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Weltraumkriege und Wurmlöcher
THIRD ION – Biolith
Veröffentlichungsdatum: 08.07.2016
Dauer: 50:18 min
Label: Glasstone Records
Kanada – unendliche Weiten und nichts los. Wer kein Naturkind ist, geht hier ein. Oder wird zum Nerd. So wie die Jungs von THIRD ION. Nachdem sie erst im vergangenen Jahr ihr Debütalbum herausgebracht haben, ist es nun schon wieder soweit. Album Nummer zwei „Biolith“ ist da! Und es bringt uns: ziemlich abgefahrenes Zeug. Oder wie sie selbst sagen: „[…] the product of a mutual love of prog, video games, and science.“ Wie sich diese Kombination anhört? Gute Frage. Nach dem ersten Eindruck muss ich sagen, dass ich gar nicht so richtig weiß, was da eben passiert ist. Aber genau dafür mag ich Prog. Ich lasse die Platte gleich noch ein zweites Mal durchrattern und versuche, meine Eindrücke zu verarbeiten.
Gleich mit dem ersten Titel spielen THIRD ION mit einem fast zehnminütigen Wälzer auf. Ein kurzes elektronisches Piepen gefolgt von…Chaos! 30 Sekunden lang flach klingendes Gitarren-Schlagzeug-Geeier. Anders kann ich es nicht beschreiben. Da kräuseln sich mir kurz sehr effektiv die Fußnägel nach oben. Eh sich endgültig alles in mir sträuben und verkrampfen kann, löst sich der Wust in einem leichten Gitarrenpart auf, der an OPETHs sanftere Auswüchse à la „Damnation“ erinnert. Auch der Gesang ist nicht weit von dieser Stimmung entfernt. Die Kanadier haben sich diesmal für den Gesang auf „Biolith“ niemand geringeren als Dave Padden, seines Zeichens ehemaliger Sänger der Thrasher ANNIHILATOR, ins Boot geholt. Padden versteht es bei THIRD ION, über die zerklüfteten, rhythmisch komplexeren Melodien eine angenehme Gesangslinie zu legen, die Orientierung gibt und zusammenhält. Die Jungs hangeln sich mit einem abwechslungsreichen Potpourri aus schnelleren und ruhigeren Parts über die ersten 10 Minuten.
Insgesamt finde ich es erfrischend, was so an Klangbreite aufgefahren wird. Neben 8-Bit-Sounds gehören solide Gitarrenriffs, die mich von der Mischung zeitweise an DEVIN TOWNSENDs „Biomech“ erinnern, zum Repertoire. Was mir jedoch so richtig das Herz aufgehen lässt, ist ein wunderschön singender Basssound, der überall gut durchkommt und in Solopassagen brilliert. Meine Begeisterungsfähigkeit bekommt noch einen Höhenflug, als ich nachschlage, WER mich hier so verzaubert: Mike Young. Er hat für Devin Townsend unter anderem an dessen Album „Synchestra“ mitgewirkt.
Ich muss bei Ausflügen in die Vergangenheit elektronischer „Musik“ ja immer sehr schmunzeln. Für mich triggert das sofort die Reaktion: „Geil, gucke mal, was Neues. Das blinkt und macht Geräusche!“, und diese ist untrennbar mit Erfindergeist und schon fast kindischer Begeisterungsfähigkeit verknüpft. Beim titelgebenden Track „Biolith“ starten THIRD ION mit einem solchen Atari-Einspieler, den sie dann langsam instrumentieren und ganz abstrus in eine orientalisch anmutende Rhythmik und Melodieführung umwandeln. Das läuft natürlich nicht ohne einen gut ausgespielten Basslauf. Der Refrain ist dafür umso gewöhnlicher: Geradeaus, heroisch, inklusive Ohrwurmcharakter.
„Zero, the unexeptional God with no powers. Packin‘ heat from the sun with a molecular dismantling gun“…oh je, die Line werde ich nicht so bald wieder los!
Neben Gesang, Gitarren, Bass und Soundeffekten gibt es natürlich auch noch ein Schlagzeug. Das finde ich zu einem großen Teil gut. Es haut mich nicht aus den Socken, aber das, was vorgelegt wird, passt in das Konzept der Band. Allerdings gibt es auf der Platte auch einige Drumpatterns, die mich ganz schön aus der Bahn werfen. Nicht nur, weil sie unerwartet kommen sondern auch, weil sie zum Teil komplett losgelöst vom Rest des Songs stehen. Ich zieh mir ja echt viel komisches Zeug rein, aber da waren einige Dinger dabei, bei denen ich auch beim zweiten Mal Hören nur lachend den Kopf schütteln kann. Noch bin ich mir unsicher, ob ich’s so mag oder nicht. Aber so wie ich mich kenne, hör ich das einfach noch zwei, drei Mal und nehme es eben so hin, wie es ist.
Die Entwicklung der Stimmung wird zum größten Teil den Instrumenten überlassen, der Gesang hält sich dahingehend angenehm zurück und erweitert das Spektrum gut, indem er über Texte die Fantasie, sich in endzeitlichen Sternenkriegen zu befinden, beflügelt. Zeitweise wünsche ich mir, dass die Gesangsmelodie etwas unabhängiger von den Instrumentalmelodien funktionert. Bass und Gesang hängen doch schon sehr nah beieinander. Das ist vielleicht auch notwendig. Vor allem im Kontrast zu den zerklüfteteren Parts gibt es doch dem Ganzen so einen guten Zusammenhalt und macht ein stimmiges Bild.
Mit „Corpus Solaris“ haben die Kanadier letztendlich einen tollen finalen Song auf ihre Platte gepackt. Ruhig und wabernd werde ich ins All entlassen. Nach den ganzen technischen, schnellen und verwirrenden Ausflügen in die Abgründe des bevölkerten Weltraums finde ich Entspannung und fühle mich wie ein einsam umherfliegender Astronaut, der weit von allem Trubel entfernt, durch den Kosmos gleitet.
Autorenbewertung
Vorteile
tolle Bassläufe
angenehme Mischung aus atmosphärischen und technischen Passagen
Nachteile
zeitweise etwas zu pathetisch
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