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Versammlung der Abscheulichen – Vendetta Fest 2018

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Bereits im vierten Jahr in Folge öffnet das Zukunft am Ostkreuz seine Tore für Black Metal Fans: es ist wieder Vendetta Fest! Die Location ist klein, gemütlich und die Abendkasse immer sehr beliebt. Keine fünf Minuten vom Ostkreuz steigt das Label-eigene Festival. Und ja, hier gibt es viel mehr als nur verpönten Hipster-Black-Metal. Ohren auf! 

Freitag, 06.04.2018

Also ich wäre ja gern pünktlich gekommen, aber die Deutsche Bahn hatte andere Pläne. Trotzdem komme ich rechtzeitig an, um mir Merch und das Essensangebot noch vor der ersten Band ansehen zu können. Wer keine Lust hat der kapitalistischen Wachstumsgesellschaft durch T-Shirt-Käufe in die Hände zu spielen, darf gerne auch sein Geld in Verköstigung investieren. In Berlin gibt es das Ganze natürlich vegan. Ohne dass für uns jemand sterben musste, gesellen wir uns zu den vielen Menschen im „Saal“.


LOTH
aus Frankreich eröffnen das vergleichsweise kurze Billing des Tages. Sie haben auch heimatliche Gefühle mitgebracht. So handelt „Mourir à Metz“ („Stirb in Metz“) von ihrer Heimatstadt Metz. Jeder der diese Stadt besucht, verliebt sich in sie, betont der Sänger und es bricht das schönste Liebeslied des Abends los. Ihr vom Hardcore maßgeblich beeinflusster Franzosen-Black spielt sehr oft mit dem Wechsel aus der Ruhe vor und dem Sturm selbst. In ihrer mechanischen Starre erwarten die Gitarristen den nächsten Ausbruch. LOTH geben ihre Aufnahmen in einer unerwartet energischeren Weise wieder. Was mich dennoch wurmt, ist der leichte Anflug von Monotonie im Schlagzeugspiel. Für ein T-Shirt sollte mein Budget trotzdem reichen – schon allein als Entlohnung für den atemlosen, verschwitzten Sänger.

 

Können ALDA da mithalten? Bevor ihr mir mit grausigen Wortspielen kommt, hört euch einfach die letzte Scheibe der Amis an. Die US-Amerikaner sind zwar zum ersten Mal auf Europatour, haben den Applaus des Saales aber schon sicher. Nicht zuletzt, weil der instrumentale Hauptteil von herrlich abwechslungsreichen Drumbeats geprägt ist. Ihr, zu sehr geringen Anteilen folkiger, Black Metal verzaubert einen Zuschauer nach dem anderen. So schwebt schon bald der ganze Raum in einer Trance zwischen schnulzigen Gitarren und einem rücksichtslosen Schlagzeuger, der auch noch den Großteil des Gesangs übernehmen muss. Hut ab!

 

Apropos Trance – ESSENZ machen nicht einfach nur Black/Doom Metal sondern haben dafür ihre eigene kleine Effektekiste mitgebracht. Neben schaurig, schluchzenden Samples gibt es von diesem Soundboard(?) immer wieder zärtliche Akzente zu hören. Die sind auch nötig, denn in Berlin geht man Leben und Musik verdammt langsam an. Obwohl diese fiese Kombination ordentliche Druckwellen verursacht, vermisse ich noch mehr Einsatzzeit der elektronischen Hilfestellung. Unglaublich großes Potenzial ist offensichtlich gegeben, die Menge liebt das Heimspiel.

 

Kann der Abend noch besser werden? Bis jetzt ist der Sound unglaublich, das Mampfzeug und die Stimmung auch. WODE aus Manchester haben es sich zur Aufgabe gemacht, eben dieser Torte das Sahnehäubchen aufzusetzen. Sie sind so verdammt hart und schnell unterwegs, dass einem schon beim Zusehen das Plektrum im hohen Bogen aus der Hand fliegt. Dabei sorgt die sehr große Prise Melodie für eine ungeahnte Wirksamkeit der sprintenden Riffs. Das wirkt zu Teilen wie purer Heavy Metal – klassisch und dennoch erfrischend. Schade, dass jetzt nur noch eine Band für diesen Abend übrig bleibt.

