen die Jungs ihre erste EP „Wild“ – das wird vom Publikum ordentlich zelebriert. Zu den neuen Songs wird getanzt, gesprungen, ordentlich applaudiert und mitgesungen. Selten sehe ich so viel Stimmung bei der ersten Band des Abends. Die Band weiß allerdings auch, wie man das Publikum anheizt und feiert auf der Bühne mindestens genauso wie die Crowd, mit der auch regelmäßig interagiert wird. Nach einer handvoll Songs ist die erste Aufwärmrunde schon zu Ende – allerdings war das ein wirklich intensives Aufwärmprogramm! 

CASTAWAY

Weiter geht’s mit feinstem japanischen Pop-Punk! Kaum betreten CASTAWAY die Bühne, drängt sich das Publikum wild nach vorne und springt direkt zum ersten Song los. Wow. Auch auf der Bühne geht es direkt von 0 auf 100 – Bassist und Gitarristen wirbeln herum, während der Sänger auf Tuchfühlung mit der Crowd geht. Zu dem kraftvollen Sound der Jungs möchte man aber auch ausrasten. Es herrscht so viel Bewegung, dass es wirklich knifflig ist, ein gutes und vor allem scharfes Bild der Herren zu machen.

Selbstverständlich spricht das nur für die Performance der Band, die schnell die ersten Crowdsurfer anlockt.  Erneut: Wow. Persönlich habe ich das Publikum hierzulande oft etwas ruhiger empfunden, aber CASTAWAY entlocken den Zuschauern wirklich einiges. Man könnte fast annehmen, dass gerade der Headliner spielt – Fäuste fliegen durch die Luft und der ganze Raum wirkt ziemlich textsicher. Als ich genug Fotos gemacht habe, beobachte ich das Spektakel von einer kleinen Empore im Club. Während der letzten beiden Songs wird noch ordentlich gemosht und vereinzelt sehe ich sogar schon ein paar Stagediver. An dieser Stelle: Wow Nummer drei. So viel Leben erlebe ich während eines Konzerts selten, umso gespannter bin ich jetzt auf die Hauptdarsteller aus den USA. 

KNUCKLE PUCK

Als ich mir während der Umbaupause ein wenig die Beine in der Venue vertrete, fällt mir ein Verbotsschild ins Auge „No Photos“, „No Crowdsurfing“, „No Stagediving“. Nun, gerade bei ausländischen Künstlern wird was Fotos angeht gerne ein Auge zugedrückt. Was Crowdsurfing und Stagediving angeht, nun, es ist ja immerhin ein Punk-Konzert, also wird das frei nach dem Motto „F*ck the System“ gehändelt.

Zu diesem Zeitpunkt denke ich noch „Ach, das wird schon passen. Ich bin ja auf der Bühne und in dem Mini-Fotograben.“ O-Ton der Stimme aus der Zukunft: Kind, du wirst dich noch wundern. Auch die Security-Männer vor der Bühne, die ich sonst NIE auf Konzerten hier gesehen habe, hätten mir eine Warnung sein sollen. Als der Umbau beendet ist, mache ich mich auf zur Bühne – Hals und Beinbruch. 

Wie klein Saskia zum 1. Mal überlegte, beim Fotografieren einen Helm zu tragen

Kaum stimmen die Pop-Punker aus Illinois den ersten Song an, fliegen schon die Fäuste nach oben. Und andere Gliedmaßen. Von der Empore, von der ich fotografiere, ist das schon ein ziemlich imposanter Anblick. Nach dem ersten Song wage ich mich in mein wohliges Fotografen-Loch vor der Bühne. Schon während der ersten beiden Bands war die Stimmung unheimlich gut und das Ganze steigerte sich kontinuierlich.

Überrascht bin ich von der Textsicherheit des Publikums, die Lyrics werden von Anfang bis Ende mitgegröhlt. Gespielt wird eine ausgewogene Mischung an Songs von KNUCKLE PUCKs beiden Alben „Copacetic“ und „Shapeshifter“. Nach ungefähr drei Songs geht es dann auch richtig los: Die Energie der Band überträgt sich scheinbar aufs Publikum. Sänger Joe heizt dem Publikum von der ersten Sekunde bereits ordentlich ein und ehe ich mich versehe, sind plötzlich drei Crowdsurfer hinter mir. Das Publikum wird richtig mutig – und ich, Kampfzwerg mit Kamera, bringe mich schnell in Sicherheit (vornehmlich der Kamera wegen, weil teuer).

