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Wer braucht eigentlich ein Making Of?

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Setzt euch bitte und geht tief in euch. Heute möchte ich mit euch über ein bisher eher unberührtes Thema sprechen: Making Ofs und Tour-Dokumentationen. Für die einen sind sie ein Segen, da man der angehimmelten Band so nah wie nie zuvor kommen kann. Für die Anderen sind sie eine überflüssige Zugabe-DVD in der Deluxe-Version des neuesten Albums. Deshalb wird es mal Zeit darüber zu sprechen, was man mit einer solchen Dokumentation erreichen kann und will.

Fangen wir beim Bezug an, den die meisten Musikfans zu Tour-Dokus haben. Jeder hat bestimmt schon mindestens eine gesehen. Dabei kann es um die eigene Lieblingsband oder eine zufällige Truppe gehen, die bei YouTube schlicht und ergreifend ein interessantes Vorschaubild hatten. Und da fängt der Spaß schon an: Für wen sind diese Dinger eigentlich gemacht, wenn nicht für den absolut größten Fan? Möchte ich mir als einfacher Musikkonsument wirklich anschauen wie EVERY TIME I DIE scharfe Soße in fremde Hintern schieben? Die abstrusen Geschichten und faszinierenden Bilder, die eine Band auf Tour erlebt, werden hier in Gold verwandelt. Gold, das im Endeffekt nur einen Aufpreis von ca. 5 Euro bei einem CD-Kauf bedeutet. Lohnt sich es also für den Fan und die Band? 

PARKWAY DRIVE machen eine Wall Of Death am Äquator und du kannst dabei sein!

So tiefe Einblicke verstärken natürlich die Bindung zwischen den Musikern und den Konsumenten. Was sich jede Seite davon erhofft so eine Doku aufzunehmen bzw. anzuschauen, bleibt dabei aber offen. Das Ergebnis ist nicht vorhersehbar.

Ich hatte zum Beispiel unglaublich viel Spaß an PARKWAY DRIVEs Home Is For The Heartless DVD, weil sie mir Einblicke in die Orte gegeben hat, an denen die Truppe gespielt hat. Zweitrangig war dabei immer die Musik und höchstens beim Auftritt in der alten Schule der Jungs stand das Konzertereignis im Vordergrund. Sie besuchen außer ihrer Heimatstadt nämlich Orte wie Kalkutta und zwei von ihnen unternehmen eine abenteuerliche Reise durch halb Lateinamerika. Wie großartig die Aufmachung der vielen kleinen Teile ist, beachten wir für die weitere Besprechung des Themas nicht. Viel wichtiger ist doch eher, dass jeder von der eigenen Couch aus das erleben kann, was den Alltag auf einer Tour oder im Studio ausmacht. Als ein Fan sie in Bangkok immer wieder gespannt in gebrochenem Englisch nach einem „Nu alabum“ – zu gut Deutsch einem neuen Album – fragte, war PARKWAY DRIVE direkt viel nahbarer. Jedem Zuschauer wird ein Gefühl der Einheit vermittelt, er darf schließlich dabei sein.

Genauso verhält es sich auch mit den Studio-Tagebüchern, die für einige Bands zum Standardrepertoire gehören. Bei so einer Fülle an Veröffentlichungen muss man aber selektieren. Deswegen werden diese für gewöhnlich nur geschaut, wenn das Album einen auch interessiert. Zu Promozwecken werden diese auch oft in kleinen Episoden bereits vor der Veröffentlichung zur Schau gestellt. Bei DARKEST HOUR zum Beispiel konnte ich dieses Jahr regelrecht auf Riff-Jagd gehen, denn in den YouTube-Clips versteckten sich immer wieder Passagen des noch nicht veröffentlichten Teils von „Godless Prophets & The Migrant Flora“. Desto beeindruckender die Bilder und Hintergründe zu jeder Aufnahme, desto erfolgreicher ist auch der Auftrag der Fanbindung.

