THORONDIR – Des Wandrers Mär

THORONDIR – „Des Wandrers Mär“

Veröffentlichungsdatum: 19.04.2019

Länge: 58:36 Min.

Label: Trollzorn Records

Genre: Viking/Pagan Black Metal

Sommerliche Temperaturen und witterungsbedingte Annehmlichkeiten laden in den letzten Wochen vermehrt zum Verweilen im Grünen ein. Als Landschafts- und Naturliebhaber würde ich auch gern wieder durch dichte Mischwälder mit Flussläufen oder entlang monumentaler alpiner Bergmassive wandern. Dazu möchte ich natürlich authentische Musik nicht missen müssen. Scheinbar trifft der Titel des neuen und dritten THORONDIR-Albums „Des Wandrers Mär“ in dieser Hinsicht den Nagel auf den Kopf. Außerdem ist mir das farblich und thematisch ansprechende Cover-Artwork direkt ins Auge gestochen. Ein germanischer Krieger, rustikal mit Langaxt und Schild bewaffnet, findet sich auf einer Anhöhe in einem Gebirgsmassiv wieder. Blaugetränkt vom dämmernden Abendhimmel erblickt er im Tal eine geflügelte Fabelgestalt, welche das vorausliegende Tal mit seinem Feueratem in eine gegensätzliche, warme Farbgebung hüllt.

Episches Cover = Epische Musik?

Als Einsteiger überrascht mich der namenlose Prolog“. Nicht unbedingt vom Gesamtcharakter her, sondern eher durch die ertönende Frauenstimme im Vordergrund, welche mich stark an ELDAMAR  erinnert. Denn auch das norwegische Atmospheric Black Metal-Projekt integriert in seinen Songs oft eine glasklare helle Gesangsstimme einer Elbin, wie sie noch markanter aus den Herr-der-Ringe-Filmen bekannt ist. Verbunden mit hintergründigen Choralgesängen, symphonischen Anleihen und tiefen Streichinstrumenten, befeuert sie eine Art Aufbruchsstimmung. Der Krieger bereitet sich darin auf seine Reise vor und findet sich nach dem akustischen Gewittereinbruch im anschließenden Track Rache durch das Schwert“ sofort musikalisch und inhaltlich in seiner ersten Schlacht wieder.

Schon in diesem zweiten Titel wird deutlich, dass THORONDIR auf ihrem 3. Langspieler keinesfalls versuchen, das besagte norwegische Ein-Mann-Projekt aus dem LUSTRE-Umfeld zu imitieren. Hätte ich auch offen gestanden nicht erwartet, sind mir das Sextett aus Bayern doch schon seit meiner Pagan Metal-Phase in der gymnasialen Oberstufe nicht nur ein Begriff, sondern deren zwei Vorgängerwerke auch wohlbekannt.

Die Vocals reichen vom typischen gutturalen Gesang im Kreisch- bis Krächzstil bis zu pointierten klaren Gesängen und Growleinlagen. Insgesamt also recht heterogen, eine gängige Mixtur im Pagan Metal. Toll finde ich auch, dass der bayrische Dialekt des Sängers durchhörbar ist. Was darüber hinaus kein gänzliches Kuriosum, aber dennoch selten ist: Fast jedes Wort ist trotz „verzerrt“ klingender Stimme klar verständlich. Bei ihren Ulmer Genrekollegen von SLARTIBARTFASS ist das ebenfalls auf nahezu jedem Album so.

Im Vergleich zu den Vorgängerwerken

Anhand der Vocals erkenne ich deutliche Parallelen zu den Vorgängeralben „Düsterwald“ (2008) und „Aus Jenen Tagen“ (2011), was beweist, dass die Herren durchaus Wiedererkennungspotenzial im hart umkämpften Pagan Metal-Sektor haben. Auffallend ist, dass das Debüt „Düsterwald“ noch folklastiger (besonders  durch die markanten Flöten) gewesen ist. Weiterhin war noch die kurze Laufzeit von weniger als einer halben Stunde untypisch und das Hit-Potenzial mit Tracks wie Düsterwald“ oder Mit erhobenem Horn“ sind der Grund dafür, dass dieses Erstlingswerk bei mir gut hängengeblieben ist.

Das Konzept des neuen Albums: Anachronismus oder Individualismus?

„Des Wandrers Mär“ ist ein Konzeptalbum. In der Presse genießen solche Veröffentlichungen aufgrund ihres konsistenten inhaltlichen Aufbaus hin zu bestimmten Themenschwerpunkten einen ideellen Mehrwert. Das hier aufgegriffene Konzept vom (vermeintlich) auserwählter Krieger, der sich durch zig Schlachten schlagen muss, um einem negativen Weltenschicksal entgegen zu treten, ist jedoch im Pagan Metal oder Metal allgemein, sondern auch in anderen Kunst- und Kulturformen wie Spielfilmen, Fantasy-Serien, Videospielen oder Literatur schon erschöpfend ausgeschlachtet worden. Auch wenn die Umsetzung ganz authentisch wirkt, hätte man dahingehend mehr herausholen können.

