Warum verändert sich eine Band nach der anderen?
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Nehmen wir mal an, du hast dir die neue CD „Erstmal Husten“ von der (fiktiven) Band BRONCHIALGEWITTER gekauft. Ihre ersten 2 Alben stehen bereits in deinem Plattenregal und bieten astreinen Old School Death Metal. Die Vorfreude ist groß, als du das Album auspackst, in deine Anlage schiebst und dich gespannt auf das Sofa setzt. Das Intro dudelt vor sich in und dann beginnt der erste Song. Doch nach der Hälfte erklingen plötzlich Keyboards und im Refrain wird heldenhaft gesungen. Irritiert hörst du weiter, aber auch im nächsten Stück passiert wieder dasselbe. Diesmal kommen sogar Streicher hinzu.
Was soll das?
Die restlichen 5 Songs bieten exakt das gleiche, wie die 2 Vorgänger. Immer mehr nehmen die cleanen Vocals die Überhand. Auch die Streicher sind jetzt jederzeit vertreten. Enttäuscht von der eingängigen, ja sogar poppigen Anbiederung, wird das Digipack in die Ecke gepfeffert. Es ärgert dich dermaßen und vor Wut schießt dir folgender Gedanke durch den Kopf:
Wie kann es sein, dass meine neue Lieblingsband sich so verändert hat?
Die waren doch immer ehrlich und total bodenständig?
In einem Interview bezieht die Band Stellung
Und hier beginnt nun der Spaß interessant zu werden.
Die Band antwortet auf die Frage, warum sie so ANDERS klingt, dass sie einfach mal was Neues ausprobieren wollten. Warum aber ändern sich die Bands vom Klang her, die wir alle so lieben und am liebsten nur in der einen Sparte sehen wollen? Ich rede bewusst nicht von den Interpreten, die noch mehr Geld scheffeln wollen und jedes Jahr ein belangloses Album nach dem anderen herausbringen.
Wieso geschehen solche Veränderungen?
1. Grund: Wir hatten Bock darauf
Ja, diese einfache Antwort ist für manchen nicht nachvollziehbar und kann frustrierend sein. Aber habt ihr euch mal gefragt, wieso Musiker mehrere Bands neben ihrem Hauptaugenmerk gründen? Sie haben oftmals keine Lust nach dem 20. Album immer wieder dieselbe Leier zu verzapfen. Stellt euch vor, ihr wärt an ihrer Stelle und müsst/wollt euch das Hirn zermartern. In der Hoffnung, den nächsten Überknaller zu komponieren. Der in erster Linie den Musikern gefällt, wohlgemerkt. Deswegen schreiben viele Gruppen Musik. Um sich selbst auszudrücken. Natürlich sind wir Fans unglaublich wichtig, keine Frage. Ohne uns könnten Bands nicht touren, geschweige denn ihre Kunst verbreiten. Und doch fällt es unzähligen Interpreten schwer, keine Veränderung in ihr Konstrukt einweben zu dürfen, weil es einige Außenstehende schlecht finden.
Ich begrüße es dennoch auch regelmäßig, wenn Exemplare wie MIDNIGHT, MOONSORROW, METAL INQUISITOR, oder auch MOTÖRHEAD und IRON MAIDEN (um ein paar Exemplare zu nennen, die sich nie wegen Ruhm und schnödem Mammon großartig verbogen haben) ihrem Sound treu bleiben und bis zur Auflösung größtenteils gleich klingen. Das kann ich sehr gut verstehen.
2. Grund: Line Up
Falls ihr unzufrieden mit der letzten Platte von GRAVEYARD (Schweden) wart, dass liegt am Weggang des Bassisten, welcher maßgeblich am Songwriting beteiligt gewesen ist. Mittlerweile haben sich die Schweden sogar aufgelöst, beziehungsweise auf einen Winterschlaf auf unbestimmte Zeit geeinigt. Das hat, wie ich finde, gravierende Spuren in den neuen Liedern hinterlassen. IRON MAIDEN haben diesen Prozess sogar 4-mal durchgemacht, wohlgemerkt nur auf den Sängerposten bezogen. Ein Wunder, wie ich finde, dass die Engländer so konsequent geblieben sind, obwohl ich definitiv die ersten beiden Platten präferiere, da Paul Di Anno für meinen Geschmack unvergleichlich war. Wenn auch nicht perfekt.
