THE OCEAN in Leipzig – Raffinierte Prog-Walze
Willkommen zurück im Werk 2! Nachdem mich das letzte Mal hier DENDEMANN so überhaupt nicht zu überzeugen wusste (Sorry, Mann. Früher warst du anscheinend cooler…), widme ich mich nun wieder dem Metal. Diesmal in der deutlich kleineren Halle D, die ca. 500 Personen fasst. Es sieht gegen 20 Uhr noch etwas traurig und leer hier aus. Es sind gerade Mal um die 100 Leute da. Ich hoffe, dass sich trotz zweier Gegenveranstaltungen die Location noch ein wenig füllt. Immerhin spielen heute Abend auch noch DESERTED FEAR im Naumann’s und UFOMAMMUT im UT Connewitz… Als ich mich dann später das nächste Mal umdrehe, ist die Halle aber locker gefüllt. Meine Sorge ist also definitiv unbegründet.
Bevor HEROD den Reigen eröffnet, wird geplaudert und Merch begutachtet. Es herrscht eine schön entspannte Atmosphäre und die Deckenballons strahlen ein kühles blaues Licht ab. Als die Band dann die Bühne betritt, wird klar: HEROD stellen neben einem Drummer gleich mal drei Gitarren. Was ergibt das? Klar!
Endlos dicken Sound!
Ich fotografiere zunächst vor mich hin und packe nach den ersten drei Songs die Kamera weg und horche, was es zu horchen gibt. HEROD rumpeln und walzen was das Zeug hält. Der Wechsel zwischen harschem Gesang und cleanen, sogar zweistimmigen, Passagen gelingt mühelos. Ich würde die Band als gleichsam postig und chaotisch beschrieben. Denn neben dem Schreien der Instrumente und Stimme wird immerhin auch mal Luft für niederrollende Klangflächen gelassen.
Die Gitarren stellen eigentlich nur Wand, durch die sich Dissonanzen wie Risse durch Putz ziehen. Für etwas Abwechslung sorgen eingestreute Taktverschiebungen, die mich immer mal aufhorchen lassen. Drumrum wabert alles, drückt und walzt mit ausreichend Sludge-Anteil durch die Halle. So träge die Musik auch ist, auf der Bühne herrscht viel Bewegung. Die Instrumente werden munter herumgewirbelt. Nach einer dreiviertel Stunde und gefühlten fünf Songs ist auch schon wieder Schluss mit ihrer Performance.
Aus der Konserve würde ich mir das, was HEROD hier auftafeln, weniger anhören, denk ich. Aber live funktioniert das für mich ganz gut. Bei Gelegenheit würde ich sie mir bestimmt noch einmal anschauen.
DOWNFALL OF GAIA
Now to tonight’s pos(t)er-boys! Ja, ganz offensichtich werden diese Jungs von einigen im Publikum vorfreudig erwartet. Vor der Bühne beginnt es langsam eng zu werden. Und als sie loslegen ist von Ton Eins anklar, dass hier Black Metal die Mutter des Gedanken – äh, ich meine natürlich: der Musik – ist.
Im Prinzip kann ich es so umschreiben: Ordentliches Geballer und Schrot verpackt in schwebende, postige Sphären, die zum Träumen einladen. Ich drifte gedanklich ab… Aber nicht, weil ich so gefangen bin, in dem, was dort vorn passiert. Die Musik weiß mich leider wieder nicht so richtig zu packen. Schade! Der krächzende Gesang ist recht eintönig und entspricht in seiner Monotonie nicht so ganz meinem Geschmack. Ab und an reißt es mich doch aus meiner Trance, wenn der Schlagzeuger ein paar frickelige Finessen in sein präzises Spiel einbaut. Mann, ist der eine Maschine! Generell ist auf technischer Ebene nichts an den Jungs auszusetzen. Sie feiern sich selbst sichtlich auf der Bühne ab. Aber sie machen mich eben überhaupt nicht neugierig.
Schön, dass ich mich in dieser Halle an der Seite auf Podeste stellen und sowohl Publikum als auch Bands gut beobachten kann. Ich frage mich, ob ich nur den Eindruck habe oder das Publikum doch etwas gespalten ist. Dass die einen vielleicht für DOWNFALL OF GAIA und die anderen für THE OCEAN hier sind. Da mich die einen so gar nicht ansprechen und die anderen sehr hoch im Kurs stehen, liegt für mich der Schluss nahe, dass ich mit dieser Empfindung vielleicht gar nicht so alleine bin. Ich kann mir momentan noch nicht vorstellen, dass diejenigen, die für THE OCEAN hergekommen sind, auch DOWNFALL OF GAIA abfeiern. (Spoiler: Dass dieses abendliche Bandkonglomerat doch irgendwie ganz gut zusammenpasst, werde ich später merken.)
