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Urlaub nehmen um zu arbeiten? – Festivalarbeit

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Wer schon mal knapp bei Kasse war und trotzdem gerne auf ein Festival fahren wollte, hat vielleicht mit dem Gedanken gespielt, dort zu arbeiten. Dasselbe gilt für die, die so gerne mal einen Blick in den Backstage-Bereich werfen würden. Die Vorstellungen über die Arbeit in einer Festival-Crew und wie sie  tatsächlich aussieht, gehen dabei weit auseinander. Da kommt es vor allem darauf an, ob es sich um ein größeres Festival mit eingespielter Crew handelt, oder um ein kleines, wo eventuell noch nicht alles so richtig glatt läuft. Auch hier hat sowohl die eine als auch die andere Variante ihre positiven und negativen Seiten. Heute möchte ich die Chance nutzen, euch von meinen Erfahrungen zu berichten. Möglicherweise findet ihr ja mithilfe dieses Artikels heraus, ob Festivalarbeit etwas für euch ist. Da ich aber kein Festival madig reden möchte, werde ich keine speziellen Namen nennen.

WAS KANN ICH MACHEN?

Meist muss man sich schon vor dem Festival überlegen, welcher Aufgabenbereich am besten zu einem passt. Ich wollte immer gerne an der Bar arbeiten, um die Bühne im Blick zu haben, Leute kennenzulernen und vielleicht auch nebenher das eine oder andere Bierchen zu trinken (was nicht immer erlaubt ist und sich generell während der Arbeitszeit in Grenzen halten sollte). Auf den Festivals, auf denen ich bisher zugegen war, gab es dann noch folgende Bereiche:

  • die „Orga“ (diejenigen also, die das Festival leiten und das Sagen haben)
  • Kochcrew
  • Essensausgabe
  • Security
  • Einweiser und Einlasskontrolle
  • Bändchenausgabe
  • Bandbetreuung
  • Bühnenauf- und abbau, Stagehands, Sound- und Lichttechniker
  • Fahrer (für Bands, Getränke, etc.)
  • Abwasch/Reinigungscrew
  • Merchandise

Asche auf mein Haupt, wenn ich jetzt jemanden vergessen habe. Für manche Jobs (z.B. Security, Einlasskontrolle) werden oft auch Unternehmen engagiert; diese sind dann nicht für die Crew zu haben. Vielleicht passt ja einer der Bereiche genau zu dir? Einweiser zum Beispiel haben im Verlaufe des Festivals natürlich irgendwann kaum noch etwas zu tun. Barschichten sind dagegen oft stressig und über den ganzen Tag verteilt.

Kartenkontrolle, Bändchenausgabe und Einweisung sind vor allem zum Festivalbeginn wichtig – und entsprechend stressig.

 

DAS TOLLE DARAN…

Zunächst spart man sich auf jeden Fall das Eintrittsgeld. Wenn ich dabei beispielsweise an das Summer Breeze denke, ist das doch oft eine ganze Menge Geld. Außerdem gibt es die Versorgung (Futter und alkoholfreie Getränke), meistens eigene Duschen und einen eigenen Schlafplatz, manchmal sogar in der Nähe der Bands. Die laufen einem sowieso ständig über den Weg, dabei müssen sie allerdings nicht immer die Nettesten sein. Teilweise hatte ich aber auch schon Glück und es endete in einem netten Abend mit der einen oder anderen Band, sofern das auch zeitlich möglich war. Viele sind unter Stress oder wollen lieber unter sich bleiben. 

Auf vielen Festivals haben die Crewmitglieder eine eigene Essensausgabe; das Angebot ist oft ausgesprochen lecker und vielfältig.

Außerdem verschenken die Bands auch manchmal etwas oder lassen es einfach zurück. Ich habe da schon diverse Geschichten miterlebt, wo sich die Bands extra dies und das gewünscht haben – am Ende blieb es liegen und ging es an die Crew. Weiterhin werden meistens Crewklamotten zur Verfügung gestellt. Dabei gibt es normalerweise Shirts und für die Leute, die schon länger dabei sind, auch Jacken oder Hoodies. Oft darf das natürlich behalten werden, aber es gibt immer Ausnahmen.

Am wertvollsten sind aber auf jeden Fall die Kontakte, die in der Crew geschlossen werden. Immerhin sind sie eure Kollegen und zum Feierabend wird gern zusammen getrunken, meistens werden auch alkoholische Getränke bis zu einem gewissen Punkt gestellt. Erfahrungen werden ausgetauscht, jeder hat etwas zu erzählen, egal ob alte Hasen oder Frischlinge.

