Von Trauerbewältigung zu Langeweile – Defiant

DEFIANT – Time Isn’t Healing
Veröffentlichungsdatum: 25.11.2016
Dauer: 50 Min.
Label: Ferrrum Records
Genre: Melodic Power Metal

 

Tja, als musikinteressierter Zweibeiner hat man ja nun mal die Eigenschaft mit offenen Ohren durch die (virtuelle) Welt zu geistern und dabei so einiges aufzuschnappen. So auch dieses Mal geschehen: eines Abends stoße ich in den sozialen Medien auf eine Gruppe, die mein Interesse mit einem kurzen Teaser zu ihrem neuen Album weckt.

Die ukrainische Formation DEFIANT, die 2008 zueinandergefunden hat, wollen ihre Hörer mit Power Metal in Kombination mit melodischen Parts begeistern. Neugierig und durch den Trailer angeteasert, was das zweite Album der Band zu bieten hat, begebe ich mich auf eine akustische Reise durch ein 12 Songs umfassendes Werk der Osteuropäer.

 

Zugegeben, nachdem ich das Bandfoto an besagtem Abend sah, musste ich zunächst an eine etwas jüngere und vielleicht etwas weniger exzentrische Version der Genregrößen von POWERWOLF und EPICA denken, doch ich wurde eines Besseren belehrt!

Es erwartet mich kein harter und aggressiver Sound, sondern das episch-mystisch klingende Intro „Storm“ bringt den Zuhörer an einen stürmischen und geheimnisvollen Ort, von welchem aus man in die folgenden Songs hört:

„Milestones of Time“ ist also der erste richtige Track des Albums, der zunächst die mystische Atmosphäre des Intros mit einer verspielten Keyboardpassage aufnimmt, aber dann so richtig loslegt und den Powermetal raushängen lässt, wobei sich der Song mit fortlaufender Spielzeit etwas verliert.

Bei „The Jericho“ ist das anders: der weniger temporeiche zweite Track begeistert mich sofort mit der Bass-Schlagzeug-Kombi zu Beginn und lässt mich auch nicht wieder los. Dafür ist der Song zu abwechslungsreich. Interessante Soli, vor allem auch mal Soloparts von Oleg Yakovlev, der die Basssaiten in Schwung bringt, unterlegt mit technisch versierten Keyboardparts runden den Titel ab. Ja, Victoria Terzieva kann nicht nur schön lächeln, sondern auch noch Keyboard spielen!

Mit „Funeral Feast“ haben die Ukrainer genau den richtigen Titel für den folgenden Song ausgewählt, denn mittlerweile ist das Mystische einer eher deprimierenden Atmosphäre gewichen und verbreitet mit dem vergleichsweise rüden Sound, der vor allem durch die dominante Gitarre geprägt ist, eine recht morbide Atmosphäre. Man kann sich so auf jeden Fall gut in die Situation eines aufgewühlten Trauernden hineinversetzen.

Generell bleiben die Songs durch ihre negativ konnotierten Titel im Kopf, denn auch der Titelsong „Time Isn’t Healing“ passt in den Kontext der Trauer und des Seelenschmerzes. Jedoch wendet sich die Band wieder von dem zerfahrenen Stil des vorherigen Songs ab und erweckt, unter anderem mit langgezogenen Gesangsparts, den Eindruck eines Klageliedes.

Gerade wieder aufgehört zu klagen, folgt wieder ein langsamer Song. „According to the Acts“ erinnert zunächst stark an eine Rockballade, was sich im Verlauf des Titels auch nur wenig ändert. Das Klagende aber, das sich schon von Beginn des Albums an bis hierher zieht, langweilt mich mittlerweile und ich wünsche mir, dass mich mal wieder ein Song weckt und mir nicht beim endgültigen Einschlafen hilft. In nomine Patris et Filii …

