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„Ungebrochen“ lässt mich in Tränen zurück

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VLAD IN TEARS – Unbroken
Veröffentlichungsdatum: 19.08.2016
Dauer: 54:00 min
Label: NoCut Entertainment

Wahlberliner und Musik. Das kann entweder der nächste große Hit oder ein absoluter Fehler sein. Leider muss ich bei VLAD IN TEARS feststellen, dass eher letzteres zutrifft.

Ich versuche normalerweise ein Buch nicht nach dem Umschlag zu bewerten. Leider macht diese Band es einem nicht gerade einfach. Ich meine, gibt es etwas körnigeres, als einen Bandnamen in Anspielung an den Namen von Bassist und Sänger? Dazu kommen die Songtitel, der Titel des Albums selbst, das eher mäßig gute Albumcover und die Outfits der Musiker. Jetzt könnt ihr mich gerne als oberflächlich beschimpfen oder meine Kritik an der Stelle anzweifeln. Trotzdem wird sich mein Magen bei der Aufmachung nie mit etwas anderem melden als: „Wehe du hörst dir das jetzt an. Nein, bitte nicht. Mach das nicht.“

Und mein Magen sollte Recht behalten. Die lyrischen Botschaften in den Songs mögen noch so positiv sein, „Unbroken“ sorgt dafür, dass ich mich eher gebrochen fühle. Hier wird versucht, jedes moderne Alternative-, Gothic- und Hard-Rock-Klischee zu bedienen. Und das lyrische Desaster ist leider noch nicht genug. Es klingt unglaublich dünn, da viele Passagen auf Gesang und Text ausgelegt sind. Die Stimme des Sängers lässt einiges zu wünschen übrig und ist meist unbrauchbar, um Songs zu tragen. Fast einschläfernd wirkt sie auf mich, und getroffene Töne sind zu viel verlangt.

Textlich ist das Ganze unbeeindruckend, von „Liebesschnulzen“ und „Loslassen“ bis hin zum typischen „Kampfaufruf-für-alles-das-was-man-liebt-Song“. Nur mit der Beschreibung und den Lyrics zu „Slave“ können sie mein Interesse wecken. Wer zur Hölle schreibt noch Songs darüber wie, ich zitiere: „jeder dreckigen Sex mag, wenn er die richtige Person dazu gefunden hat“. An dieser Stelle kann ich mir das Schmunzeln nicht verkneifen, die Jungs scheinen es also alles ganz lieb gemeint zu haben. Auch wenn der Textschreiber vielleicht zu sehr von seinem Sklaven-Fetisch auf andere schließt, aber das sei mal nur so dahingestellt.

Instrumental bleibt es auch eher einseitig: Keine interessanten Riffs, keine besonderen Songstrukturen, ein Song klingt wie der nächste. Wie vorhin erwähnt, wird in den Strophen oft darauf gesetzt, nur Sänger und Schlagzeug agieren zu lassen. Das entspricht zum Ersten überhaupt nicht meinem Stil. Und zum Zweiten klingt es so derbst langweilig und ausgelutscht, dass ich nur noch abschalten möchte. Getreu dem alten Spruch „Ja, und ihr, ihr könnt jetzt … genau … abschalten.“, werde ich beschallt von langweiligen Gitarren bis hin zu traditionellen Rock-Schlagzeug-Beats. Auch Wahl-Berliner können also daran Schuld tragen, dass das deutsche Bruttoinlands-Produkt ohne Berlin um 0,2 Punkte stärker wäre. Denn wer kauft sowas? (Danke an Jörn)

Im Gegensatz dazu gefallen mir die ruhigen Songs wie „Broken Bones“ und „Still Here (Piano Version)“ besser. Dennoch fallen auch diese dem Mangel an Inspiration zum Opfer. Akustisch und ruhig steht der Band jedenfalls besser als dieser ewige Versuch, catchy zu sein. Denn mit dieser Art von dünner Produktion und unreifen Screams und Cleans lässt einen selbst der Mitsingfaktor im Stich. Egal wie leicht der Musik-Fan durch einfache lyrische Konstrukte und den Chorus angesprochen werden kann, ein wenig mehr musikalische Reife und Qualität wird dennoch erwartet. Stattdessen bringt die Musik nicht nur Frontmann Kris Vlad zum Weinen, sondern auch mich.

