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Tech Death aus aller Welt – Obscura in Dresden
Meine Fresse! Was hab ich mich im Vorfeld auf dieses Konzertpaket gefreut!
Seit Ende Oktober bereits sind vier ganz spezielle Bands mit der „Akroasis-Tour“ auf ihrem Weg durch Europa. Glücklicherweise machen die Bands um die deutschen Ausnahme-Flitzefinger von OBSCURA auch in Dresden Halt. Also wird bereits zu nachmittäglicher Stunde Kollegin Nina eingesackt und der Weg ins Elbflorenz angetreten.
Es ist bereits das zweite Mal innerhalb von zwei Wochen, dass ich mich auf den Weg nach Dresden begebe, um ein Konzert der Extraklasse zu genießen. Doch drehte es sich das letzte Mal um ALCEST, so wird am heutigen Donnerstag deutlich technischere Kost aufgefahren.
Den Anfang machen die Jungs von RIVERS OF NIHIL, die den Weg aus Reading, Pennsylvania auf sich genommen haben und zum allerersten Mal in Deutschland, bzw. Europa, auftreten. Als erste Band des Abends betritt der Fünfer die Bühne und kann nicht nur mich mit hervorragendem Death Metal überzeugen. Einerseits hörbar technisch, andererseits auch mit groovenden Passagen und eingängigen Ohrwurmmelodien ausgestattet, liefern RIVERS OF NIHIL, zumindest musikalisch, eine starke Darbietung. Allerdings wirken die Kollegen recht hüftsteif, was jedoch auch dem begrenzten Raum auf der Bühne geschuldet sein kann. Immerhin müssen sich die Jungs den Platz vor dem Schlagzeug des Headliners teilen. Da der ersten Band des Abends nur eine halbe Stunde Spielzeit zur Verfügung steht, ist das Set bereits nach sechs Songs vorbei. Dieser Zeitknappheit fällt leider auch „Mechanical Trees“ zum Opfer. Songs, wie das grandiose „Sand Baptism“ oder das abschließende „Soil & Seed“, begeistern dennoch und lösen bei mir den unbedingten Wunsch aus, diese Band schnellstmöglich wieder zu sehen!
Eine Tour voller Premieren: denn auch die Kanadier von BEYOND CREATION sind zum ersten Mal auf europäischem Boden unterwegs. Endlich, wie ich sagen muss. Denn bereits seit ihrem 2011er Debütalbum „The Aura“ bin ich begeisterter Fan. Schon seit geraumer Zeit frage ich mich, was eigentlich im kanadischen Trinkwasser sein muss, da mich die Dichte an guten Tech Death-Bands aus diesem Land einfach überwältigt. Und auch heute Abend rütteln BEYOND CREATION nicht im geringsten an diesem Eindruck. Schon durch die ersten drei Songs „Omnipresent Perception“, „Coexistence“ und „Earthborn Evolution“ werde ich komplett umgehauen, Begeisterungsstürme ausgelöst und ungeahnte Mengen Endorphine durch meine Blutbahn geschossen. GEIL!
Neben den Songs, die ich zum Großteil schon kenne, fasziniert mich die unfassbare Lässigkeit, mit der die Band – deren Saitenfraktion komplett mit Strandberg Gitarren ausgestattett ist – den komplexen Kram runterspielt, der hier geboten wird. Zumindest ich kann keine Fehler ausmachen und dennoch wirkt die Band nicht zu routiniert, als wäre dies nur ein Auftritt unter vielen. Da beide Gitarristen oftmals an die Mikros gebunden sind, herrscht auch hier abseits der Instrumente eher Bewegungsarmut. Nur in den ausgedehnten Instrumentalpassagen kommt etwas Agilität ins Spiel, wobei speziell Neu-Bassist Hugo Doyon-Karout nicht nur sein technisches Vermögen, sondern auch die problemlose Interaktion mit seinen Kollegen unter Beweis stellt.
Doch auch BEYOND CREATION ist nicht allzu viel Spielzeit vergönnt, weswegen man sich nach etwas mehr als 30 Minuten und „Fundamental Process“ verabschiedet.