Ich schaue mir das Spektakel für die letzten drei Songs also von einem Podest aus an. Für den letzten Song darf dann auch mal der Gitarrist an den Gesang und schwupps – da ist er doch! „Of Withering Violet Leaves“, der Song, der – für mich im Bandsound recht Unbewanderte – ganz anders klingt als der Rest. Einfach nur dank zweier, verschieden eingesetzter Stimmlagen und -stilistiken.
THE OCEAN
Pünktlich 22 Uhr endet die Show der Band und 22:15 Uhr, genauso pünktlich, beginnen THE OCEAN ihre von mir heiß ersehnte Performance. Recht erwartbar beginnen sie ihr Set mit den Opener-Werken des aktuellen Albums „Cambrian“ und „Ordovicium“. So häufig, wie selbiges in den letzten Wochen bei mir rotierte, fühlt es sich wie Heimkommen an. Ein warmer Empfang. Das Set hat viel vom neuen Album, wartet aber auch mit älteren Stücken auf. Mit den folgenden Songs grasen sie dann einen Teil ihrer Diskographie in umgekehrt chronologischer Reihenfolge ab. Dafür wurden aber natürlich nur die Hits ausgewählt! „Let them Believe“, „Firmament“ und „Statherian“ folgen aufeinander, nur durchbrochen von „Silurian“. Als letzter Song des Haupt-Sets haben THE OCEAN „Permian“ gewählt und mir damit eine ganz besondere Freude gemacht.
Die Band legt ordentlich los und überrascht mich mit ihrem atemberaubenden Föhn. Ja, ich hätte nicht gedacht, dass THE OCEAN live so wuchtig sein können – oder eher: sind. Dabei sind sie aber deutlich vielschichtiger als DOWNFALL OF GAIA. Es entwickelt sich ein dicker, walzender Sound, immer wieder gespickt mit befreienden Atempausen. Die Drums sind klar und durchsetzungsfähig. Und es werden Rhythmusspielereien auf allen Ebenen eingebaut. Das Angenehme daran: Diese sind nicht verwirrend und reißen mich voll aus dem Drive. Nein, sie sind fein in das große Ganze eingewoben. Ebenfalls erwähnenswert ist, wie wunderbar dynamisch die Band spielt. Es gibt genug Abstufungen zwischen laut und leise, die den Songs eine angenehme Spannung verpassen. Und ausgiebige Instrumentalpassagen geben der Musik erst den Raum, ihre Atmosphäre komplett zu entfalten.
Ich gebe zu: Ich bin verzaubert.
Schön zu beobachten ist die ausgiebige Interaktion mit dem Publikum. Vor allem der Sänger baut aktiv eine Verbindung auf. Mit seinem Stage Diving-Versuch scheitert er dennoch – leider! Er weiß es jedoch zu überspielen und nimmt es sichtlich mit Humor. Die Band ist auch die einzige des Abends, welche die Podeste vor der Bühne nutzt und damit quasi im Publikum steht. Dieses gibt sich gelöst und freudig, schüttelt fleißig das Haupthaar und ist sogar beeindruckend textsicher. Die Stimme des Sängers schallt rau und harsch, fast core-ig durch die Halle. Und dennoch ist sie angenehm hörbar und facettenreich. Und es fällt mir auf: THE OCEAN sind doch gar nicht so spartig und abgefreakt, wie ich sie in den vergangenen Jahren in meinem Hinterkopf abgelegt habe. Sie tragen ein Hit-Potenzial in ihren Songs, das ich bislang unterschätzt habe.
Da das aktuelle Album zugegebenermaßen das einzige Material ist, was ich aktuell von THE OCEAN im Hinterkopf habe und ich jetzt doch etwas neugierig bin auf das ältere Zeug, nehme ich mir vor, das auch dringend mal (wieder) intensiver zu hören.
Nachdem also „Permian“ verklungen ist und ich in Seligkeit vor mich hin schwebe, lassen es sich die Jungs nicht nehmen, noch einen passablen Nachtisch zu servieren. Gleich mal drei Songs von „Pelagial“ gönnen sie dem schmachtenden Publikum und mir. Die Show schließen sie mit der Sludge-Keule „Benthic“ und beweisen damit ganz prägnant, dass sie sowohl frickelig und komplex als auch langsam, getragen und mit exorbitant dicken Eiern können.
Tja, was bleibt mir zu sagen? Letztendlich erschließt es sich mir doch, wieso die Bands zusammen touren. Ich sehe, dass sie alle sehr postige, mächtige, gewaltige, ausladende und walzende Musik spielen. Mehr oder weniger frickelig. Und mit verschiedenen Einflüssen. Helden des Abends sind für mich ganz eindeutig THE OCEAN. Mit DOWNFALL OF GAIA kann ich immer noch nichts anfangen. Und HEROD? Würde ich bei Gelegenheit noch einmal anschauen und erneut versuchen einzuschätzen. Insgesamt sind sie doch so zu dritt gesehen ein gelungenes Paket. Mit den Worten von Käufern und Verkäufern diverser Internetplattformen: „Top! Gern wieder!“
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