Inhaltliche Schwerpunkte wie Schlachtenführung, blutige Schwertkämpfe und Göttersagen sind typisch paganistisch ausgerichtet. Während Folkeinflüsse, wie im Debüt, kaum mehr erkennbar sind, kann den Melodieführungen und Songstrukturen auch eine Viking-Attitüde nicht abgesprochen werden. Daher erscheint mir die Simultanbezeichnung Viking/Pagan Black Metal am treffendsten.

Wie klingt die Musik im weiteren Verlauf?

Titel Nr. 3 Fenriswolf“ ist mit seinen Lyrics und der allgemeinen Songstruktur und Rhythmik ein typischer Pagan-Metal-Song. Zwischendrin werten ein kurzweiliges, starkes Death Metal-Gestampfe mit gleichförmigen Breaks in den Riffs und Growl-Vocals den Track auf. In Dunkle Zeichen“ sticht am Ende der Einschub von einem nahezu sakral anmutendem Baritongesang heraus. Danach wird es in Thoron“ wieder melodiöser.

In der zweiten Hälfte wird die Musik noch pagan-typischer. Herauszuheben ist auch das Zwischenspiel Den Göttern zu Ehr“, welches ich als Rekapitulation der strukturellen Synth-Orientiertheit im Prolog“ und als einen netten Tribut an die germanischen Gottheiten werte, ohne dabei jedoch eine ausgeprägte Gänsehaut zu bekommen. Im 8. Titel In der Weite ein Licht“ geht es wieder wuchtiger und rhythmischer mit Wechseln aus Growls und Gekrächze voran.

Insgesamt schmiegt sich fast durchgängig eine orchestrale Aura an die Stamminstrumente an, welche jedoch leider nicht wirklich stark zur Geltung kommt. Dagegen ist die Varianz oder das Wechselspiel zwischen Rhythmus- und Melodiefokus deutlich markanter hörbar. Das ist gut so, aber für Pagan Metal auch nicht unüblich, sodass sich dieser Pluspunkt im Gesamtbild gewissermaßen relativiert.

Wie sollte das Album gehört werden?

Insgesamt eignet sich das Album aufgrund seiner allgemeinen Subgenre-Konformität auch zum mal hören nebenbei. Auch wenn der Sound an sich hochwertig klingt, favorisiere ich dennoch im Folk/Pagan/Viking Metal den Sound der 2000er-Veröffentlichungen, da sie unkommerzieller klingen und für mich eher im Einklang mit den sagen-/mythenhaften und naturverbundenen Texten stehen. Durch professionelle Soundbearbeitung kann diese Musik auch manchmal etwas an Authentizität einbüßen. Das ist jedoch mein rein subjektives Empfinden. Außerdem bekomme ich dieses Gefühl auch nicht bei allen aktuellen Neuveröffentlichungen.

Am Ende knüpft, das sei noch erwähnenswert, der „Epilog“ an den Gestaltungskontext des Prologes an und manifestiert mit seiner leicht verträumten und offenen Darbietung eine gelungene Abrundung des Longplayers.

Alles in allem sollten Fans von NASTRANDIR, VARGRIMM, ASENBLUT, OBSCURITY, FLAMMENSTURM oder GERNOTSHAGEN auf jeden Fall die neue Platte von THORONDIR antesten.

Autorenbewertung

6
Nach einer achtjährigen Schaffenspause müssen sich die sechs Waldsässer keinesfalls hinter dem Endresultat ihrer Arbeit verstecken. Sie bestätigen mit ihrem dritten Werk durchaus, dass sie über Verständnis in puncto konzeptionellem Songwriting sowie über musikalisches Geschick verfügen. Gerade die im leichten Dialekt gesungenen Vocals machen den Sound von "Des Wandrers Mär" so individuell. Insgesamt hebt sich die Musik allerdings zu wenig vom einheitskonformen Berg an Pagan-Veröffentlichungen der 2010er-Jahre ab. Die synthetisch und orchestral erzeugten Klänge, die ich beim Anblick des Cover-Arts erwartet habe, wurden nur sehr spärlich eingesetzt, das hätte ich mir noch gewünscht. Es ist in Summe noch ein bisschen Luft nach oben. Beim nächsten Album würde ich mir einen höheren Hang zur Experimentierfreude wünschen. Wieder mehr Folk-Einlagen, unkonventionelle Melodien, progressive Strukturen oder Ambientklänge oder mehr akustische Passagen mit Cleangesang würden der brachialen musikalischen Kompetenz der Herren einen vielseitigeren Ausdruck verleihen. Auch Symbiosen mit Death Metal (Pagan Death Metal) fände ich mal wünschenswert. Ruhig mehr Mut zur Individualität!
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6 / 10 Punkten

Vorteile

+ Konzept durchgehend und authentisch umgesetzt
+ Spagat zwischen Melodie- und Rhythmusfokus
+ die Produktion schafft Ausgewogenheit zwischen Gitarrenriffs und Stimme
+ Vocals markieren auch auf dem 3. Album Wiedererkennungspotenzial
+ Vocals gut verständlich
+ starkes Cover-Artwork
+ Prolog und Epilog schließen Album als Ganzes ab

Nachteile

- die Konzeptidee an sich ist nicht originell
- Gesamtkomposition und Produktion schaffen es nicht, sich von der Masse abzuheben
- Synths und STreicher gehen etwas unter
- ich hätte in Anbetracht des Covers persönlich mehr Hymnen erwartet

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