Oft geht mir auch ein Bild nicht aus dem Kopf: Schrecklich geschminkte Visual-Kei-Bands aus Japan, die auch noch in ihren Mitt-Dreißigern etwas reißen wollen. Die japanische, angebliche Ästhetik scheint VLAD IN TEARS beeinflusst zu haben, denn anders kann ich mir den lustigen Akzent des Sängers und das Aussehen der gesamten Band nicht erklären. Auch die Gothic-Kultur scheint ihre Narben in Form von Lidschatten und Schornsteinfeger-Outfits hinterlassen zu haben. Mir macht das Album auch ohne dieses erzwungene Posen keinen Spaß, und mit 54 Minuten hat dieses nicht nur Überlänge, sondern wirkt auf den Konsumenten noch uninspirierter und gestreckter. Beim nächsten Album darf gerne auf einige Songs verzichtet werden, denn das kann durchaus dafür sorgen, dass nicht jeder Song so schnell geschrieben wirkt.

Ich weiß nicht was ihr jetzt macht, aber ich und mein Handy drehen jetzt noch ’ne Runde mit dem neuen ANAAL NATHRAKH-Song. Die perfekte Eigentherapie gegen Ohrenbluten.

 

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Vlad In Tears und Vlad In Tears

Autorenbewertung

3
Die Musik mag mir so gar nicht gefallen, auch wenn die Leute an den Instrumenten halbwegs ihre Kunst beherrschen. Der Sänger jedoch sollte an seinen Fähigkeiten arbeiten und das nächste Mal vielleicht nicht die Produktion selbst übernehmen. Ich verstehe dennoch nicht, warum man schlecht gemachten Radio-Rock dem gut gemachten schon vorhandenen Zeug vorziehen sollte. Alles folgt einem überholten Formular und Kreativität vermisse ich zutiefst. Dem Material hier mangelt es an Originalität sowie Professionalität. Das geht sogar so weit, dass ich mir lieber einen bekannten alten Radio-Rock-Schinken à la EVANESCENCE geben würde. Und die sind für mich schon die unterste Schublade.
ø 2.4 / 5 bei 1 Benutzerbewertungen
3 / 10 Punkten

Vorteile

+ Mitsingtauglich

Nachteile

- keine guten Riffs
- keine Soli
- schlechter Gesang
- alles wirkt geplant und berechnet
- Produktion ist (merkbar) selbst gemacht

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2 Kommentare

  1. minuslik
    22. August 2016 bei 21:40 — Antworten

    Mann, und ich dachte, die Tränen, in denen du zurückbleibst, wären Tränen des Glücks. So kann man sich irren. Aber danke für diese ehrliche Kritik, hoffentlich demotiviert sie die Band nicht gleich, falls sie sie liest 😉

    Was die Äußerlichkeiten angeht: Die in die Entscheidung einfließen zu lassen, ob man die Platte mag, würde ich nicht als oberflächlich bezeichnen. Immerhin dienen die Äußerlichkeiten ja der Vermarktung und sollen auch Käufer anlocken, auch wenn sie die Band noch nicht kennen. Dass der Magen sagt: »Hör das nicht« ist mir übrigens beim aktuellen Album von Moonspell passiert, das so unappetitliche Bilder im Booklet hat, dass die CD nach dem Kauf erst einmal sehr lange herumgelegen hat.

    • 23. August 2016 bei 15:48 — Antworten

      Ich hoffe, dass schlechte Kritik mehr dazu motiviert es besser zu machen, anstatt sich demotiviert zu fühlen 🙂 Ja, das mit der Ästhetik scheinen noch nicht alle geschnallt zu haben!

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