 

Schamanenhafter Death/Doom/Black Metal aus Aachen – klingt das nicht schon rituell genug? THE RUINS OF BEVERAST gehen gewohnt wie gekonnt an den Auftritt heran und locken die letzten Koyoten Berlins auch noch ins Tiefgrund. Sound klar, kein Patzer, hunderte nickende Köpfe – visuell übrigens ein noch großartigeres Stück. Von Nebel umschlungen agieren die schemenhaft erkennbaren Bandmitglieder sozusagen in ihrem eigenen Kosmos. Außerdem spielen die Herren heute viel vom neuen Album „Exuviah“. Zum Ende hin hauen sie dann die Zuschauerschaft komplett um, als der mehrstimmige Klargesang genutzt wird. Mit einer mythologischen Atmosphäre als Grundlage versprüht die Band spätestens zu diesem Zeitpunkt eine vollkommen andere Aura. Wer einen Blick hinter ihre graue Wand aus Ton und Rauch riskiert, wird durch Bilder belohnt, die ihn bis in den Schlaf verfolgen. Und genau diesen Schlaf werde ich mir jetzt gönnen!

Samstag, 07.04.2018

Bin ich heute pünktlich? Nach dem Zugausfall von gestern nehme ich vorsorglich eine Verbindung früher und habe Glück. An dieser Stelle möchte ich noch auf die Möglichkeiten zu sprechen kommen, die das (ehemalige) Tiefgrund für Gesellige bietet. Geneigte soziale Menschen können sich in einem kleinen Biergarten vor oder direkt in dem Haupthaus des Zukunft hinfläzen. Dabei wird das ganze Kulturangebot erst klar, wenn man etwas das Gelände erkundet. Zwischen Konzerten aller Art gibt es hier noch ein Kino und Theaterauftritte. Kultur pur wird uns heute auch erwarten. Obwohl es draußen noch hell ist, spielen schon die ersten Nachtmahre.


MORAST
geben alles was sie haben, um an einem so hellen Abend den Raum bereits tiefschwarz zu färben. Für mich ist der Sludge-Mix vorerst nichts, bis ich mich etwas von den letzten beiden Liedern mitreißen lassen kann. Dank der teuflischen Trägheit ihrer Musik bin ich auf diesen Abend vorbereitet, es wird noch erhabener! Bombastisch ist der Sound allemal, der auch heute nur vor der Bühne seine Tücken hat. Wer weiter hinten steht, hat mal wieder bessere Karten. Aber wo ist das denn nicht so? Nach dem Auftritt gibts für das zähe Quartett ordentlich Applaus von einem angeregten Publikum. Für mich gilt dennoch: live solide aber auf Platte fehlt mir irgend etwas.


TONGUE
aus Hamburg hatten einen ähnlichen Eindruck auf mich hinterlassen. Veränderrt sich das live? Aber wie! Zwar ist das Set etwas zu lang geraten für meinen Geschmack, der letzte Song hat es jedoch in sich. In dem bis jetzt unveröffentlichten Stück vom nächsten Album zahlt sich der zweistimmige Gesang umso mehr aus. Die beiden aufeinander abgestimmten Schreie entladen einen durchdringenden, musikalischen Gewaltakt. Definitiv auschecken!

 

Der Moment, auf den viele hier gewartet haben dürften, ist gekommen. Dänische Töne hallen zwischen den Wänden, ehe sie total vom Zuhörer erfasst werden können. Schemenhaft hinter den Nebelschwaden tauchen AFSKY zusammen mit ihrer Laterne auf. Keine Angst, das hier sind nicht SANTIANO! Ganz im Gegenteil, da die Show mit der Veröffentlichung des Debüts „Sorg“ korrespondiert, jagt hier eine alles vernichtende Nummer die nächste. Später am Merchstand bildet sich dann eine entsprechend endlose Schlange. Mastermind Ole nimmt sich dennoch Zeit für alle die, die er bereits mit seinem Auftritt beglückt hatte. Neben diesem Soloprojekt kennt man ihn vielleicht noch von SOLBRUD. Jedoch für mich persönlich beweist dieser Auftritt allein, das AFSKY viel mehr Potenzial hat.