Auch von der Seite der Bühne ist das schon spektakulär anzusehen, so ein munteres Publikum sehe ich hier, zugegeben, seltenKNUCKLE PUCK strahlen allerdings auch so viel Freude und Energie aus, da muss selbst ich mich beim Fotografieren mitbewegen. Nachdem ich zwischendurch einen kleinen Unfall mit einem Zaunkletterer hatte, der mir ordentlich auf den Rücken gesprungen ist (aua!), sehe ich mir den letzten Song mit etwas Sicherheitsabstand an. Bei der Menge an Crowdsurfern mit anschließendem Stage Dive ist das auch gut so. Nach diesem krassen Set sollte ich mir für das  Grande Finale mit STATE CHAMPS lieber noch schnell einen Helm besorgen…

STATE CHAMPS

Nach einem kurzen Kriegsverletzungscheck im Backstage mit dem Ergebnis „Oh, aua!“, den ich direkt in den „Erlebnisse auf sehr guten Konzerten“-Ordner gepackt habe, geht’s direkt zurück an die Front. Dort angekommen geht es auch direkt wieder von Null auf Hundert. Sänger Derek geht auf Tuchfühlung mit dem Publikum, um die japanischen Fans der Band angemessen zu begrüßen. Dementsprechend wild geht es auch von Anfang an im Publikum zu. Wild beschreibt übrigens auch das Bühnengeschehen treffend.

Bisher gröhlt das Publikum wieder völlig textsicher Songs wie „Dead and Gone“, „Criminal“ und „All You Are is History“ mit. Also, der Teil der Zuschauer, der nicht gerade crowdsurft – und das sind einige. Ich hocke gerade wieder sicher in meinem „Loch“ und sehe die sichtlich gestressten Gesichter der Security und überdenke meine Platzwahl. Und siehe da – die Wahl war … gut! Keine 30 Sekunden später kommt eine Crowdsurferin etwas vom „Weg ab“ und fällt beinahe in das Fotograben-Loch. Ein paar Jungs aus der ersten Reihe versuchen, das Mädchen zu halten, ich versuche, sie mit einer Hand irgendwie festzuhalten und auch aus dem Backstage kommt Hilfe geeilt. Puh, erster Schreck überstanden. 

Der Zweite folgt zugleich: Kaum auf die Bühne gerettet, um einen gekonnten Stagedive hinzulegen, kommt die junge Dame dem Pedalboard des Gitarristen sehr nahe – Schrecksekunde. Aber zum Glück ist wieder nichts passiert. Die Jungs spielen während des Ansturms auf die Bühne souverän weiter, interagieren teilweise mit den Divern und klettern dann selbst immer wieder Richtung Crowd. Mehr Interaktion kann man sich kaum wünschen. Eine kurze Verschnaufspause gibt es vor der Zugabe. Bisher war das Set von STATE CHAMPS ein einziges Spektakel: Ich war in meinem Leben auf sehr vielen Konzerten, aber das Crowdsurfing hier hat mir ziemlich die Sprache verschlagen. Und die Zugabe „Secrets“ topt nochmal alles. Gemeinsam mit den beiden anderen Fotografen stehe ich am Rand der Bühne und wir gucken uns mit offenen Mündern an.

Bisher haben sich fünf, sechs Leute gleichzeitig über die Crowd tragen lassen. Jetzt zählen wir teilweise zehn und mehr. Das Fotografieren vor der Bühne haben wir übrigens aufgegeben, dort ist’s uns zu heiß geworden. Auf der Bühne scheinbar auch – denn jetzt wird teilweise oben ohne performt. Ach, und ein Großteil der Crowdsurfer hat die Bühne erreicht. Mittlerweile sind nur noch ins Publikum springende Menschen zu erkennen. Zum krönenden Abschluss klettert Sänger Derek direkt hinterher und das Publikum feiert STATE CHAMPS noch einmal gebührend – die Crowd will die Band kaum von der Bühne lassen. Zum Glück ist noch genug Zeit, um den vorderen Reihen die Hände zu schütteln, bevor es absolut verdient zurück in den Backstage geht. 

Auch in meiner Position hinter der Linse hat diese Show einfach nur Spaß gemacht! Strahlende Gesichter auf und vor der Bühne halte ich immer noch am liebsten fest. ICE GRILLS, die diese Tour ermöglicht haben, haben mit dem Line-Up ganze Arbeit geleistet. Die Stimmung war vom ersten bis zum letzten Song des Abends dauerhaft gut. Das Publikum hatte Bock, die Bands hatten Bock – das ist Pop-Punk, wie ich ihn liebe. Kurzum: ein absolut starker Tourabschluss für STATE CHAMPS und KNUCKLE PUCK. 

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Bild mit freundlicher Genehmigung von

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