3. Grund: Du willst genau das gleiche Album, nur mit neuen Songs
Wie schon im Text der ersten Ursache erwähnt, freue ich mich selber, dass soviele Bands stur ihren Weg gehen. Sie haben nur eine Absicht: bis zum Erbrechen/Tod soll ihre Musik gleich klingen, es dürfen maximal Nuancen verändert werden. Daran ist meiner Meinung nach nichts verkehrt. Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier der Extraklasse. Und Veränderungen müssen ja nicht immer sein. Aber auch hier liegt der Teufel im Detail versteckt. Mir ging es so bei der neuen Scheibe von TOTENMOND („Das Letzte Beil Vor Dem Mond“). Die Vorfreude war groß, der Hannes war freudig erregt.
Zack! Album läuft, Schreiberling ist enttäuscht. Trotz unveränderter Formel bezüglich des Songwriting, kickte mich die Platte wenig. Was wohl an der schwachen Produktion gelegen hat. Eigentlich ein vierter Grund, aber das ist eine Geschichte, die schon angerissen wurde.
Auch beim aktuellen Silberling von SÓLSTAFIR war ich sehr enttäuscht. Obgleich die Formel von „Svartir Sandar“ beibehalten wurde. „Ótta“ war mir zu ruhig, zu sehr in Richtung Kommerz ausgelegt. Aber deswegen verurteile ich die Band nicht mehr wie am Anfang. Hätten die Isländer sich nicht seit ihrem zweiten Werk geändert, sie wären wohl für mich uninteressant geblieben. Wem solche Wandlungen auf den Kranz gehen, der kann ja auch die alten Scheiben auflegen.
Zum Schluss noch eine kleine Liste an Interpreten, die sich regelmäßig verändern: BORIS aus Japan, DEATHSPELL OMEGA, OM, DISILLUSION, IN FLAMES (die ersten 90er Scheiben sind sehr zu empfehlen), DARK MILLENNIUM…..die Auswahl ist schier endlos!
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3 Kommentare
[…] dann auch als Künstler formen und verändern kann. Außerdem gibt es noch zahlreiche Gründe, warum sich Bands verändern. Lange Rede, kurzer Sinn: ich hatte lange die einsichtige Sichtweise und den Hass auf Veränderung […]
5. Grund: Zielgruppenerweiterung (aka Geldscheffeln)
Die Band ist auf einmal in aller Munde, das neue Album wird in der U-Bahn beworben, vielleicht läuft sogar eine Single-Auskopplung im Dudelfunk, aber kaum liegt die Scheibe im Player, muss man schockiert feststellen, dass es stark auf Mainstream-Tauglichkeit getrimmt ist und einige Federn lassen musste. So gesehen bei Russkaja und Volbeat, wobei sich Volbeat mit der aktuellen Scheibe wieder gefangen haben (wobei ich vermute, dass da die Fans intervenierten).
Ach wie gut müssen es diejenigen Bands haben, die schon immer gern experimentiert haben (ich denke da an die Apokalyptischen Reiter). Klar können sie sich auch mal in die Nesseln setzen (so wie die Reiter mit »Tief.Tiefer«, obwohl ich persönlich dieses Album mag), aber ein generelles »iiih, die klingen so anders als früher« dürfte es bei ihnen eher selten geben.
Gerade bei den Reitern höre ich ständig Menschen solche Kommentare abgeben, vor Allem im Bezug auf ihre deutlich härtere muaikalische Vergangenheit. Ich muss sagen dass sie mich mit Tief.Tiefer leider schlussendlich auch verloren haben. Was aber halt schön an der Sache ist, ist dass es bei solchen sehr wandelbaren Bands immer sein kann, dass es irgendwann wieder bergauf geht. Ich bin und bleibe mal gespannt.