Es folgen die Bostoner Progressive Thrasher von REVOCATION. Zunächst fällt auf, dass Sänger und Gitarrist Dave Davidson überraschend haarlos erscheint. „Hey Dave, where’s your hair man?“ – „Oh, I shaved it off. It’s backstage, do you wanna have it?“, erklärt sich der sympathische Frontmann einem Fan. Nachdem kein Haaraustausch, dafür aber der Soundcheck stattgefunden hat, nicken sich die vier Amis kurz zu und starten mit „Arbiters Of The Apocalypse“ in ihr Set. Sofort fliegen Köpfe und die ersten Reihen gehen steil. Ich für meinen Teil muss zugeben, dass REVOCATION eine Band sind, die ich schrecklich gerne mehr mögen würde, der emotionale Funke aus mir unbekannten Gründen allerdings nie überspringen konnte. Glücklicherweise geht es nicht vielen Zuschauern so wie mir und objektiv betrachtet machen die Jungs von der Ostküste mit Songs wie „Dismantle The Dictator“, „Crumbling Imperium“ und „Madness Opus“ alles richtig. Zusätzlich dazu gibt sich Dave Davidson euphorisch und weiß das Publikum auch mit einigen Ansagen bei Laune zu halten. Einzig Songs ihres selbstbetitelten 2013er Albums lässt die Band zum Bedauern einiger Fans aus. Technisch betrachtet ein fehlerfreier Auftritt, der mich dennoch überraschend kalt lässt.
Wieder mal erlebe ich mit, wie die Bühne geräumt wird und das Drumkit der vorherigen Bands sowie alle Amps verschwinden. Obwohl ich diesen Anblick der „leeren“ Bühne dieses Jahr schon mehrfach gesehen habe, konnte ich mich ein Stück weit daran gewöhnen. So richtig geil sieht das Ganze aber nach wie vor nicht aus.
Mit „Ten Sepiroth“ vom aktuellen Überalbum „Akróasis“ eröffnen OBSCURA ihr Set. Und auch für den Rest der Spielzeit wird der Fokus überwiegend auf die Songs der letzten Veröffentlichung gelegt. Jedes einzelne Bandmitglied arbeitet technisch an der Höchstgrenze – und wirkt dabei so entspannt, als würden die Songs aus drei Akkorden bestehen. Besonders Bassist Linus Klausenitzer übernimmt den Posten des Bandflummis und läuft über die Dauer der Show mehrfach die gesamte Bühne ab. Doch den Weg, den Linus zu Fuß bestreitet, arbeitet Gitarrist Rafael Trujillo vermutlich alleine mit seinen Fingern ab. Was dieser Mann an der Siebensaiter leistet, ist nicht mehr normal und ich frage mich, wie oft mir während der Show der Landshuter meine Augen in bester Bugs-Bunny-Manier aus dem Kopf zu springen drohen. Zu meiner Freude werden die Songs des vorherigen Albums „Omnivium“ bis auf „Ocean Gateways“ ausgelassen. Spätestens als als viertes Stück im Set der Titelsong „Akróasis“ ertönt, möchte ich mir den Kopf abbangen. Dieser Song gehört vermutlich zu einem der besten, die im Tech Death, je geschrieben wurden. Die fliegenden Haare im Rest des Saals versichern mir, dass dieser Eindruck offenbar Konsens unter den Besuchern ist. Über Bandklassiker von „Cosmogenesis“ wie das unverzichtbare „Anticosmic Overload“ nähert man sich überraschend schnell dem Ende des Sets. „Bitte entschuldigt meine Stimme, aber gestern Abend wollten die Leute einfach, dass wir so viele Zugaben spielen“, informiert Frontmann Steffen Kummerer, der auch sonst sehr kommunikativ und freundlich wirkt, das Publikum. „Tja, gewöhnt euch schonmal dran“, lautet die Antwort aus der ersten Reihe. „Guter Punkt, haha“, gibt Kummerer zu, bevor der nächste Knaller folgt. Und natürlich lässt auch das Dresdner Publikum die Band nicht ganz ohne Zugaben von der Bühne verschwinden, weshalb als letzter Song des Abends das fantastische „Incarnated“ durch die Scheune geprügelt wird.
Obwohl alle Bands heute Abend sehr technisch zu Werke gegangen sind, kam es keinesfalls zu dem Eindruck, dass man nur mit Gewichse und möglichst vielen Noten in möglichst wenig Zeit verprügelt werden würde. Somit kann ich sagen, dass dieses Tourpaket angenehm organisch und dennoch facettenreich genug wirkt, sodass man zu keinem Punkt des Abends das Gefühl bekommen hätte, die Musik der einzelnen Künstler gleiche sich zu sehr und würde gar zu Langeweile oder einem Übermaß an Spielfertigkeit auf Kosten der Unterhaltung führen.
Nachdem alle Bands noch ausgiebig für Fotos, Fragen, Merchverkäufe und Autogramme zur Verfügung stehen, nähern sich beide Uhrzeiger der 12 und ein atemberaubender Abend dem Ende. Wie Nina so schön in Worte fassen konnte: selten haben wir ein Konzert erlebt, bei dem es so verschwindend wenig Grund zu negativer Kritik gegeben hat. Mit neuen Platten versorgt, verschwitzt und überglücklich verlasse ich Dresden wieder und freue mich bereits jetzt auf das nächste Konzert dieser Güteklasse, wobei die Latte heute Abend wirklich verdammt hochgelegt wurde.
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