 

VERHEERER aus Flensburg wollen den Trend für den Abend fortsetzen. So sollten sie in der Lage sein, AFSKY musikalisch noch auszustechen. Letztes Jahr bin ich gerade durch das Vendetta Fest auf diese Gruppe aus Köln gestoßen. Leider war damals erst eine EP im Kasten, der Nachfolger von „Archar“ kam dann in diesem Jahr. „Maltrér“ illustriert dabei live eine noch kultigere Stimmung. Was genau da aufgespielt wird und warum es mir so gefällt, könnt ihr mit einem einfachen Klick hier herausfinden. Dieser Auftritt hat mich jedenfalls mehr als nur beeindruckt. Der rituelle Höhepunkt des Abends dürfte noch keineswegs erreicht sein.

 

Bei ANTLERS hingegen will der Funke einfach nicht überspringen. Technisch einwandfrei und großartig inszeniert spielen die Leipziger auf, die Nacken des Publikums werden beansprucht. Für mich bleibt es eine komische Beziehung zu dieser Gruppe. Ich warte auf ein Finale, welches mich hinreißt – leider vergebens. Ton und Atmosphäre insgesamt vereinnahmen dennoch den gesamten Saal. Ein würdiger Headliner für diese Uhrzeit.

 

Meine Anteilnahme an ANTLERS lässt mich immer wieder zum letzten Act des Abends schweifen. Umso gieriger bin ich dann, endlich die ersten Noten von ULTHA hören zu dürfen. Die Kölner haben sich auch dieses Jahr nicht lumpen lassen. Schon das dritte Mal in Folge spielen sie beim Vendetta Fest. Haben sich die Besucher nicht irgendwann daran satt gesehen? Die Antwort ist ein klares Nein. Schließlich überträgt sich beinahe die gesamte Energie des Quintetts auf den Raum. Die Nebelmaschine trägt Schwaden in die Leere, die von Boshaftigkeit und Pessimismus durchzogen sind. Genauso düster ist es draußen schon seit Langem, als die ersten Töne die Kehle von Gitarrist Chris verlassen. Sobald er dieses Tor zur Hölle öffnet, gibt es kein Zurück. Persönlich hat mir dieser Gesang in Verbindung mit den Backup Vocals immer den letzten Rest gegeben. Wer sich darauf einlässt, kann sich nämlich von ULTHA in eine andere Wirklichkeit spielen lassen. Dort fressen sich menschliche Sünden wie Brandflecke durch die Weltkarte.  Der atmosphärische Black Metal setzt einfach eine Lupe hinter unsere Realität, um Feuer zu entfachen, die insgeheim schon seit Ewigkeiten lodern.

Fazit

Ein letztes Mal lassen sich die Besucher also in den Bann ziehen bevor es heißt: ab nach Hause, lasst eure Pullen hier. Mir und den ebenso breit grinsenden Schwarzmetallern war es wieder ein absolutes Vergnügen. Es bleibt nur noch zu hoffen, dass im nächsten Jahr nicht wieder zu viele der gleichen Bands spielen. Diese Gefahr besteht bei einem Label-Festival immer, die wiederholten Auftritte vieler Gruppen heute bestätigen meine Angst. Vielleicht ist die aber unberechtigt. Denn zur Stimmung könnte man auch sagen: „Mein Vendetta fest ist wichtiger als Deutschland!“ (entnommen vom relevantesten Aufkleber aller Zeiten)


Vielen Dank an Void Revelations (www.voidrevelations.com) für die großartigen Aufnahmen, die die Auftritte in ihrer Essenz einfangen.

Alle Bands in der Übersicht:

AFSKY auf Facebook und Bandcamp
ANTLERS auf Facebook und Bandcamp
ALDA auf Facebook und Bandcamp
WODE auf Facebook und Bandcamp
VERHEERER auf Facebook und Bandcamp
ULTHA auf Facebook und Bandcamp
ESSENZ auf Facebook und Bandcamp
MORAST auf Facebook und Bandcamp
TONGUE auf Facebook und Bandcamp
THE RUINS OF BEVERAST auf Facebook und Bandcamp
LOTH auf Facebook und Bandcamp


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