Das Merchandise-Team auf dem Darktroll: eine eingespielte Truppe.

Manche Leute treffe ich auf mehreren Festival in der Crew. Und ja, die nehmen sich extra Urlaub dafür und sagen:„Hey, ich nehme mir Urlaub, habe eine geile Zeit und bekomme dafür noch Geld (bzw. spare Geld)!“

Tatsächlich wird nicht jede Festivalarbeit bezahlt. Wenn allerdings Geld im Spiel ist, wird auch meistens mehr von den Leuten verlangt. Da bleibt der Spaß leider oft auf der Strecke.

 

 

… UND WO IST DER HAKEN?

Ganz klar sollte sein, dass man nicht jede Band anschauen kann. Ich konnte mir immer zwei bis drei Bands während meiner Schichten aussuchen, die ich sehen wollte. Meistens klappt das dann auch irgendwie. Ansonsten musste ich jemanden finden, der mit mir die Schicht tauscht.

Das Bands sich ab und zu Extrawürste wünschen, habe ich ja bereits erwähnt. Da kann es schon mal passieren, dass du als Crew-Mitglied mitten in der Nacht ein Bandmitglied vom gefühlt 10000 km entfernten Bahnhof abholen sollst. Oder irgendjemand wünscht sich plötzlich doch ein ganz bestimmtes Getränk mit dem Seltenheitsgrad von Einhornspucke. Das schlimmste, was ich bisher aber miterleben musste, war, als ein Crew-Mitglied seinen Schlafplatz aufgeben musste, weil eine Band den Raum für eine Party wollte. Derjenige durfte dann auf dem Flur schlafen. Kann passieren, ist aber eher die Seltenheit.

Im Gegensatz zur Crew dürfen die Gäste sich den ganzen Tag zulaufen lassen. Damit musst du umgehen können, wenn du Teil von ihr sein willst. Außerdem solltest du auf Hygiene achten und dich lieber nicht durch den Modder rollen – auch dann nicht, wenn du Feierabend hast. Du vertrittst ja sozusagen das „Festival“ an sich. Bei der Arbeit an der Bar sind außerdem häufig betrunkene Gästen unangenehm und stressig. Oft gibt es auch kein Verständnis dafür, dass drei Leute eben nicht zehn Drinks in fünf Sekunden machen können. Dazu kommen noch sinnlose Diskussionen über die „überhöhten“ Preise.

Wenn du Glück hast, dankt dir am Ende jemand. Und wenn du noch mehr Glück hast, musst du keine Überstunden schieben. Das ist von Festival zu Festival unterschiedlich. Ich war schon auf kleineren Festivals mit einer so kleinen Crew, dass Überstunden einfach notwendig waren. Da zog sich der Arbeitstag gerne mal von 8-21 Uhr. Wenn du als Einweiser dann noch Pech hattest, fand das den ganzen Tag in der prallen Sonne, ohne Sitzplatz und ohne Verpflegung statt. Habe ich leider auch schon miterlebt.

 

 

MEIN FAZIT

Das Festival-Gefühl besteht auch, wenn man arbeiten muss. Es unterscheidet sich oft gar nicht so sehr davon, ein Festivalbesucher zu sein. Ich entscheide mich mittlerweile bei fast jedem Festival dafür, weil ich finde, dass man die Zeit, in der man sonst sinnlos im Campingstuhl hängen würde, auch sinnvoll nutzen und dazu noch Geld sparen kann. Außerdem gibt es für die Crew oft echt geiles Essen. Wer allerdings lieber zum Saufen und Rumhängen da ist, wird sich in der Crew vermutlich nicht ganz so wohl fühlen. Ich hoffe, dass vielleicht einige von euch die Chance nutzen werden, selbst Mitglied in einer Crew zu werden. Die meisten Festivals suchen immer neue Hilfskräfte und ich kann euch versprechen, dass es eine einzigartige Erfahrung für euch sein wird.


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2 Kommentare

  1. […] Weile zu diesem erlauchten Kreis und wie es in der Vergangenheit schon mit der seltenen Gattung der Festivalcrew geschehen ist, will auch ich euch etwas Einblick in dieses Grüppchen verschaffen, das sich nach […]

  2. Christian Herzler
    24. November 2017 bei 7:56 — Antworten

    Sehr interessanter Artikel, gerne mehr davon! So ein paar Festival Geschichten wären echt interessant.

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