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STRYVIGOR – Folge dem Weg!

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STRYVIGOR – „Lifelong Journey“

Veröffentlichungsdatum: 23.11.2018
Länge: 54:00 Min.
Label: Northern Silence Productions
Genre: Melodic/Atmospheric Black Metal

Die letzten Dezembertage: Das Jahr 2018 klingt, wie die vorangegangenen Jahre auch, ohne merkliche Kälteschübe unter dem Gefrierpunkt aus. Ebenfalls werden malerische, von pulvernem Weiß bedeckte Felder und Wiesen vermisst, welche allenfalls über die heimischen Fernsehbildschirme in diversen Weihnachtswerbespots husch(t)en, um auf die illusorische Sehnsucht nach Winterfeeling anzuspielen, welche sicherlich zahlreiche Zuschauer verspüren.

Aus diesem Anlass möchte ich euch heute, zumindest auf akustischer Ebene, ein adäquates Kontrastprogramm mit einer schwarzmetallischen Veröffentlichung aus der Ukraine bieten. Angesichts seiner tief verschneiten Wälder und karpatischen Berge kann dieser Erdenfleck schon auf geographischer und landschaftstechnischer Ebene das Herz eines jeden Sympathisanten von Black Metal-Tonkunst höher schlagen lassen.

An Bord eines wegweisenden Labels

Mit „Lifelong Journey“ hinterlässt das aus der Stadt Chmelnyzkyj stammende Quartett STRYVIGOR den zweiten Paukenschlag  in ihrer Schaffensgeschichte. Schon allein das Cover-Artwork mit seiner im Dämmerlicht versinkenden Landschaft sollte das Interesse oder zumindest die Aufmerksamkeit der meisten Atmospheric Black Metal-Fans erwecken. Doch lässt sich hier schon erkennen, wohin sich die musikalische „Journey“ dieser Kombo noch entwickeln kann? Als kompetenter Vermarktungspartner stand der Formation bei dieser Veröffentlichung das deutsche Label Northern Silence Productions zur Seite, welches schon Wegbereiter für viele (heute) namenhafte Größen der Szene wie AMESOEURS, BELENOS, BROCKEN MOON, ELFFOR, HERETOIR, HORN, SAOR oder WOODS OF DESOLATION war.

Ehrlicher, griffiger Sound oder kunstvolle Ausschmückung?

Schon das Intro des Opener-Tracks „Roots“ macht keine halben Sachen. Der einleitende Schneesturm, unterstützt von symphonischen Klängen, geht schnell in tiefe, raue und kräftige Gitarrenriffpassagen über. Die sich anschließend einsetzende tiefe Stimme ist passend zu den Instrumenten gemixt worden und fügt sich angenehm in die Komposition ein. Sie verliert sich nicht im Klanggewitter der Instrumente. Außerdem gibt das einschlägige Growling im leichten Berserker-Stil der Musik Stabilität.

Natürlich hört man wie bei einigen Bands aus dem russischen und slawischen Kulturkreis den Akzent zwischen den englischen Lyrics stark raus. Aus meiner Perspektive tut das dem Hörvergnügen jedoch keinen Abbruch, im Gegenteil. Die vom Akzent durchtränkten Vocals harmonieren sehr gut mit den melodiös fokussierten Riffs und den dezent gesetzten Keyboardpassagen. Diese Zusammensetzung passt hervorragend und verliert auch im weiteren Verlauf nicht an Kontinuität.

Nur abgespeckter Atmospheric Black?

STRYVIGOR

Im Gegensatz zu Bands wie LUSTRE, SOJOURNER oder ELDAMAR fallen bei STRYVIGOR keine wirklichen Natur-/Fantasy- oder Folk-Nuancen ins Gewicht. Jedoch sind Einflüsse aus dem Cosmic bzw. Space Ambient nicht zu leugnen, die ab der 2. Hälfte des Albums auffallend zunehmen, beispielsweise in den Tracks „In the Depths of Silence“ und „Where Autumn will Reign Again“. Die wirken allerdings sehr malerisch, leicht verträumt und durchdacht eingesetzt. Allerdings jagen sie mir beim Hören keinen Schauer über den Rücken, wie beispielsweise bei DARKSPACE, PAYSAGE D´HIVER oder COLDWORLD.

Insgesamt findet auch keine wirkliche Auseinandersetzung mit tiefen Emotionen wie Melancholie, Depression oder Nachdenklichkeit statt. Trotzdem darf nicht vorschnell das Urteil gefällt werden, dass hier typische Elementen aus dem Atmospheric Black Metal einfach weggelassen worden sind. Vielmehr speist sich die Atmosphäre von „Lifelong Journey“ aus dem Zusammenspiel von Melodieführung, Vocals und den optimal integrierten Keyboardklängen. Aus wenigen musikalischen Komponenten wurde hier ein kleines bezauberndes und atmosphärisches Kunstwerk geschaffen.

Vom selben/ ähnlichen Schlag

Dabei sollte man in meinen Augen (oder Ohren) den Einfluss der inoffiziellen Meister des atmosphärischen und teils auch melancholischen Pagan Black Metals auf dieses Album nicht vergessen: DRUDKH. Wenn die ihre Landsleute von STRYVIGOR bei diesem Album in Sachen Melodik und Flair nicht inspiriert haben, wer sonst?