Doch meine Wünsche werden vorerst nicht ganz erfüllt, denn obwohl „The Dream“ vielversprechend startet, kommt auch dieser Song nur sehr schleppend in die Puschen, kann das aber durch einen einigermaßen kraftvollen Gesang wieder auffangen, doch mein ersehnter „Aha-Moment“ lässt immer noch auf sich warten. Mal sehen, was sonst noch kommt …

Ich wehre mich beim Keyboard-Intro des folgenden Songs vehement gegen das Bestreben meiner Augenlieder, fallen zu wollen, doch dann …endlich… endlich werde ich durch powervolle Gitarren und Keyboards geweckt und auch Stanislav Proshkin ist mit den Vocals aus seinem Trauersingsang erwacht. Allerdings kommt jetzt das große Aber: der Song droht sich im Verlauf der etwas mehr als vier Minuten wieder zu verlieren, jedoch rettet der Gesang den Titel wieder so ein bisschen vor der Versenkung.

The Truth and the Lie“ verhält sich ähnlich. Dieses Mal startet der Song vielversprechend, auch die Gitarre, Bass, Drums und Keyboards haben das Potenzial, den Track zu etwas Vernünftigem zu machen. Jedoch muss ich sagen, dass mich der Gesang stört. Proshkin nimmt dem Song mit den Vocals das Tempo, Schade eigentlich, denn der musikalische Ansatz ist hier wirklich gut. Bleiben jetzt noch drei Stücke, um mich vom Hocker zu reißen.

Aber ich muss mich weiter gedulden, mit „The Grief“ kommt mal wieder, wie der Name schon sagt, ein Trauersong. Naja okay, so schlimm ist der jetzt nun auch wieder nicht. Im Prinzip kann ich wieder das sagen, was ich gerade schon angemerkt habe: eigentlich ist alles okay, bzw. gut, bis die Vocals einsetzen. Mich beschleicht das dumpfe Gefühl, dass Sänger Stanislav Proshkin nur ein Tempo, sowie eine Tonlage beherrscht. Es gibt kaum Abweichungen in Höhe und Tiefe, sowie eigentlich keinen Tempowechsel, was den Song langatmig macht.

Jetzt bleiben also nur noch zwei Möglichkeiten:

Zumindest strengt sich Proshkin bei „Soul is Burning“ mal an, etwas Abwechslung reinzubringen. Das gelingt jedoch nur bedingt, denn er schafft es nur ein, zwei Mal, dass sich seine Stimme in höhere Tonlagen verirrt, weshalb ich mich wieder auf die Soli und die gesanglosen Parts freue, die mich erwartungsgemäß nicht enttäuschen.

Etwas froh, beim letzten Albumtrack angelangt zu sein, wächst bei mir noch einmal die zarte Hoffnung, dass mich die ukrainische Kombo doch noch zum Ausrasten bringt, aber über „The Eagle“ muss ich nicht sprechen, denn es wurde irgendwie schon alles gesagt …

 

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Dies ist ein Gastautorenbeitrag von: Preuße


Pics mit freundlicher Genehmigung von DEFIANT und Ferrrum Records

 

Autorenbewertung

4
Schlussendlich muss ich leider sagen, dass mich keiner der zwölf Songs so richtig zum Abgehen gebracht hat, wobei das ganz und gar nicht am musikalischen Stil der Band liegt, denn das Zusammenspiel von Gitarre, Bass, Schlagzeug und dem Keyboard hat meiner Meinung nach richtig viel Potenzial, um ein wirklich gutes Werk zu kreieren. Einzig und allein der Gesang hat es geschafft, mir mehr und mehr auf die Nerven zu gehen. Das kann persönliches Empfinden sein, aber für mich machen die Vocals vor allem die letzten Songs kaputt, denn durch diese wird das Tempo rausgenommen, welches ja durchaus vorhanden ist.
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4 / 10 Punkten

Vorteile

+ abwechslungsreiche, kreative Instrumental-Parts
+ vielschichtige Keyboards
+ atmosphärisch

Nachteile

- nervender und langweiliger Gesang
- kaum Songs, die richtig scheppern
- Songs werden zum Ende des Albums langatmig

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