Was blüht, muss welken – KORA WINTER
KORA WINTER – Welk
Veröffentlichungsdatum: 21.04.2017
Dauer: 20:18 Min.
Label: Independent
Es gibt zu viele Scheißbands. Ne, anders. Es gibt zu viele kleine Scheißbands. Ne, noch anders. Es gibt zu viele kleine Scheißbands, die viel zu früh ihr Material in die Welt raushauen.
KORA WINTER sind KEINE davon!
Das Fünfergespann aus der Hauptstadt legt mit „Welk“ ihre zweite EP vor und haut mich damit schon beim ersten Hören komplett aus dem Sessel.
Zugegeben: beim ersten, musiklosen Blick auf die Lyrics wurde ich etwas skeptisch, aber spätestens als der Opener „Bluten“ mit einer wunderbaren Saxophonlinie in mein Ohr kriecht, bin ich entzückt. Meine erste Assoziation: das Hannoveraner Artcore-Trio THE HIRSCH EFFEKT, für die KORA WINTER bereits als Vorband spielen durften. Durchaus verdient, wie ich sagen muss.
Sehr weit von den HIRSCHEN entfernt sind KORA WINTER nämlich nicht, auch wenn das Berliner Quintett weniger vertrackt zu Werke geht. So erinnern die etwas weniger DILLINGER-esken Momente zumindest mich an den wundervollen Postcore der Jungs von FJØRT. Soll heißen: Emotion und Eingängigkeit werden hier gekonnt mit Melancholie und Härte gepaart.
Bereits 2015 ließen KORA WINTER ihre erste EP „Blüht“ auf die Welt los und konnten schon damit, völlig zu Recht, gute Kritiken einheimsen. Wer jetzt jedoch denkt, dass „Blüht“ eher nett und freundlich, „Welk“ jedoch trist und langsam wäre, der täuscht! Auch wenn zwischen beiden Veröffentlichungen zwei Jahre liegen, so sind beide gleichermaßen rücksichtslos, extrem und beeindruckend.
Was daran für mich so beeindruckend ist? Dass die Band konsequent einen roten Faden durch ihre Songs spinnt, der auf „Blüht“ angefangen wurde und auf „Welk“ fortgesetzt wird. Wo andere Bands Probleme damit haben, zwei Songs sinnvoll miteinander zu verknüpfen, tun das die Berliner mit zwei EP’s. Das Geheimnis dabei sind die deutschen Texte, die so niederschmetternd, metaphorisch und hart sind, dass Trümmerliteratur dagegen fröhlich wirkt. Dennoch gehen sie überraschend schnell ins Ohr.
„Das ist kein Staub, das ist Asche auf der Haut. Wenn dich niemand erkennt, fällst du überall auf“
Immer wieder tauchen Textzeilen auf, die man so schon im vorherigen Song oder dem davor gehört hat – jedoch in neuem Kontext, in neuem Gewand, mit tieferer Bedeutung.
So bilden auch die letzten Zeilen „Auf der Spitze des Berges wird man dir die Augen verbinden und lautlos verschwinden. Die Tage werden viel zu lang.“ der Vorgänger-EP „Blüht“ die ersten Zeilen von „Welk“ und erzählen so eine zusammenhängende Geschichte von Gedeih und Verderb, besonders von Verderb.
Doch im direkten Vergleich mit der Debüt-EP haben KORA WINTER einiges an Dynamik hinzugewonnen. Denn gerade als man denkt, dass die Wut nicht mehr giftiger speien könnte, wird ein Stück der Sängerin Alexandra gecovert, um Gänsehaut und Grabesstimmung zu generieren. Der Clou dabei: der Song passt perfekt in die Gesamtheit der restlichen Stücke und erinnert mich an „One Wing“, das letzte Album der leider schon von uns gegangenen THE CHARIOT. Denn auch dort wurde nicht vor abrupten Stil- und Dynamikwechseln zurückgeschreckt. Was ursprünglich als „Es war einmal ein Fischer“ veröffentlicht wurde, bekommt als „∞“ eine neue Bedeutung und stellt den perfekten Soundtrack zur Sarg-Anprobe dar.
Während „Blüht“ schon eine recht kurze Spielzeit von einer knappen halben Stunde hatte, so ist „Welk“ mit 20 Minuten noch eine Spur kürzer – und kurzweiliger. Somit ist der einzige Vorwurf, den ich der Band machen kann, dass die EP viel zu schnell endet. Darum: bitte mehr davon!
Autorenbewertung
Vorteile
+ Technik mit brutaler Hemmungslosigkeit gepaart, trotzdem rau und unpoliert
+ Authentizität
+ Hooklines trotz komplexer Songs
Nachteile
- komplexe Songs, die für manchen zu krass sein könnten
Du liest diesen Beitrag, weil unsere Autoren lieben, was sie tun - wenn du ihre Arbeit liebst, kannst du uns, wie andere schon, unterstützen. Wie? Mit einem kleinen monatlichen Beitrag über Patreon
Keine Kommentare