In der letzten Zeit haben es mir besonders OATHBREAKERs „Visual Story“ zu „Rheia“ und PROTEST THE HEROs „Of Our Own Volition“ angetan. Ersteres zeigt genau wie eindrucksvoll ein Label solche Studio-Tagebücher in Szene setzen kann und Letzteres ist eben voll vom Charme der Kanadier. Sie haben einfach ihren gesamten Werdegang mit alten Video-Clips und Kommentaren aus der Gegenwart dokumentiert. Eine Mammut-Aufgabe wurde damit umgesetzt und damit so ziemlich jedes Album entzaubert. Das ist nämlich ein entscheidender Knackpunkt: Will ich wirklich hören, warum mir dieses Detail in Song A so gut gefallen hat und wie es in Song B eingebaut wurde? Muss Kunst zu einem Handwerk desillusioniert werden?
Wer gerne die Theorie und die Formeln in seinen Lieblingsalben verstehen möchte, kann sich das gerne geben. Für mich hinterlässt es oft einen bitteren Nachgeschmack.  

Die Abrechnung

Und was kommt nun unterm Strich dabei raus? In Tour-Dokus kann jeder seine Lieblingsband meistens oberflächlich und manchmal tiefer kennen lernen. Die Band behält, insofern sie die moralisch fragwürdigen Szenen auch herausschneidet, ihre Fans für ein paar weitere Alben. Dafür bezahlt dann jeder etwas mehr für die Deluxe-Version des nächsten Albums und schon sind alle glücklich. Außer die, die sich ihre Alben nicht entzaubern lassen wollen oder die Musiker dahinter für absolute Arschlöcher halten. Feinde vom Personenkult sollten deshalb auch darauf verzichten, sich die weit hergeholten pseudo-intellektuellen Sätze zu geben, die da so fabriziert werden. Dennoch darf jeder Spaß daran haben, sich die im Studio oder auf der Tour begangenen Dummheiten anzugucken. Dafür brauchte ich das ein oder andere Mal zwar besonders starke Nerven, aber unterhalten wurde ich trotzdem.

Die ganz Starken unter euch dürfen sich jetzt auch noch das Segment anschauen, dass den Anstoß zu dieser Kolumne gab. EVERY TIME I DIE veranstalten einen Wettbewerb mit einer berühmt berüchtigten scharfen Soße. Auf welche Körperteile diese verteilt wird, schaut ihr euch lieber selbst an (NSFW):

Bild mit freundlicher Genehmigung von Parkway Drive

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4 Kommentare

  1. minuslik
    12. Juli 2017 bei 0:14 — Antworten

    Die Frage im Titel ist eine gute Frage, denn was die Bands abseits der Bühne so treiben, steht doch heutzutage auf Facebook oder Twitter 😉

    Making-Ofs kann man so sehen und so sehen. Ist wie in der Wissenschaft, da wird von den einen auch immer gejammert, dass eine detaillierte Erklärung dieses oder jenes Phänomens (etwa wie ein Grashüpfer springt) ihm alle Faszination raubt, während für die anderen die Erklärung (Grashüpfer haben einen Katapultmechanismus) die Faszination gerade noch verstärkt. Wobei ich eher zu Letzteren gehöre.

    Gut, wenn man in einem Film-Making-Of sieht, wie die Schauspieler im Prinzip nur vor einem Greenscreen herumhüpfen, ist es ziemlich witzlos, aber wenn die Trickserei losgeht (so wie früher, als man ohne Rechnerunterstützung die Geräusche noch irgendwie selbst erzeugen musste und dafür allerlei Maschinen gebaut hat), wird’s wieder interessant. Auf Musik übertragen möchte ich schon gerne wissen, was die Leute sich an dieser und jener Stelle gedacht haben – Textinterpretation hab ich in der Schule immer gehasst, ich höre so was lieber von den Autoren/Musikern selbst.

    • 19. Juli 2017 bei 9:04 — Antworten

      Ich glaube genau an dem Punkt der Einblicke scheiden sich dann die Geister. Entweder man möchte das mitbekommen, so wie du, oder eher nicht, so wie ich 🙂

  2. Lodenschwein
    9. Juli 2017 bei 8:59 — Antworten

    Musikabhängig, ich finde making of’s entzaubern ganz oft die Welt in die mich die Musik entführt. Für mich ist es Kunst und ich mag den Gedanken daran das die Musiker das Leben was sie besingen.
    Bei nem making of merkt man die reale Welt hinter den Musikern und das will ich gar nicht sehen.
    Musik an-Alltag aus. Ich will mir dann nicht ansehen wie deren Tour Alltag aussah oder wie sie genervt im schneid-Raum sitzen!
    Das selbe gilt für making ofs bei Serien.

    • 19. Juli 2017 bei 9:04 — Antworten

      Da sind wir uns wohl zum ersten Mal einig! 😀

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