Vom Leben in einer ewigen Tour – Welicoruss im Interview
WELICORUSS sind vermutlich das größte Pagan-Metal/Black-Metal-Wunder aus Russland. Mit ihrem neuesten Studioalbum „Az Esm'“ wurden sie Anfang letzten Jahres nun endlich international und sind seitdem fast permanent auf Tour – unter anderem mit den Genregrößen HEIDEVOLK und ARKONA. Ich habe das zum Anlass genommen, um mich mit Gründer und Sänger Alexey Boganov über den Wechsel von der lokalen zur internationalen Band, ihren Fanzuwachs und natürlich das Leben in einer schier unendlichen Tour zu unterhalten.
Sascha: Anfang letzten Jahres habt ihr euer mittlerweile drittes Album „Az Esm“ rausgehauen, das euch nun endlich auf ein internationales Bandlevel mit einer neuen Konstellation brachte. Nun seid ihr seitdem auf Tour. Wie stark ist denn eigentlich die Veränderung im Vergleich zu eurem vorherigen Schaffen?
Alexey: Dass wir lange in Russland saßen und auch aus unserem Heimatland herauswollten war schon von vornherein klar. Aus diesem Grund wollten wir so viel wie möglich auf Tour sein, um noch einmal mehr Leute zu erreichen – ganz nach dem Motto ‚Schlag zu, solange das Eisen heiß ist!‘. Denn wir wissen: Es gibt eine Menge potenzielle Fans da draußen. Dabei gab es auch einen Haufen positiver Veränderungen neben dem Tourstress. Immer mehr Zuschauer erkennen uns wieder und wir sehen immer mehr Fans mit unseren Shirts auf den Shows. Das ist eine wahre Augenfreude, aber da geht noch mehr.
Sascha: Dass „Az Esm“ ein neuer Abschnitt der Band ist, sieht man auch am Vertrieb. Es steht kein Label, keine Website oder überhaupt irgendein Externer hinter. Das Album wird im Eigenvertrieb vermarktet. Wie kam es zu dieser Entscheidung und was sind die Konsequenzen, die WELICORUSS daraus ziehen muss?
Alexey: Die Antwort darauf ist eigentlich recht simpel. Wir haben mit einigen Plattenlabels gesprochen, die sich nicht so recht um ihre Bands kümmern wollen. Unter und mit solchen Leuten wollen wir nicht arbeiten. So ist unsere einzige logische Schlussfolgerung, dass wir zumindest im Moment die Einzigen sind, die das gut genug machen können. Dabei unterschätzen wir aber natürlich nicht die Macht, die hinter einem Label steckt. Deswegen suchen wir konstant nach einem Team, das uns vertreten kann. Dieses muss aber unseren Enthusiasmus und die Arbeit, die wir in unsere Musik stecken, teilen.
Sascha: Doch zurück zur Tour: Ihr seid natürlich nicht die Einzigen auf den Straßen. Daneben sind auch die vorher erwähnten Größen HEIDEVOLK, ARKONA und etliche andere unterwegs. Dass das nicht leicht sein kann ist natürlich klar, doch wie steht es denn genau mit den kleineren Bands auf Tour? Werden weniger Besucher erwartet und was macht man eigentlich gegen die teils recht hohe Erwartungshaltung?
Alexey: Klar, gibt es immer mal Schwierigkeiten und es ist definitiv kein Leichtes. Wir selbst können aber nicht viel dagegen machen, außer unser Bestes zu geben – mit dem besten Erfolg. Auch wenn die Besucherzahlen von Stadt zu Stadt stark schwanken, sehen wir einen positiven Trend: Viele haben vor der Tour noch nie etwas von uns gehört, aber mittlerweile kommen sie zum Teil nur wegen uns. Das ist großartig, aber wir werden trotzdem auch weiterhin nicht auf unseren Ärschen sitzen bleiben und hoffen, dass uns der Erfolg in die Hände fällt!
Sascha: Dass ihr nicht im Proberaum versauern wollt, sieht man an eurem Tourverlauf. Seit zwei Jahren seid ihr permanent unterwegs und es scheint, als würde WELICORUSS an jedem Veranstaltungsort schon einmal gespielt haben. Das ist doch auf Dauer recht anstrengend, oder? Wie schafft ihr es, euren Fokus zu wahren und woher nehmt ihr eure ganze Energie für diese schier niemals endende Tour?
Alexey: Das ist ziemlich anstrengend. Wir wissen aber was wir wollen: Größer und bekannter werden. Deswegen können wir uns keine langen Pausen erlauben, sondern müssen am Ball bleiben. Das ist ein Fehler, den zu viele Bands machen. Die Tage, an denen Bands zu einer Plattenfirma gehen und die alles für sie macht, sind gezählt. Die Zeiten der großen Roadcrews und Millionen von Merchandise-Verkäufen sind vorbei. Heutzutage muss man weitaus mehr Arbeit hineinstecken, wenn man etwas erreichen will. Außerdem ist das Ganze den Stress definitiv wert. Wir treffen einen Haufen toller Leute und erleben die witzigsten Dinge. Zum Beispiel haben wir bei einer unserer ersten Shows in der Schweiz in einem Swingerclub geschlafen (leider war er an diesem Tag geschlossen), in dem jeder Quadratzentimeter vor Sex und Wollust gestrahlt hat. Die ganze Deko war inspiriert von Genitalien! Das war der Wahnsinn! Eine Geschichte, von der ich in Jahren noch erzählen kann!
Sascha: Aber wie läuft es mit der Produktion für ein neues Album wenn man die ganze Zeit auf Tour ist? Werdet ihr dafür eure Tour zumindest ein Weilchen unterbrechen?
Alexey: Nein. Das klingt zwar recht abstrus, jedoch steht die ganze Band hinter der Idee. Zunächst einmal buchen wir andauernd neue Shows und wir haben kein Interesse daran, damit aufzuhören. Zwischendrin machen wir unsere erste DVD mit Liveacts, sowie einer Dokumentation zum zehnjährigen Bestehen von WELICORUSS. Zu guter Letzt arbeiten wir ebenfalls gleichzeitig hart an an neuen Songs für unser neues Album, welches wir im Sommer nächsten Jahres veröffentlichen wollen. Das wollen wir für keinen Preis der Welt verschieben – ganz im Gegenteil! Wir wollen sogar ein Musikvideo während der Tour veröffentlichen!
Sascha: Gibt es zu guter Letzt noch Tipps aus eurer Erfahrung, die ihr jungen Bands auf längeren Touren mit auf den Weg geben wollt?
Alexey: Lasst euch nicht unterkriegen, wenn ihr nicht mit den ganz Großen mithalten könnt! Wichtig ist, dass ihr hart an euch arbeitet! Das Leben ist nicht nur „Sex, Drugs and Rock ´n´ Roll“ – die Musikindustrie ist knallhart. Doch das Ganze ist es wert. Wir haben über 6000 Kilometer und zehn Jahre damit verbracht, euch unsere Musik nahezubringen und wir haben keine Sekunde am Wert gezweifelt. Das sind die Prinzipien die wir leben und die uns jedes Mal neue Energie geben.
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