Weihnachtet es schon?
TWILIGHT FORCE – Heroes Of Mighty Magic
Veröffentlichungsdatum: 26.08.2016
Dauer: 70:27 Min.
Label: Nuclear Blast
Was verbindet man mit Power Metal? Beeindruckende Gitarrensoli, Storys über bunte Fantasiewelten, für die meisten Männer kaum zu erreichende Soprangesänge und oftmals heitere Melodien? Ja, genau! Und wer sich das nochmal in Erinnerung rufen möchte, möge sich das neue Album „Heroes Of Mighty Magic“ von TWILIGHT FORCE zu Gemüte führen, denn alle oben genannten Elemente finden sich genau hier. Gemischt mit einer ordentlichen Portion Weihnachtsfeeling. Bitte? Wie meinen?
Ok, fangen wir von vorne an. Wie man so schön sagt, isst das Auge ja auch immer mit. Das gilt auch für CDs, denn Haptik und Optik spielen eine wichtige Rolle für den ersten Eindruck. Was das angeht, warten TWILIGHT FORCE direkt mit dem ersten „Leckerbissen“ auf: Ein wunderschöner, eine violette Flamme speiender Drache ziert das Cover des Albums, das sich wie ein kleines Büchlein präsentiert. Das mit der Hülle verbundene Booklet ist von ähnlich guter Qualität: Ich kann mich an einem schönen „TF“-Logo erfreuen, mich von einem Artwork verzaubern lassen, das alle Bandmitglieder so zeichnet, als würden sie gleich losziehen und den Ring zum Schicksalsberg tragen wollen – und ich erfahre endlich, dass der Warlock Blackwald einen erstaunlichen Magiewert von 95 und Level 7 erreicht hat. Kein Witz: alle sechs Bandmitglieder werden ausführlich so vorgestellt, als würde es sich um Chars in einem RPG handeln. Rasse, Klasse, alle möglichen Stats sowie Items und spezielle Skills sind hier aufgeführt. Hier kann man eine ganze Weile seine Blicke schweifen lassen. Einfach großartig. Schon vor dem Hören bin ich ganz aus dem Häuschen!
Kommen wir zum wichtigsten Teil: der Musik!
Mit Fanfaren, schnellen Drums, chorischer Begleitung und dem gewohnt hohen Gesang vom „Human Highborn Warrior“ Chrileon steigen wir schnell und energiegeladen in den Eröffnungstrack „Battle Of Arcane Might“ ein. Hie und da erklingen Glöckchen, die dem Ganzen ein fröhlicheres Gewand bescheinigen. Für ein dickes „Wow!“ reicht es an dieser Stelle noch nicht. Hören lassen kann sich dieser Titel aber trotzdem, denn Spaß kommt hier bereits auf. Die folgenden Titel „Powerwind“, das etwas frecher und gemeiner anmutende „Guardian Of The Seas“ sowie das etwas sanftere „Flight Of The Sapphire Dragon“ sind nicht schlecht, schaffen es aber trotzdem nicht, sich auf Dauer zu etablieren. Der Eröffnungstrack war im Vergleich dann doch ein ganzes Stück stärker.
Aufhorchen muss ich beim fünften Song der Scheibe, „There And Back Again“. Es beginnt mit einer schnellen Streichermelodie, die von leichtem, aber doch auffälligem Glöckchenspiel unterstützt wird. Sofort sehe ich eine verschneite Weihnachtslandschaft und spielende Kinder vor mir. Hier sitze ich nun bei 30 Grad im August und muss mich fragen: Weihnachtet es denn schon? Nach 30 Sekunden steigt eine engelsgleiche Stimme ein, und ich kann fühlen, wie sich die Härchen an meinen Armen aufstellen. Gänsehaut! Dies gibt sich mit der Strophe wieder etwas, ehe das erste Mal der Refrain einsetzt. Ich schließe die Augen und genieße die schöne Melodie. Zugegeben: Harter, trver Metal ist das nicht, jedenfalls längst nicht immer. Aber das ist egal. Das circa zehn Minuten lange Stück hält mich bei Laune und bietet zum Ende hin auch noch einige Gitarrensoli. Ich habe mein erstes Highlight gefunden und lausche mit einer letzten Gänsehaut noch einmal dem Refrain am Ende des Songs.
„Riders Of The Dawn“ entspricht wieder den ersten Titeln des Werkes. Ganz nett und mit einem doch recht einprägsamen Refrain, aber nach dem kleinen Weihnachtswunder eigentlich ein wenig ernüchternd. Das im Wesentlichen unweihnachtliche „Keepers Of Fate“ gefällt mir ein Stück besser, ehe mich „Rise Of A Hero“ mit ein paar wenigen Versen kindlicher Stimme ins Weihnachtswunderland zurückzuprügeln versucht. Funktioniert nicht ganz, da mich auch dieser Song nicht fesselt, aber zumindest hat man es versucht. Der kunterbunte Melodien-Mix im zweiten Teil gefällt mir nicht, es handelt sich um einen der, in meinen Augen, eher schwächeren Tracks.
Düsterer und in einer galoppierenden Geschwindigkeit beginnt der vorletzte „richtige“ Titel „To The Stars“. Natürlich bleibt es nicht düster, sondern nimmt dem Stil von TWILIGHT FORCE entsprechend fröhlichere Züge an.
Trotzdem hat dieser Titel einen weniger heiteren Charakter als die meisten anderen auf diesem Album, und das ist auch ganz gut so.
Denn insgesamt fehlen mir ein wenig die epischeren Stücke des Vorgängers, wie „Forest Of Destiny“ oder „Twilight Horizon“, die mich so richtig gepackt und nicht mehr losgelassen haben. Man erlangt den Eindruck, das fantastische Sextett hat bereits alle Bosse besiegt und hüpft nun durch eine fröhliche Welt, in der es nichts mehr zu bekämpfen gilt und die Zeit für andauernde Sorglosigkeit gekommen ist. Auch der Titelsong „Heroes Of Mighty Magic“ vermag daran nichts zu ändern. Einen Pluspunkt gibt es an dieser Stelle allerdings: SABATON-Frontmann Joakim Brodén steuert einen Teil zum Titel bei. TWILIGHT FORCE stammt nämlich aus Falun, jener schwedischen Stadt, in der auch jedes Jahr das Sabaton Open Air stattfindet. Da liegt es gar nicht so fern, sich prominente Hilfe aus der Region zu holen. Von SABATON mag man ja halten was man will, aber Joakims Stimme ist schon einzigartig und verleiht einem Song einen bedrohlicheren Charakter. Leider bleibt sein kurzer Part der interessanteste Teil eines ansonsten blassen Songs.
Es folgt noch ein, zugegeben sehr authentischer, Dialog, der von Blackwald gelesen wird. Der Mann könnte auch ein kauziger, alter Eremit sein. Man würde es ihm wohl abnehmen. Sechseinhalb Minuten am Stück Unsinn erzählen kann man als ein solcher nämlich, wenn man denn den zahlreichen Spielfilmen mit kauzigen alten Eremiten Glauben schenken darf.
Eigentlich erwartet man nach dem Epilog ja das Ende des Albums. Hier schließt sich jedoch noch „Knights Of Twilight’s Might“ an. Klingt ein wenig nach Nationalhymne. Eine nette Ergänzung, gebraucht hätte ich diese allerdings nicht.
Dies ist ein Gastbeitrag von Lukas
Autorenbewertung
Vorteile
+ wundervolle Weihnachtshymne „There And Back Again"
+ bandeigener Stil
Nachteile
- geringer Ohrwurmfaktor
- kaum herausstechende Highlights
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