Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über
Testament – Das Wettrüsten der Titanen geht weiter
TESTAMENT – Brotherhood of the Snake
Veröffentlichungsdatum: 28.10.2016
Dauer: 46 Minuten
Label: Nuclear Blast
Einer nach dem Anderen rüsten sich die Titanen der US-amerikanischen Thrash Metal-Szene zum direkten Vergleich. Nachdem nun in den vergangenen Monaten ANTHRAX, SLAYER und MEGADETH ihre Waffen in Form neuer Alben geschärft und poliert haben, zogen nun die Herren von TESTAMENT nach, um mit der neuen Scheibe „The Brotherhood of the Snake“ zum großen Showdown mit der Neuerscheinung von METALLICA im November gewappnet zu sein. Grund genug, um sich die Waffen der Titanen mal genauer zu beäugen.
„Brotherhood of the Snake“, Nachfolger des 2012er Albums „Dark Roots of the Earth“, ist wohl eines der meist ersehnten Thrash-Metal Alben des Jahres und wartet mit einer Tracklist von zehn Songs auf. Den allgemeinen Metal-Fan erwartet also eine gute Dreiviertelstunde gepflegtes Thrash-Geschrammel aus den Boxen der heimischen Musikanlage, des Autos oder den Kopfhörern. Zumindest wird einem das in der Artikelbeschreibung der EMP, als „ungebrochener und brutaler Thrash-Metal“ so vermittelt. Zu allererst stimmt mich das Cover-Artwork von Eliran Kantor, der auch für das Cover des Vorgängers zuständig war, schon einmal positiv und hinterlässt mit den drei abgebildeten Schlangenköpfen, in deren geöffneten Mäulern einige dunkle Personen mit verbundenen Augen zu erkennen sind, einen guten Eindruck. Nach einigen Wochen des Wartens bin ich jetzt sehr neugierig, was meine Lauscher gleich für Töne aufnehmen und wie es mir dabei ergeht.
Der Opener der neuen Scheibe ist direkt der Titelsong „Brotherhood of the Snake“ und startet genauso, wie man es sich von einem guten Opener erhofft. Die Gitarren und Drums des Intros erwecken nahezu fast jeden Toten wieder zum Leben, dazu betont Chuck Billy mit dem allerersten Growl, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Kurz darauf zeigt der Frontmann wieder eine andere Seite seiner Stimmbänder und bewegt sich wieder etwas weg vom Black- und Death-Metal Gegrunze. Der Opener bleibt aufgrund der gesanglichen Vielfältigkeit von Billy und der einprägsamen Melodie im Hinterkopf, während sich nun schon der nächste Song „The Pale King“ den Weg in meine Lauscher bahnt.
Auch dieser Titel besticht durch Billys starken Gesang, der sich nun auch kurzweilig an melodischen Passagen versucht und diese auch wirklich meistert. Auffallend ist zudem der kurze, in das Solo eingepasste gesprochene Part, der entfernte Ähnlichkeiten zu METALLICAs „Enter Sandman“ aufweist. Neben dem Opener ist „The Pale King“ nun schon der zweite Titel, der mich doch positiv überrascht und dem ich auch das Potenzial eines modernen Klassikers der Band zugestehe.
Nachdem nun „The Pale King“ eher einen melodischen Song darstellt, ist der folgende Track eigentlich genau das Gegenteil: dieser wirklich sehr schnelle Song rockt einem die Ohren wieder frei! Wahrscheinlich bin ich einfach nur geschädigt, aber auch bei „Stronghold“ muss ich kurz an METALLICA, genauer gesagt an „Battery“ denken. Epische Thrash-Gitarren im Intro, bis Gene Hoglan an den Drums und Chuck Billy richtig loslegen. Dazu ein Solo, das auch von Kirk Hammett stammen könnte. Vor allem die Höhen im Solo rufen den Lead-Gitarristen vor mein inneres Auge – oh Gott, diese Vergleiche sind ja echt schon fast krankhaft – aber egal, denn dieser Track verleitet genauso zum Headbangen wie „Battery“ auch. Schon jetzt muss ich sagen, dass ich auf die Live-Performance dieser Titel gespannt bin, da sich dann ihr wahres Potenzial entfaltet und so der eventuelle Kultstatus entsteht.
Mit einigen Nackenschmerzen, aber dafür wieder freien Ohren, lässt mich „Seven Seals“ wieder durchpusten. Das wohl auch deshalb, weil dieser Song nicht so auf die Fresse gibt, wie seine Vorgänger. Ausgegangen vom sehr zügigen zweiten Intro Part, bin ich angesichts des weiteren Verlaufs leicht enttäuscht. Irgendwie fügen sich die Teile des Songs nicht zu einem großen Ganzen zusammen. Der Chorus bleibt zwar im Ohr, ist aber doch verhältnismäßig lahm. „Seven Seals“ catcht mich einfach nicht so wie die ersten Titel.