In Sachen Stilistik betreten STRYVIGOR mit ihrem Genre-Hybrid aus atmosphärischem und melodischem Black Metal zweifelsohne kein Neuland. Die erste Band, die mir gerade einfällt, die das Konzept auf 2 Alben ganz ähnlich umgesetzt haben, sind SHYLMAGOGHNAR aus den Niederlanden. Weniger stoisch und naturinspirierter als STRYVIGOR, bedient sich das Duo dafür teilweise an progressiveren Melodien.

Ein paar kleine Empfehlungen zum Schluss

Hinsichtlich des rauen Grundcharakters in „Lifelong Journey“ empfehle ich noch die Bands SKOGMARK aus Russland und VELDES aus Slowenien. Wer es gern atmosphärisch hat, allerdings auch experimentelle, progressive  Konzepte mag und stellenweise auch auf Härte verzichten kann, ist mit NE OBLIVISCARIS aus Australien bestens bedient. OAK PANTHEON aus den USA konzentrieren sich ebenfalls mehr auf Melodik, abwechslungsreichen Gesang und gelegentliche Einsätze akustischer Gitarren und Folkinstrumente.

Diejenigen unter euch, die sich näher für Northern Silence Production-Releases und noch mehr für melodiefokussierten Atmospheric Black Metal interessieren, können auch mal die indonesischen VALLENDUSK auschecken. In diesem Zusammenhang gibt es auch ein interessantes Ein-Mann-Projekt aus Indonesien zu entdecken, das sich PURE WRATH nennt und einen etwas raueren uns schnelleren Gesamtsound mitbringt. Ihr habt den Überblick verloren? Kein Problem, hier gibt es eine Links zu den Bandcamp-Seiten aller Bands, die von mir als Referenzen genannt worden sind.

STRYVIGOR

DRUDKH

SHYLMAGOGHNAR

SKOGMARK

VELDES

NE OBLIVISCARIS

OAK PANTHEON

VALLENDUSK

PURE WRATH

Übrigens: Für alle besonders Ausgefuchsten unter euch habe ich im Titel meiner Review eine kleine Anspielung auf ein anderes Atmospheric/Ambient Black Metal Projekt versteckt. Wer von euch hat sie erraten?

Autorenbewertung

8
Alles in allem haben STRYVIGOR mit "Lifelong Journey" ein durchaus musikalisch kompetentes Kunstwerk auf die Beine gestellt, das besonders mit seiner Ehrlichkeit und grundlegenden Stimmigkeit besticht. Mit der sauberen Produktion, dem Fokus auf mitreißende Melodik und eben nicht darauf, alles besonders majestätisch, künstlerisch überanspruchsvoll und schön machen zu wollen, haben die Jungs die akustische Schönheit dieser Scheibe geformt. Damit sollten sie Fans aus verschiedenen Schichten der schwarzmetallischen Tonkunst gleichermaßen ansprechen. Ich wünsche viel Spaß bei einer musikalischen Wanderung durch Täler, Felsmassive und eventuell auch archaische Schlachtfelder, die vom mitternächtlichen Sternenhimmel in dunkelblaue Schwaden und von der anschließend aufgehenden Sonne in gelblich-rötliche Lichtkegel gehüllt werden.
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8 / 10 Punkten

Vorteile

+ starkes musikalisches Grundkonzept
+ wuchtiger, ehrlicher Sound, stabile Produktion
+ Verhältnis Stimme zu Instrumenten sehr gut angepasst
+ Growling intensiviert die Stärke der Songs, ohne penetrant zu wirken
+ aus vergleichsweise wenigen musikalischen Komponenten wurde so viel wie möglich herausgeholt
+ Verzicht auf künstlerisch überladene Gesamtinszenierung

Nachteile

- zu viel Einheitlichkeit wirkt ab der zweiten Hälfte etwas ermüdend
- Tempi selten abwechsllungsreich
- hätte etwas symphonischer angehaucht sein können

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2 Kommentare

  1. Vicer Exciser
    6. Januar 2019 bei 15:19 — Antworten

    Danke für die Review, die Band hatte ich vorher gar nicht auf dem Schirm!
    Eine Sache ist mir allerdings aufgefallen: Ich hab mir mal einen Song der Band angehört, und ich hab zwar nirgendwo Lyrics dazu gefunden, aber wenn mich nicht alles täuscht, liegt das mit dem „Akzent“ des Sängers daran, dass die Liedtexte alle auf Ukrainisch sind.

    • 6. Januar 2019 bei 19:58 — Antworten

      Hallo Vicer Exciser,

      vorerst einmal Danke für dein Feedback.

      Dass die Lyrics komplett in ukrainischer Sprache verfasst sind, scheint wirklich nicht ganz abwägig, nachdem ich nochmal kurz das Album sowie einige andere Tracks der Band von früheren Veröffentlichungen eingespielt habe. Eine kurzfristige vertiefende Internetrecherche hat noch ergeben, dass bspw. metalarchives.com die Titel von beiden full-length-Veröffentlichungen der Band auch in ukrainischer Sprache auflistet. Ein Booklet zum direkten Nachschauen steht mir derweil leider nicht zur Verfügung.

      Grüße

      Nico

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