Eigentlich genau das Gleiche kann ich von „Born in A Rut“ behaupten. Starkes Intro, aber wieder abflachende Strophen und Chorus. Man beginnt, sich nach ungefähr der Hälfte des Songs zu langweilen. Chuck Billys Sprechgesang erinnert hier viel mehr an den von Whisky-Cola geprägten MOTÖRHEAD-Sound, als an urigen Thrash-Metal – nicht, dass ich das prinzipiell schlecht finde, aber es wirkt doch in diesem Album etwas deplatziert. Dass dieser Titel dann auch wirklich eine Hommage an Lemmy ist, zeigt sich in dem oft wiederholten Vers „born to loose“, denn bekanntermaßen gibt es einen gleichnamigen Song von MOTÖRHEAD.
Soooo, wir haben Halbzeit, fünf Tracks rum, fünf warten noch darauf, auf mich einwirken zu dürfen. Doch trotz Halbzeit gibt’s keine Pause, denn es geht weiter mit „Centuries of Suffering“. Der kürzeste Song der neuen Scheibe kommt jetzt wieder etwas klassischer ums Eck und liefert schnörkellosen Thrash-Metal, wie er u.a. auch von SLAYER oder SODOM hätte sein können. Sozusagen wieder richtig schön in die Fresse. Chuck Billy stellt hier mal wieder seine ganze Gesangskunst unter Beweis und tauscht den Sprechgesang wieder gegen aggressiv klingenden Thrash-Gesang.
„Black Jack“ nähert sich dem Namen nach und von der Intensität her an den Black-Metal an, während dann „Neptune’s Spear“ wieder ganz schlichter Thrash ist und auf verspielte Soli setzt (diesmal aber ohne, dass einem Kirk Hammett wieder vor Augen erscheint).
Naja, und wer bei „Canna-Business“ nicht versteht, dass sich der Song mit der Legalisierung von Cannabis in den Vereinigten Staaten befasst, der muss wirklich high sein… Achtet man auf den Text, so übermittelt dieser über die drei Strophen verteilt, einen Großteil der in den USA laufenden Diskussion. Nicht ganz unwichtig, wenn man bedenkt, dass sich die Bürger Kaliforniens (TESTAMENT kommen aus der Bay Area in San Francisco) grade parallel zur Präsidentschaftswahl in einer Volksabstimmung FÜR eine Legalisierung in bestimmten Maßen ausgesprochen haben. Interessanterweise spricht sich die Band nicht unbedingt gegen die Legalisierung aus, vielmehr sei die Droge „(…) not a crime“, sondern als Medizin zu verstehen.
Aber ich schweife ab, der letzte Song wartet darauf, gehört zu werden. „The Number Game“ hat die Ehre, dieses neue Album zu schließen …hoffentlich haut die Band hier nochmal nen richtigen Brocken raus…
Nun ja, ich beginne mal so: die Lyrics und die Musik harmonieren hier gut, die Stimmung eines anscheinend psychisch gestörten Serienmörders, der 14 Menschen in 2 Wochen umbringt und sein Handeln als Zahlenspiel betrachtet, wird wirklich authentisch wiedergegeben. Zerfahrene schnelle Riffs, sowie der partweise tiefe Gesang unterstützt die Sicht auf die düstere Welt dieses Serienkillers.
Na also, das war sie, die neue TESTAMENT-Scheibe. Ehrlich gesagt, hat uns die Band im Vorfeld der Veröffentlichung etwas Episches versprochen, das uns Fangemeinde begeistern solle. Dem kann ich so nicht zustimmen, denn meiner Meinung nach war das Vorgängeralbum doch ein Quäntchen besser, aber die neue Scheibe hat allemal Potenzial. Mehr als gespannt bin ich, wie schon gesagt, auf die Live-Performance der Titel „Brotherhood oft the Snake“, „The Pale King“ und „Stronghold“. Diese Drei sind für mich die Songs, die es wirklich zu Klassikern bringen können. Die restlichen Stücke fallen nach dem ersten Hören noch nicht wirklich auf und bleiben, bis auf die Lemmy-Hommage, auch nicht hängen. Die von anderen Bands (komm, noch einmal: METALLICA) inspirierten Songs kann man verachten, aber auch mögen.
Befasst man sich aber als Musikliebhaber mit dem Album und wirft vielleicht doch mal einen Blick in die Lyrics, so kommt dann doch eine erstaunliche Vielfältigkeit zu Tage. Sei es ein gesellschaftsrelevantes Thema, oder andere Geschichten von Mördern oder Ähnlichem, aber auch musikalische Vielfalt, die vor allem in Chuck Billys Gesang deutlich wird. Man hätte vermuten können, dass er mit nun doch auch schon 54 Jahren etwas an stimmlicher Leistungsfähigkeit verliert – ja, schwer zu glauben, aber auch Rockstars können altern – aber dem ist ganz und gar nicht so. Tiefe Growls und Grunts, aber auch melodische Parts sind, genau wie sein alltäglicher Gesang, anscheinend (noch) kein Problem für ihn. Deshalb ist das Album für den Thrash-Metal im Allgemeinen und TESTAMENT-Fan im Speziellen auf jeden Fall empfehlenswert.
TESTAMENT online
Dies ist ein Gastautorenbeitrag von: Preuße
Autorenbewertung
Vorteile
+ sinnvolle Lyrics
+ Produktion
+ Cover
Nachteile
- zu viele Anleihen an andere Bands (ein letztes Mal noch: METALLICA!)
Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über